Zu den Polarlichtern und zurück

Im Winter an den nördlichsten Rand Europas? Toll! Mit Campervan allerdings ein ziemlich cooles Abenteuer!

Text: Julia Unkrig | Fotos: Julia Unkrig, Nando Kuschel

Mit dem Campervan im Winter durch Skandinavien

Mit dem voranschreitenden Ausbau unseres Campervans wurde auch unsere erste Traumdestination, das Nordkap, immer deutlicher. Dass wir letzten Endes gar nicht dort landen, sondern unsere Liebe zu den Lofoten, Senja und den Polarlichtern entdecken würden, war uns zu dem Zeitpunkt noch nicht klar. Fest stand nur eines: Richtung Norden sollte es gehen, auf dem Landweg über Dänemark und Schweden, möglichst langsam, sodass wir jeden Kilometer der für uns ganz neuen Länder aufsaugen konnten. Wir waren vor allem auf der Suche nach einem der wohl schönsten Naturphänomene Skandinaviens: den Polarlichtern. Und eines kann ich hier vorab schon verraten, wir haben sie gefunden und durften mehr als einmal unter bunt erleuchtetem Nachthimmel stehen und staunen.

Wir, das sind Nando vom Instagram-Kanal @nando_kuschel und ich, Julia, vom Reiseblog www.boardshortslife.com. Gemeinsam reisen und leben wir seit Oktober 2018 in unserem selbstausgebauten Mercedes Sprinter. In diesem Beitrag schreibe ich über unsere allererste Reise durch Skandinavien, darüber, wie wir unsere Liebe für den Norden entdeckten und im übernächsten Winter wiederkamen.

Auf nach Norden

Im Oktober 2018 rollten wir mit unserem Sprinter vom Hof, und mit uns unsere ganze Wohnung mit fast allem, was wir noch besaßen. Mit jedem Kilometer, den wir uns von unserer Heimat entfernten, wich die Aufregung dem Gefühl der absoluten Freiheit. Alles, was wir in den nächsten Monaten benötigen würden, war nur einen Schritt entfernt, hinter unseren Sitzen im Wohnraum unseres Campers verstaut. Eine ganze Wohnung auf vier Rädern, die uns jederzeit einen sicheren, warmen Platz im kalten Norden bieten würde.

Blick aus dem Van in die Landschaft

Der Norden Deutschlands flog nur so an uns vorbei – wir wollten endlich etwas Neues erleben und gemeinsam Schweden entdecken. Wir machten nur ein paar wenige Stopps zum Übernachten, durchquerten Dänemark und überquerten schließlich die beiden mautpflichtigen Brücken, die Storebæltsbroen über den Großen Belt und die Öresundbrücke. Angekommen in Südschweden wurden wir von einem Indian Summer begrüßt, wie er im Buche steh. Blätter, die in Gelb, Orange und Rot durch die Sonne blitzten, gepaart mit unzähligen glitzernden Seen und dichtem Wald. Der Herbst in Schweden hätte uns nicht schöner willkommen heißen können.

Nördlich von Stockholm folgen wir der E4, die entlang der Ostküste Schwedens bis in den Norden verläuft. Wir lassen uns treiben, genießen die Natur und machen nur zum Auffüllen der Vorräte in den größeren Städten an der E4 halt. Wir passieren Gävle, Sundsvall, Umeå und Luleå. Die schwedischen Rastplätze neben der Hauptstraße, abgelegene Stellplätze an kleinen Nebenstraßen und der eine oder andere kleine Campingplatz bieten eine optimale Mischung aus absoluter Abgeschiedenheit in der Natur und dem bisschen Luxus von Sanitäranlagen mit Waschmaschine und Trockner.

Wir reisen nach Bauchgefühl und entscheiden uns spontan, hinter Luleå der E10 ins Landesinnere Richtung Gällivare zu folgen. Mit jedem Kilometer geht es ab hier weiter dem Polarkreis und damit auch der Chance, Nordlichter zu sehen, entgegen. Aber es ist auch deutlich kälter geworden, die Straßen sind mit einer Schicht aus Schnee und Eis überzogen, und tagsüber klettern die Temperaturen nur noch selten über 0 Grad Celsius. Auch die Sonne lässt sich nur noch wenige Stunden am Tag blicken und taucht die Landschaft dann in ein leicht dämmriges Licht. Mit Abisko erreichen wir den gleichnamigen Nationalpark, einen der Orte in Schweden, wo es die geringste Lichtverschmutzung gibt. Es ist bereits stockdunkel um uns herum, und wir sind eigentlich nur noch auf der Suche nach dem nächsten Rastplatz. Kilometerlang starren wir auf die weiße Straße und versuchen, im Schneegestöber die nächste Haltebucht zu erahnen. Wir bemerken kaum, wie sich die Grenze zu Norwegen nähert. Kurz hinter dem Grenzübergang finden wir schließlich unseren Stellplatz für die Nacht.

