Vanlife in Deutschland

Einen günstigen Campervan zu finden ist im Moment genauso wahrscheinlich, wie eine bezahlbare Mietwohnung im Stadtzentrum von München oder Hamburg. Das Thema „Vanlife“ boomt – und so auch die Preise. Umso froher sind wir, trotzdem ein passendes Gefährt gefunden zu haben.

Wir, das sind Svenja und Peter vom Reiseblog Work Travel Balance . Seit einigen Jahren sind wir bereits mit dem Campervan unterwegs – allerdings in Nord- und Südamerika. Und so mussten wir uns bei der Rückkehr für unser Vanlife in Deutschland zunächst einmal nach einem neuen mobilen Zuhause umsehen. Wir hatten Glück: In der der ersten Corona-Welle 2020 haben wir einen VW Crafter gefunden. Die Lockdown-Zeit nutzten wir für den Umbau vom Krankentransporter zum gemütlichen Campervan.

„Brauche ich den Camper auch als Alltagsfahrzeug?“, „Will ich nur ab und zu mit dem Campervan verreisen oder vielleicht sogar dauerhaft darin wohnen?“, „In welcher Region will ich vorwiegend unterwegs sein?“

Das alles sind Fragen, die man sich sinnvollerweise vor dem Campervan-Kauf stellen sollte. Durch unsere vorherigen Erfahrungen aus Amerika wussten wir relativ genau, was uns bei unserem Campervan in Deutschland wichtig ist. Zum Beispiel eine gewisse Fahrzeuggröße und Stehhöhe, damit wir auch mal einen Regentag gut überstehen können.

Außerdem wollten wir einen dritten Sitzplatz, damit auch mal jemand mitfahren kann. Im Endeffekt haben wir nun sogar fünf Sitzplätze, drei vorne und zwei hinten. Im Wohnraum haben wir nämlich eine reguläre Sitzbank, die gleichzeitig auch als Essbereich fungiert. Ein weiterer Vorteil von Campervans in der Größenordnung des Crafters: Unser Wohnraum ist groß genug, dass das Bett immer Bett bleiben kann. Wir müssen nichts umbauen oder wegklappen, um zum Beispiel am Tisch essen zu können. Gleichzeitig ist der Crafter aber gerade noch klein genug, um in die meisten Parklücken reinzupassen.

Augen auf beim Camper-Kauf!

Wir haben bewusst nach ehemaligen Behördenfahrzeugen Ausschau gehalten. Denn für gewöhnlich wurden diese stets trocken geparkt und regelmäßig gewartet. Von Logistikfahrzeugen haben wir hingegen die Finger gelassen – dauerhaftes Stop and Go ist nicht gerade eine lebensverlängernde Maßnahme für Motor und Co. Hinzu kommt, dass jeder Fahrzeugtyp seine ganz modelleigenen Problemchen hat. Dem Crafter sagt man beispielsweise nach, schnell zu rosten. Andere Modelle haben andere typische Wehwehchen – da muss man sich individuell informieren und abwiegen. Und wie überall im Leben gehört auch beim Gebrauchtwagenkauf letztlich immer ein Quäntchen Glück dazu. Bisher können wir uns – von ein paar rostigen Stellen abgesehen – jedoch wirklich nicht beklagen.

»Wie überall im Leben gehört auch beim Gebrauchtwagenkauf immer ein Quäntchen Glück dazu.«

Kleinere Updates und Nachrüstungen gibt es natürlich ständig. Generell sind wir aber rundum happy und hätten auch im Nachhinein nichts grundlegend anders gemacht. Besonders stolz sind wir auf unsere Solaranlage auf dem Dach. Halbwegs gutes Wetter reicht schon, um zwei Laptops parallel zu betreiben. Da unser Camper auch mit WLAN ausgestattet ist, können wir so von fast überall unterwegs arbeiten. Somit ist das Leben im Campervan für uns nicht automatisch auf die Urlaubszeit beschränkt.

Eine mobile Toilette und Outdoor-Dusche ermöglichen uns, oft frei – also außerhalb von Campingplätzen – zu stehen. Unsere größte Herausforderung ist allerdings Wasser. Drei 25-Liter-Kanister haben wir an Bord. Da wir die allerdings zum Trinken, Duschen, Kochen und Abspülen nutzen, sind sie beim Wildcamping auch immer ruckzuck aufgebraucht. Aus Nordamerika waren wir es gewohnt, überall problemlos an Frischwasser zu kommen. In Deutschland ist das unserer Erfahrung nach deutlich komplizierter. Vielleicht überlegen wir uns da nochmal etwas um noch unabhängiger zu werden.

