Gestalterin: Janet Schlüßler

Janet Schlüßler macht Globetrotter jeden Tag ein bisschen schöner – als Gestalterin für visuelles Marketing in Dresden.
Manuel Arnu

Schaufenster sind auf den ersten Blick reine Werbeflächen. Zweidimensional und plakativ. Stumm rufen sie: »Schau mich an!« Dabei erlauben sie Einblicke, tief in die Seele eines Geschäfts. Schaufenster sind der erste Flirt mit dem Kunden und wie bei einer romantischen Annäherung zwischen Menschen entscheidet meist der erste Eindruck. Überwältigend oder langweilig? Das Urteil fällt oft innerhalb eines Wimpernschlags. Mal ist es Liebe auf den ersten Blick, mal eine Enttäuschung. Allerdings entwickelt ein Laden seine Persönlichkeit nicht von allein, für die Charakterbildung braucht es eine feste Hand. Und die muss ziemlich kräftig zupacken können.

Janet Schlüßler, 43 Jahre alt, ist Gestalterin für visuelles Marketing und mit ihrem Gespür für Ästhetik und Optik gewissermaßen für das Seelenheil der Dresdener Globetrotter Filiale verantwortlich. »Alle vier Wochen werden sonntags die Schaufenster mit neuer Ware umgeräumt«, erklärt Janet. »Das sind mindestens zehn Dekorationen pro Jahr, für sieben große Fenster.« Dann stehen Janet und ihr Team vor der Herausforderung, Kunden immer wieder neu zu überraschen und zu inspirieren und gleichzeitig die Ware optimal in Szene zu setzen. Bleibt die Auslage zu lange unverändert, reagieren Kunden abweisend. Doch zu viel los im Schaufenster darf auch nicht sein, denn Reizüberflutung ist genauso schlecht wie Langeweile. Deko soll neugierig machen, aber nicht von der Ware ablenken. Das ist oft ein Drahtseilakt und verlangt ein sicheres Gespür für Trends, Formen, Farben und Atmosphäre. 


Archiv Janet Schlüßler

Doch Janet macht nicht nur die Fenster hübsch. Früher hieß der Job Schaufensterdekorateur, heute ist er weit mehr als das. Allein die komplette Umgestaltung der Auslage verlangt eine präzise Organisation, sie muss am verkaufsfreien Sonntag reibungslos über die Bühne gehen. »Ich muss vorher die Motive aussuchen, Ware in den Dekobestand buchen und zusammentragen, den Personal- und Zeitbedarf planen, eventuell im Baumarkt Material einkaufen«, fasst Janet zusammen. Nach der Neugestaltung bereitet Janet alte Dekorationsware auf und führt sie zurück in den Verkauf. Deshalb beginnt ihre Arbeit in der Regel zwei Stunden vor Ladenöffnung. »Da habe ich meine Ruhe. Kann im Laden räumen, E-Mails beantworten, Ware suchen oder die neue Fensterplanung machen.« 

»Als Kind in der DDR bedeutete Wandern für mich ödes Geröll und Krüppelkiefern.« 

Strukturiertes Konzeptionieren bereitet Janet kein Kopfzerbrechen. Die Dresdenerin hat Landschaftsarchitektur studiert, zwei Jahre lang in dem Beruf gearbeitet – bis zur Babypause. Sie profitiert immer noch von ihrem Wissen: »Vor allem aus dem Grundstudium habe ich viel in meinen jetzigen Beruf mitgenommen.« Farbenlehre, Goldener Schnitt, Grafik, Formgebung, Planung, aber auch handwerkliches Geschick und räumliches Vorstellungsvermögen nutzt sie jetzt, um Outdoorbekleidung und –ausrüstung in einprägsamen Momenten, neuen Ausblicken und Perspektiven zu präsentieren. Und das geht eben weit über die Schaufenster hinaus. Janet betreut die gesamte Verkaufsfläche in der Dresdener Filiale. Vier Etagen, 6200 Quadratmeter Verkaufsfläche mit 35 000 Ausrüstungsideen! Dazu gehört, dem Kunden einen guten und logischen Überblick über einzelne Produkte, etwaige Ergänzungsware und das gesamte Sortiment zu verschaffen. »Ich ziehe Figuren um, beklebe Schilder, wechsle Rückwände, ordne Ware oder setze neue Produkte in den Fokus. Ich mache eigentlich alles außer verkaufen«, beschreibt Janet ihre tägliche Routine.

