Berge Special

Wo steht der Alpinismus?

Wie wichtig sind Erstbesteigungen noch, lassen sich bergsteigerische Leistungen ewig steigern und warum geht man überhaupt in die Berge? Wir haben fünf führende KletterInnen und BergsteigerInnen aus dem deutschsprachigen Raum befragt.

Dani Arnold

Schneller Mann: Der Schweizer Bergführer ist die sechs großen Nordwände der Alpen solo und in Bestzeit geklettert. Hat aber auch in Patagonien, Pakistan und Alaska schwere Neutouren absolviert.

Raphaela Haug

Alpine Zukunft: Die Bergführerin-Anwärterin aus dem Allgäu hat harte Routen in Chamonix und Patagonien wiederholt und war mit dem Exped-Kader des DAV auf Expedition in Indien.

Stefan Glowacz

Elder Statesman: gehörte zu den Pionieren des Wettkampfkletterns, hat sich danach als Expeditionsbergsteiger immer wieder neu erfunden und prägt seit mehr als 35 Jahren die Kletterszene.

Caro North

Pionierin: Im allerersten Frauen-Exped-Kader groß geworden, kletterte die Bergführerin 2015 in der ersten weiblichen Seilschaft auf den Cerro Torre und segelte während dieses Interviews hart am Wind.

Martin Feistl

Hochmotiviert: Ob Eis, Fels oder Mixed – schwere Erstbegehungen und Wiederholungen in den Alpen gehören ins Repertoire des Wahl-Augsburgers und ehemaligen Exped-Kader-Mitglieds.

Berge Special

Wo steht der Alpinismus?

Wie wichtig sind Erstbesteigungen noch, lassen sich bergsteigerische Leistungen ewig steigern und warum geht man überhaupt in die Berge? Wir haben fünf führende KletterInnen und BergsteigerInnen aus dem deutschsprachigen Raum befragt.

Dani Arnold

Schneller Mann: Der Schweizer Bergführer ist die sechs großen Nordwände der Alpen solo und in Bestzeit geklettert. Hat aber auch in Patagonien, Pakistan und Alaska schwere Neutouren absolviert.

Raphaela Haug

Alpine Zukunft: Die Bergführerin-Anwärterin aus dem Allgäu hat harte Routen in Chamonix und Patagonien wiederholt und war mit dem Exped-Kader des DAV auf Expedition in Indien.

Stefan Glowacz

Elder Statesman: gehörte zu den Pionieren des Wettkampfkletterns, hat sich danach als Expeditionsbergsteiger immer wieder neu erfunden und prägt seit mehr als 35 Jahren die Kletterszene.

Caro North

Pionierin: Im allerersten Frauen-Exped-Kader groß geworden, kletterte die Bergführerin 2015 in der ersten weiblichen Seilschaft auf den Cerro Torre und segelte während dieses Interviews hart am Wind.

Martin Feistl

Hochmotiviert: Ob Eis, Fels oder Mixed – schwere Erstbegehungen und Wiederholungen in den Alpen gehören ins Repertoire des Wahl-Augsburgers und ehemaligen Exped-Kader-Mitglieds.

Fünf Top-Kletterer und Profi-Alpinisten mitten in der Hochsaison für ein Gespräch gemeinsam an einen Tisch zu bekommen, ist wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Die eine ist als Bergführerin unterwegs, der andere arbeitet an einer Erstbegehung und die Nächste ist auf dem Sprung zu einer Expedition. Aber das Smartphone steckt heutzutage auch am Berg in jedem Rucksack – warum also nicht ein Interview per WhatsApp?

Dienstag, 19.07.2022

Du hast die Gruppe „Interview Globetrotter“ erstellt

Raphaela Haug tritt der Gruppe bei.

Dani Arnold tritt der Gruppe bei.

Stefan Glowacz tritt der Gruppe bei.

Martin Feistl tritt der Gruppe bei.

Globetrotter Magazin

09:36 Uhr

Stefan Glowacz

Momentan beeindruckt mich wenig im Spitzenalpinismus. Ich vermisse die Kreativität der Protagonisten. Es werden zwar krasse und radikale Aktionen durchgeführt, aber nichts was dem Alpinismus neue Impulse gibt.

09:45 Uhr

Dani Arnold

21:34 Uhr

Mittwoch, 20.07.2022

Raphaela Haug

Hallo miteinander, schön euch e-kennenzulernen ☺️. Was würde euch denn im Alpinismus beeindrucken? Bzw. was würde dem Alpinismus neue Impulse geben? Und was ist Alpinismus für euch? So wie Dani schreibt: der Mix aus verschiedenen Disziplinen?