»Wir campen nicht, wir übernachten nur.«

In Nord- und Südamerika konnten wir in vielen Regionen problemlos wildcampen. In unserem reglementierten Heimatland hatten wir diesbezüglich nicht allzu viele Hoffnungen – und wurden positiv überrascht. Tatsächlich gibt es zwar erwartungsgemäß viele Regeln in Deutschland, aber die spielen uns oft sogar in die Karten. So wird rein rechtlich zwischen campen und übernachten unterschieden. Eine einmalige Übernachtung zur Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit ist in der Regel erlaubt. Einige Gemeinden bieten sogar offiziell kostenlose Stellplätze für Wohnmobile und Campervans an. So ist es zwar fast überall möglich, günstig zu übernachten – aber ehrlicherweise steht man auf legalem Wege eher selten in wunderschöner Küstenkulisse oder Bergseepanorama, wie man es von Instagram und Co. kennt. Dafür ist Europa wohl einfach zu dicht besiedelt und die meiste Fläche eben privatisiert oder Schutzgebiet ist. So oder so: Man sollte beim Wildcampen auf jeden Fall immer darauf achten, weder Mensch, noch Natur zu stören und sich umsichtig verhalten. Im Idealfall verlässt man den Platz sauberer, als man ihn vorgefunden hat.

Gesucht und gefunden: Tausche Komfort gegen Freiheit

Aber was reizt uns überhaupt am Vanlife? Ganz einfach: Für uns ist es die unabhängigste Art zu reisen. Wir müssen vorab keine Reiseroute planen oder rechtzeitig Hostels reservieren. Wir sind nicht abhängig von überklimatisierten Reisebussen oder verspäteten Fliegern. Wir bleiben, wo es uns gefällt, so lange, wie es uns gefällt. Und haben alles, was wir brauchen, stets dabei. Und wenn wir unterwegs müde oder hungrig werden, fahren wir einfach rechts ran.

Die ganz großen Abenteuer sind mit unserem neuen Crafter bisher natürlich ausgeblieben – Corona lässt grüßen. Aber dennoch hatten wir genug Gelegenheit, unser Heimatland ausgiebig von Ostsee bis Zugspitze zu erkunden. Und immer dort zu wohnen, wo es uns gerade gefällt. Während des Corona-Sommers 2020 waren Vanlife und Campervan-Reisen aus unserer Sicht das Beste, was man machen konnte. Fernreisen waren sowieso raus und mit dem Campervan war Reisen vergleichsweise kostengünstig, denn schließlich haben sich alle anderen Reiselustigen auf sämtliche Ferienwohnungen und Hotels in Deutschland gestürzt.

Vanlife – ein Lebensstil für jedermann?

Beim Vanlife tauscht man Wohnkomfort gegen Freiheit, Unabhängigkeit und Flexibilität: Wer im Campervan lebt, verzichtet auf einiges  – zum Beispiel Platz wie in einer Wohnung, einfach jederzeit warm duschen zu können, Privatsphäre etc. Das alles tauscht man gegen Freiheit und Unabhängigkeit ein. Die Freiheit jederzeit woanders leben zu können und die Welt zu erkunden. Für uns geht diese Rechnung meist auf. Doch so beliebt das Thema Vanlife aktuell ist – für jeden ist der Lebensstil nicht ideal. Denn dauerhaftes Vanlife macht nur Sinn und Freude, wenn man unabhängig und ortsungebunden ist. Wer wegen der Arbeit ständig in einer bestimmten Stadt leben muss, der kann die Freiheit des Vanlifes kaum ausnutzen. Auch in diesem Fall raten wir natürlich nicht komplett vom Campervan ab. Stattdessen würden wir allerdings empfehlen, den Campervan unter diesen Lebensumständen eher für Freizeit und Urlaub zu nutzen, anstatt komplett aufs Leben im Van umzusteigen. Denn sonst verzichtet man möglicherweise auf Komfort und Freiheit zugleich. Kein guter Deal.

»Privatsphäre ade!«

Privatsphäre… was war das nochmal? Vanlife findet nicht nur im Van statt, sondern vor allem auch rundherum. Bei uns steht fast immer die Tür offen oder wir machen es uns draußen auf unserer ständig wechselnden Terrasse gemütlich. Neugierige Blicke von Passanten bleiben da nicht aus. Manchmal nervig, oft aber auch total schön, wenn man mit den Leuten ins Gespräch kommt. Man muss sich einfach nur darauf einstellen, dass die „Nachbarn“ beim Vanlife deutlich mehr mitbekommen als beim Leben in einer Wohnung mit Türen und Wänden. Und auch mit möglichen Van-Mitbewohnern/Partnern muss man sich auf kleinstem Raum arrangieren. Da sollte man sich schon echt gut verstehen. Bei uns klappt es überraschend gut – Ausnahmen bestätigen die Regel.