Die Weite der Winterlandschaft von oben

Fast scherzend sage ich später am Abend, dass zum absoluten Glück jetzt nur noch die Polarlichter fehlen würden. Aufgeregt mache ich alle Lichter aus, ziehe den Vorhang zur Fahrerkabine auf und schaue nach oben. Meine Augen müssen sich zunächst an die Dunkelheit gewöhnen, doch tatsächlich ist der Himmel mit tanzenden bunten Lichtschwaden bedeckt. Ich kann es erst kaum glauben, dass wir genau hier das erste Mal Polarlichter sehen. Orange, Grün, Gelb, ein bisschen Rosa und Türkis. Die Farben tanzen im Wechsel in sich schlängelnden Lichtfäden über den Nachthimmel. Und wir sitzen wie erstarrt darunter, keine Menschenseele in Sicht, nur wir und unser Campervan. Wir fühlen uns, als wären wir endlich da angekommen, wo wir immer hingehört haben, und beschließen aus dem Bauch heraus, gar nicht weiter Richtung Nordkap zu fahren, sondern die Region um Tromsø zu erkunden.

An der Küste im Norden Norwegens reihen sich die schönsten kleinen Inseln in türkisblauem Wasser aneinander, und wir kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Tagsüber erinnert das in der Sonne glitzernde, klare Wasser fast an die Karibik, nur der Blick auf die schroffen Berge, auf deren Spitzen Schnee liegt, verrät, dass es sich hier um Norwegen handelt. Wenn es dann früh dunkel wird und wir uns zum Kochen in den Van zurückziehen, geht der erste Blick auf eine Polarlicht-App, die die Stärke, den Ort und die Wahrscheinlichkeit einer Sichtung anzeigt. Fast jeden Abend können wir die Polarlichter auf Sommarøy, Senja und den Lofoten beobachten, und das fast immer in völliger Abgeschiedenheit und Stille ganz im Einklang mit der Natur.

Wir gehen viel Wandern, besonders haben es uns die schroffen Berge auf Senja und den Lofoten angetan.

Das Leben hier kommt uns komplett entschleunigt und entspannt vor – tagsüber sind wir während der wenigen verbleibenden Sonnenstunden unterwegs, kochen und backen viel, und nachts jagen wir den Nordlichtern hinterher.

Wir treffen kaum andere Touristen und begegnen überhaupt kaum Menschen – ein Vorteil des Reisens während der Nebensaison. Am wohlsten fühlen wir uns dort, wo die Supermärkte klein sind und eher an Tante-Emma-Läden erinnern, dort, wo nur vereinzelt rote Holzhäuser stehen, und dort, wo sich der Mensch der Natur anpasst.

Das bedeutet in unserem Fall aber auch, hin und wieder Abstriche machen zu müssen. Wir sind immer häufiger mit geschlossenen Campingplätzen und Frisch- und Abwasserstationen konfrontiert – ein Nachteil beim Reisen im Winter. Aber die Norweger sind hilfsbereit, nach ein paar Anrufen findet sich immer eine Gelegenheit zum Duschen oder Wäsche-Waschen und um unser Wasser aufzufüllen. Wir erleben die Skandinavier als ruhig und zurückhaltend, aber wenn wir auf sie zugehen, sind sie immer hilfsbereit, interessiert und gastfreundlich.

Die meiste Zeit verbringen wir auf Senja rund um die Orte Ersfjord, Mefjordvær und Fjordgård. Hier gibt es viel zu entdecken, zum Beispiel den berühmten Berg Segla oder die auch als Devil’s Jaw bekannte Bergkette Okshornan.

Im Anschluss verbringen wir den Rest unserer Reise auf den Lofoten – besonders verliebt haben wir uns in die Inseln Vestvågøy, Flakstadøya und Moskenesøya. Tagsüber nutzen wir die wenigen Stunden mit Tageslicht für Wanderungen. Mehr als einmal geht es zur Kvalvika-Bucht und auf den Ryten. Die kleinen Fischerdörfer Å i Lofoten, Reine, Hamnøy, Ballstad und Henningsvær sind unsere liebsten Anlaufpunkte für kleine Entdeckungstouren. Natürlich durfte auch die Aussicht vom berühmten Reinebringen nicht fehlen. Insgesamt wandern wir dreimal auf den 440 Meter hohen Berg, bei dem Teile des Wanderwegs durch große Steinstufen ersetzt wurden. Auch wenn diese Wanderung wohl eine der populärsten auf den Lofoten ist, so ist die Aussicht von hier oben doch jedes Mal atemberaubend, vor allem da sich das Wetter in den Bergen schnell ändert und man dieses Spektakel in 440 Metern Höhe hautnah miterlebt.