08:02 Uhr

Dani Arnold

08:20 Uhr

Martin Feistl

Ich definiere Alpinismus eigentlich exakt so wie Dani. Deswegen beeindrucken mich eigentlich alle Aktionen, die alle Disziplinen in einem modernen Stil zusammenbringen. Je größer dabei die intrinsische (Leidens-)Motivation ist, desto inspirierender finde ich es. »The Phantom Line« am Jugal Spire fällt mir dazu spontan ein. Dass es dem Alpinismus an Impulsen mangelt, empfinde ich nicht so. Im Gegenteil: Ich denke eher, dass manchmal eine Rückbesinnung zu alten, schon mal dagewesenen Impulsen zeitgemäß und zukunftsorientiert wäre. Aber ich finde schon auch, dass die ganz großen Dinger in den letzten Jahren seltener geworden sind, das liegt aber vielleicht hauptsächlich daran, dass viele der Leute, die diese ganz großen Dinger klettern konnten, verunglückt sind und keine ähnlichen Kaliber nachgekommen sind, oder aus den Gründen, die Dani genannt hat, auch nicht wollen.

20:44 Uhr

Donnerstag, 21.07.2022

Globetrotter Magazin

09:52 Uhr

Caro North ist über deine Einladung beigetreten.

Globetrotter Magazin

14:18 Uhr

Freitag, 22.07.2022

Caro North

Mich beeindrucken am meisten diejenigen, die den Alpinismus mit Leidenschaft betreiben und bei denen es nicht nur um Zahlen und Rekorde geht, sondern bei denen richtig das Feuer brennt, für das, was sie in den Bergen tun.

Zudem beeindrucken mich momentan vor allem Menschen, die bereit sind, sich den heutigen Herausforderungen anzupassen und neue klimafreundlichere Wege des Bergsteigens zu suchen. Oft bedeutet dies: mehr Zeit, Engagement, aber auch mehr Ungewissheit, um ans Ziel zu gelangen. Ich finde es beeindruckend, wenn sich AthletInnen dieser Herausforderung stellen. Nach wie vor beeindrucken mich AlpinistInnen, die an abgelegene Orte reisen, wo es wenig oder keine Infos und keine Rettung gibt und die somit das Abenteuer im Ungewissen annehmen. Und noch mehr diejenigen, die das Ganze ohne große Unterstützung machen.

Und damit bin ich dann wohl auch erstmal raus, da wir endlich ein Wetterfenster haben, um nach Grönland weiterzusegeln! Wenn alles gut läuft, bin ich die nächsten drei Wochen ohne Netz! Liebe Grüsse, Caro

00:39 Uhr

Globetrotter Magazin

09:55 Uhr

Montag, 25.07.2022

Dani Arnold

Sorry für die Verspätung 🙈. Bergsteigen ist einfach der beste Beruf / das beste Hobby! Es ist so wichtig, im Hier und Jetzt zu sein. Entscheidungen zu treffen, welche für mich/mein Team richtig sind. Egal was für andere richtig ist. Ich liebe diese Ehrlichkeit: Bist du zu schlecht, kommst du nicht hoch. Ich liebe diese Freiheit, alles tun zu können, aber dann auch 100% die Konsequenz dafür zu tragen. Mich interessieren vor allem Abenteuer, die ein großes Potential zum Scheitern haben. Und dann vor allem Abenteuer, welche mental anspruchsvoll sind.

17:17 Uhr

Mittwoch, 27.07.2022

Stefan Glowacz

06:54 Uhr

Freitag, 29.07.2022

Raphaela Haug

Sorry, dass ich mich jetzt erst melde. War die letzten Tage beim Führen und »glücklicherweise« ohne Netz 😉

08:42 Uhr

Globetrotter Magazin

08:42 Uhr

Raphaela Haug

Für mich sind Berge Freiheit. Freiheit, meine eigenen Entscheidungen zu treffen, meinen Körper zu spüren bzw. an meine eigene Grenze zu kommen. Gleichzeitig genieße ich die Ruhe am Berg, weit weg von anderen Menschen. Ein riesiger Spielplatz, der alles bietet und wo sich jeder auf seine eigene Art ausleben kann/darf. Es gibt Tage, an denen ich es liebe zu »pushen« und eher wenig von meiner Umgebung aufnehme – im Moment, im Flow. Und es gibt andere Tage, an denen ich die Natur, meine Umgebung mit jedem Atemzug genieße und eher gemütlicher unterwegs bin. So oder so zählt für mich am Ende des Tages das Erlebnis am Berg! ☺️

08:42 Uhr

Martin Feistl

13:55 Uhr

Montag, 01.08.2022

Globetrotter Magazin

Vielen Dank für eure Antworten! Wir starten mit Frage drei in die nächste Woche:

Wie wichtig sind für euch Erstbesteigungen? Oder kann die Wiederholung einer Linie euch auch erfüllen?