Früher oder später kommt sie immer: Die Frage nach den Kosten. Und natürlich ist das ein wichtiges Thema, wenn man mit dem Gedanken spielt, ins Vanlife einzusteigen. Unsere Erfahrung: Als (dauerhafter) Vanlifer spart man Miete und viele andere Lebenshaltungskosten, denn im Campervan lebt man automatisch minimalistischer und bewusster. Wasser ist eben eine knappe Ressource. Und auch beim Strom muss man hausgehalten, wenn die Sonne nicht scheint und der Batteriespeicher sich langsam, aber sicher leert. Dennoch ist nicht zu vergessen, dass ein Campervan nicht nur in der Anschaffung Geld kostet, sondern auch Versicherung, TÜV, Kfz-Steuer, Reparaturen und vor allem Sprit gezahlt werden wollen. Im Campervan zu leben ist unserer Erfahrung nach dennoch deutlich günstiger als ein konventioneller Lebensstil. Aber eben auch nicht kostenlos.

Wer nur zweimal im Jahr mit dem Campervan in den Urlaub fahren möchte, für den könnte es sinnvoller sein, sich dann einfach einen Camper zu mieten. Generell würden wir Anfängern dazu raten, so erstmal risikoarm zu testen, ob einem das Leben auf vier Rädern überhaupt zusagt.

Vanlife im Winter – realistisch?

„Und was macht ihr im Winter?“ – die nächste typische Frage. Die Antwort haben wir an einem Wochenende Anfang Dezember herausgefunden:

Ein T-Shirt, ein Kapuzenpulli und vorsichtshalber noch eine Wollstrickjacke. Ein Paar Strümpfe, darüber Wollsocken. Eine Leggings, darüber eine Jogginghose. Dann noch ein Schal. Daunenbettdecke, Alpakawolldecke, zur Sicherheit noch eine Fleece-Decke darüber. Fertig. Das war der Start in unser erstes Winter-Camping in Deutschland. Gefroren haben wir letztlich nicht. Selbst die Standheizung haben wir nicht gebraucht – dank zentimeterdicker Schichten aus Decken und Kleidung sowie einer ebenso dicken Camper-Isolierung aus Armaflex.

»Gemütlich für ein Wochenende in den Bergen oder am Meer. Aber den ganzen Winter lang?«

Drinnen ist es eng, draußen kalt. Die Solaranlage gibt an dunklen Wintertagen nicht mehr zuverlässig genug Energie für das Betreiben zweier Laptops im Van-Office. Draußen mit eiskaltem Wasser zu duschen stärkt zwar die Abwehrkräfte, aber dennoch macht Vanlife im Winter dauerhaft keinen Spaß. Vanlife macht Spaß, wenn man seine Umgebung, das Draußen, mit einbeziehen kann. Frühstück im sich ständig wechselnden Vorgarten oder bei offener Tür. Doch genau die wollen wir im Winter so selten wie möglich öffnen, um bloß keine Wärme zu verlieren. Viele andere Vanlifer flüchten im Winter in wärmere Gefilde, doch in diesem Jahr war das dank Corona für uns keine Option. Dauerhafte Winter-Vanlifer werden wir – zumindest in Deutschland – wohl nicht mehr. Zu kalt, zu umständlich und vor allem zu nass. So schön gelegentliche Ausflüge und Kurztrips mit dem Campervan auch in der kalten Jahreszeit sind, so sind wir letztlich doch eindeutig Warmwetter-Camper.

Daher freuen wir uns schon jetzt wieder tierisch auf die ersten warmen Tage. Wenn wir mit den warmen Sonnenstrahlen wieder in unseren Crafter zurückziehen werden. Bis dahin träumen wir von den vielen tollen Orten, an denen wir bereits mit unserem Campervan wohnen durften.

Svenja und Peter im Interview

Wenn du die beiden Globetrotter noch etwas näher kennenlernen möchtest: In der dritten Folge unserer Interview-Reihe zum Thema Vanlife haben wir Svenja und Peter in der Nähe von München besucht.

Text: Svenja und Peter vom Reiseblog Work Travel Balance
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