Zwischen Kuchen und Kostümen

Langeweile kommt in Janets Beruf selten auf, vielmehr ist ihr Einfallsreichtum gefragt. »In der Klamotte ist eine visuelle Gestaltung relativ einfach. Ich stelle Styles zusammen, farblich passend und trendgerecht«, sagt Janet. »Aber bei der Fülle an Rucksäcken, Isomatten, Kochern oder Kleinteilen wird’s schon schwieriger.« Kunden sollen neue Perspektiven von Produkten entdecken, ohne dass funktionale Zusammenhänge zerstört werden. »Ich kann Flaschen nicht einfach nach Farbe oder Größe ordnen, dann stünden Plastikflaschen neben Thermoskannen und Edelstahlflaschen.« 

Archiv Janet Schlüßler

Eine Lösung findet Janet immer. Kreativität und ein Sinn für Ästhetik sind tief in ihrer DNA verwurzelt. Janet war immer in ideenreichen, gestalterischen und handwerklich geprägten Berufen beschäftigt. Nach Landschaftsarchitektur und Babypause verschönerte Janet die Welt mit einer kleinen, aber feinen Geschenkewerkstatt. Sie schneiderte Kleider und Hüte nach Maß, gestaltete Fotoalben und Bücher. Allmählich steigerte sie ihren Einsatz, staffierte ganze Events mit ihrer Dekoration aus. »Ich habe Weihnachtsfeiern für 500 Personen verziert, Dekos für Hochzeiten hergestellt, Brautkleider genäht und die Einladungen gestaltet.« Daneben fertigte sie Maskottchen für Firmen und Sportvereine, illustrierte ein Kinderbuch und entwarf Schautafeln für den Bienert Wanderweg in Dresden Plauen. »Handwerklich kann ich fast alles«, lacht Janet. »Außer Metall – Schweißen und Löten sind nicht mein Ding.« Sie wagte sogar einen Abstecher in die Gastronomie: Mit einer befreundeten Konditorin und Floristin eröffnete sie ein Café im Dresdener Westen, französisch angehaucht mit schönen
Kuchen und gutem Eis. »Es war leider die falsche Lage, wir mussten nach ein paar Jahren schließen.«

Seit sechs Jahren arbeitet Janet nun bei Globetrotter, seit der Neueröffnung in der Prager Straße. Unterdessen war viel in Bewegung, auch im visuellen Marketing. »Früher hatten wir riesige Dekostrecken. Üppig und kleinteilig. Mit großen Objekten wie Bäumen oder Windmühlen und dazwischen jeder Menge Ware. So was wollen die Kunden heute gar nicht mehr sehen.« Die Laufgeschwindigkeit der Passanten in den Fußgängerzonen hat sich erhöht, obendrein ist jeder die meiste Zeit in sein Smartphone vertieft. Etwa zwei Sekunden nimmt sich ein Kunde Zeit, um ein Schaufenster zu betrachten. »Menschen werden durch die neuen Medien übersättigt und mit Farbwelten zugeballert, die bleiben nicht mehr so einfach vor dem Schaufenster stehen«, erklärt Janet. »Daher wandelt sich die Branche in clean, straight und ruhig.« Für Janet ein echtes Dilemma: »Wir haben so viele Produkte, müssen uns aber bei der Präsentation auf einige wenige konzentrieren.«

Das »Trauma« ist überwunden

Bei ihrer täglichen Arbeit hat Janet einen guten Überblick über die Fülle an Ausrüstung. Eine Produktwelt, die auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen ist: »Eigentlich ist Wandern mein großes Kindheitstrauma«, schmunzelt Janet. Als Kind der DDR gab es keine große Auswahl an Urlaubsländern. »Mein Vater wollte nie an die Ostsee, also blieb nur die Hohe Tatra übrig!« Janets einzige Erinnerungen an das osteuropäische Hochgebirge: »Endlose Wanderungen durch ödes Geröll und Krüppelkiefern.«

Archiv Janet Schlüßler

Doch die letzten sechs Jahre Globetrotter haben Janet geprägt, ihre Urlaube verbringt sie inzwischen am liebsten auf dem Fahrradsattel oder auf einsamen Wanderwegen. Ihre letzte Tour – empfohlen von einem Kollegen – führte sie mit Sohn, Mann und Hund zu Fuß durch Mittelnorwegen. Zwei Wochen Einsamkeit nur mit Zelt und Rucksack. »Auch daheim in Dresden habe ich diese kleinen Fluchten entdeckt«, gesteht Janet. Mal den Schlafsack schnappen, draußen am Elbufer oder im Zschoner Grund biwakieren oder Boofen in der Felswelt der Sächsischen Schweiz. Dabei scheint ihr kreativer Geist nicht zur Ruhe zu kommen, ganz im Gegenteil. Im Sommer 2015 wollte sie mit einer Freundin zu ihrer ersten größeren Gepäcktour in Schweden starten, befand aber ihr Zelt für zu schwer. Janet recherchierte im Internet, notierte Details, zeichnete und tüftelte, bis sie einen tragfähigen Plan für ein Leichtgewichtszelt hatte, das sich mit vier Wanderstöcken aufrichten ließ. Davon nähte sie ein Modell im Maßstab 1:10, das sie dann vergrößerte. Nach drei Wochen Planung und Arbeitszeit hielt sie stolz ein 1,1 Kilogramm leichtes Zelt mit winzigem Packmaß in ihren Händen. Janet lacht: »Wenn man in diesem Laden arbeitet, wird man halt so. Das Kollegium färbt ab!«