09:41 Uhr

Dienstag, 02.08.2022

Dani Arnold

11:52 Uhr

Montag, 08.08.2022

Martin Feistl

Tut mir leid, dass ihr warten musstet, aber jetzt von mir auch eine Antwort zu der wichtigen Frage: Ich denke, man muss unterscheiden zwischen Erstbesteigung und Erstbegehung. Für mich spielen Erstbegehungen eine sehr große Rolle, weil ich da das Gefühl habe, meine eigenen Linien zeichnen und hinterlassen zu können, und dabei alles, was ich bei Wiederholungen von bestehenden Routen gelernt habe, anwenden kann. Eine Erstbegehung hat für mich fast einen künstlerischen Wert.

Erstbesteigungen haben heutzutage einen wahrscheinlich noch größeren explorativen Charakter, sind aber im Alpenraum wohl nicht mehr möglich, da sind Erstbegehungen für mich eine wunderbare Möglichkeit auch ins Unbekannte einzusteigen, ohne um die Welt fliegen zu müssen. Ich denke, dass eine Wiederholung den Alpinismus im Allgemeinen nicht sonderlich viel weiterbringen kann, aber für die Entwicklung eines jeden einzelnen schon essentiell ist.

09:18 Uhr

Globetrotter Magazin

09:18 Uhr

Dienstag, 09.08.2022

Stefan Glowacz

Sorry, bin auch spät dran, bin gerade unterwegs mit Philipp Hans am Wetterhorn.

09:47 Uhr

Globetrotter Magazin

09:47 Uhr

Stefan Glowacz

Erstbegehungen vereinen aus meiner Sicht alle Aspekte des Klettersports. Eine Linie mit seiner Erstbegehung in die Wand zu zeichnen, ist Ausdruck von Kreativität. In unbekanntes Gelände hineinzuklettern erfordert Mut, Überzeugung und Willen. Immer wieder bei einem Cliffausbruch* aus der Wand zu fliegen, erfordert Leidensfähigkeit. Ich kann mich nur an wenige außergewöhnliche Wiederholungen von bestehende Routen erinnern, aber fast an jede einzelne Seillänge meiner Erstbegehungen. Die Entstehung einer Erstbegehung, von der ersten Inspiration bis zum Schlagen des letzten Abseilhakens, ist für mich ein sehr persönlicher, wenn nicht sogar egoistischer Prozess. Ich entscheide selber, in welchem Stil ich die Route klettern möchte. Mit oder ohne Bohrhaken, risikoreich oder genussvoll abgesichert. Da lasse ich mir auch von keinem etwas vorschreiben. Jeder Kletterer kann sich durch eine Erstbegehung ausdrücken, entscheidend ist nur, dass er ehrlich beschreibt, wie die Erstbegehung zustande kam. Ich freue mich natürlich, wenn Wiederholer in meinen Routen Spaß und Freude haben. Aber dies ist keine Motivation für den Aufbruch zu meiner ganz persönlichen Reise in eine unbekannte Welt.

09:47 Uhr

Globetrotter Magazin

09:47 Uhr

Mittwoch, 10.08.2022

Raphaela Haug

Da kann ich mich Martins Antwort anschließen! Leider bin ich noch nicht wirklich in den Genuss von Erstbegehungen gekommen, es gibt so viele gewaltige Linien in den Alpen, die ich noch gern klettern würde … und ich glaub nicht, dass ich es jemals schaffen werde, alle zu klettern. 😂😂 Daher interessieren mich im Moment Erstbegehungen nicht so sehr im Alpenraum, vielleicht bin ich da mehr der »Konsummensch« 🤷‍♀️. Natürlich kann man neue Linen erschließen, aber für die großen Touren sind wir einfach (leider) zu spät … Hingegen reizt es mich schon sehr, im Ausland auf Entdeckungstour zu gehen ☺️.