Nachdem wir den gesamten November 2018 in Nordnorwegen verbracht haben, steht fest: Hierher müssen wir zurückkommen. Im Winter, am liebsten mit noch mehr Schnee und um die Nordlichter wiederzusehen. Aber wir wollen noch viel mehr von Skandinavien sehen, den Süden Norwegens zum Beispiel, und Finnland natürlich. Im Sommer 2019 starteten wir deswegen wieder gen Norden, um die Mitternachtssonne zu erleben. Mehr zu diesem Naturphänomen könnt ihr in diesem Beitrag lesen.


Winter, aber richtig!

Ein drittes Mal brechen wir im Januar 2020 nach Skandinavien auf, denn wir sind auf der Suche nach mehr Schnee, und wir wollen sie unbedingt wieder sehen, die Polarlichter. Es fühlt sich ein bisschen an wie eine Sucht, aber die aufregende Natur, gepaart mit den unvergesslichen Naturphänomenen, die sich über dem Polarkreis abspielen, sind unvergleichlich und wollen uns nicht aus dem Kopf gehen.

Dieses Mal führt unser Weg auch durch Teile Finnlands. Die Stadt Rovaniemi ist unser Dreh- und Angelpunkt für die Zeit in Finnland – hier kann man sogar den Weihnachtsmann in seinem eigenen Dorf besuchen. Tagsüber liegen die Temperaturen kontinuierlich unter -12° C und nachts um die -25 °C. Diese extremen Temperaturen machen nicht nur uns, sondern auch unserem Van zu schaffen. Daher beschließen wir bereits nach fünf Tagen, in Richtung Lofoten aufzubrechen, wo das Klima aufgrund der nördlichen Ausläufer des Golfstroms deutlich milder ausfällt. Hier finden wir dieses Mal eine weiße Schneedecke vor, genau so, wie wir es uns gewünscht hatten. Für ein paar der Wanderungen besorgen wir daher noch Grödel, die unsere Ausrüstung für die Lofoten im Winter komplettieren. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde die Zeit hier stillstehen. Wir kennen unsere Anlaufpunkte mittlerweile genau und brauchen gar nicht mehr auf eine Karte zu schauen, um an unsere Lieblingsorte zu kommen. 

Auch bei der dritten Reise an altbekannte Orte gibt es immer wieder Neues zu entdecken. Es ist vor allem faszinierend, zu beobachten, wie sich ein Ort zu verschiedenen Jahreszeiten verändert. Sonne, Regen, Hagel, Schnee und Eis und unterschiedlichste Temperaturen verändern nicht nur die Natur, sondern über dem Polarkreis auch das komplette Leben. Wenn im Sommer die Sonne nicht mehr untergeht und im Winter irgendwann gar nicht mehr über dem Horizont hervorkommt, dann passt sich der Mensch diesem Rhythmus an, und das zu erleben war für uns unvergesslich. Für uns steht fest, dass wir zurückkommen wollen, nach Schweden, Finnland und Norwegen, und irgendwann schaffen wir es dann bestimmt auch bis zum Nordkap.

Vanlife im Winter über dem Polarkreis mag eine kleine Herausforderung sein, doch es ist in jedem Fall ein riesiges Abenteuer. Wir können jedem empfehlen, es auszuprobieren, nicht nur wegen der Polarlichter, sondern auch weil sich das Reisen im Winter anfühlt wie in Watte gepackt, ganz leicht und irgendwie ruhiger, vielleicht ein bisschen langsamer. Statte deinen Campervan mit einer Standheizung, guter Isolierung und einem Lithium-Ionen-Akku aus, schmeiß die Daunenjacke, dicke Socken, lange Unterwäsche und Schneeketten ins Wohnmobil und trau dich. Du kannst dir sicher sein, die Skandinavier helfen dir gerne! ///


Julia und Nando im Interview

Wenn du die beiden Globetrotter noch etwas näher kennenlernen möchtest: In der ersten Folge unserer Interview-Reihe zum Thema Vanlife haben wir Julia und Nando in Wuppertal besucht.

Text: Julia Unkrig
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