Kurzum: Ja, noch erfüllt das Wiederholen von Linien. Besonders Klassiker und deren Geschichten.

09:16 Uhr

Donnerstag, 11.08.2022

Globetrotter Magazin

11:28 Uhr

Donnerstag, 18.08.2022

Dani Arnold

11:11 Uhr

Freitag, 19.08.2022

Martin Feistl

07:53 Uhr

Stefan Glowacz

10:38 Uhr

Globetrotter Magazin

*Anmerkung der Redaktion* Ueli Steck stürzte 2017 am Nuptse in Nepal tödlich ab. David Lama, Hansjörg Auer und Jess Roskelley starben 2019 in einer Lawine beim Abstieg vom Howse Peak in Kanada.

10:38 Uhr

Raphaela Haug

11:39 Uhr

Montag, 22.08.2022

Globetrotter Magazin

Wie wichtig ist Geschwindigkeit als Leistungsmerkmal (vs Kletterschwierigkeit) und wie wird sich das noch entwickeln?

10:14 Uhr

Raphaela Haug

14:09 Uhr

Dani Arnold

Ich denke, dass sich jede Disziplin weiterentwickeln wird. Die Kombination wird und ist schon recht schwierig.

Für mich persönlich ist eine gute BergsteigerIn jemand, der schwierige, wilde Routen begeht, und nicht jemand, der einfach schnell eine »einfache« Route klettert. Wenn jedoch der Faktor Schwierigkeit und vor allem Free Solo oder so dazukommt, dann wird’s auch recht komplex und auch recht seriös. Das, finde ich, ist schon auch ein sehr cooler, kompromissloser und ernst zunehmenden Stil.

19:56 Uhr

Donnerstag, 25.08.2022

Stefan Glowacz

08:53 Uhr

Montag, 29.08.2022

Martin Feistl

13:34 Uhr

Globetrotter Magazin

13:52 Uhr

Stefan Glowacz

Ehrlich, einfach nur ehrlich mitteilen, wie die Begehung ablief.

16:42 Uhr

Donnerstag, 01.09.2022

Martin Feistl

10:32 Uhr

Globetrotter Magazin

*Anmerkung der Redaktion* Unter »Trad-Klettern« versteht man »traditionelles« Klettern ausschließlich mit mobilen Sicherungen wir Klemmkeilen oder Friends – und ohne Schlag- oder Bohrhaken. Mobile Sicherungen halten Stürze nicht immer ganz so zuverlässig wie ein solider Bohrhaken. Was Martin in UK so treibt:

10:32 Uhr

Samstag, 03.09.2022

Dani Arnold

06:45 Uhr

Raphaela Haug

Da kann ich mich Stefan, Martin und Dani nur anschließen. 👍🏻

09:25 Uhr

Dienstag, 06.09.2022

Globetrotter Magazin

12:48 Uhr

Freitag, 09.09.2022

Stefan Glowacz

Ich traue mir hier wirklich keine fundierte Aussage zu. Das ist eine Disziplin, mit der ich nie was zu tun hatte, abgesehen von Literatur. Aber aus meiner Sicht ist in diesem Bereich wahrscheinlich das Menschenmögliche erreicht worden. Jedes weitere Verschieben der Grenzen ist nur mit einer dramatischen Erhöhung des Risikos verbunden, welches ja eh schon extrem hoch angesiedelt ist im Spitzenalpinismus des Höhenbergsteigens.

11:52 Uhr

Dani Arnold

12:03 Uhr

Martin Feistl

18:25 Uhr

Samstag, 10.09.2022

Raphaela Haug

Ich hab mich noch nie wirklich mit dem 8000er-Bergsteigen auseinandergesetzt, würde es jetzt aber ähnlich sehen wie Martin und Dani. Potential gibt es sicher noch genug und der Zusatzfaktor Höhe setzt der Schwierigkeit noch eins drauf. Warum nicht mehr passiert? Für mich persönlich sind die Gründe von Martin sehr nachvollziehbar … wenn ich die Wahl und das Niveau hätte, würde ich vermutlich auch die Ruhe und den Frieden eines unbekannten 7000ers bevorzugen 🤷🤷

06:52 Uhr

Globetrotter Magazin

12:03 Uhr

Verfolge die Abenteuer unserer fünf Alpinisten auch auf Social Media:


INTERVIEW: Julian Rohn

FOTOS: Marcel Hartmann (Porträt S. Glowacz), Julian Bückers (Porträt R. Haug)