Sumbawa: Roadtrip mit Roller

Vanessa Blankenagel
Die Suche nach Surfspots fernab des Massen­tourismus lockte Fiona Stappmanns nach Sumbawa in Indonesien. Für die Anreise ab Bali wählten sie und ihre Freunde das lokale Fortbewegungsmittel Nummer eins.

Etwas ratlos stehe ich nach 20 Stunden im Flieger vor meinem Roller. Das ist also mein Begleiter für die nächsten drei Wochen? Zu Hause fahre ich nur Auto oder Fahrrad. Hier ersetzt der Roller den Lasten­transporter, Familienvan oder Food Truck. Wir sehen gewagte, garantiert nicht TÜV-zertifizierte Aufbauten, etwa eine mobile Suppen­küche oder fünfköpfige Familien auf nur einem Scooter. Mit ihm wird alles transportiert, von meterlangen Bambusstangen bis lebendigen Hühnern. Warum also nicht auch fünf Surfer aus Deutschland. »Da gibt man Gas, so bremst man«, erklärt mir der freundliche Balinese, der uns die Roller vermietet. Alles klar, dann kann es ja losgehen, oder?

Linksverkehr mit Surfbrett

Der Verkehr ist ein unüberschaubares Chaos aus Rollern, Autos, Lastwagen, überall wird lautstark gehupt, rechts und links überholt. »Wird schon schiefgehen«, denke ich, während wir uns in den ungewohnten Linksverkehr einfädeln – das Gepäck im Rucksack, das Surfbrett an der Seite befestigt. Über 1000 Kilometer werden wir während der Reis­e zurücklegen, quer durch Bali, Lombok und Sumbawa, über Teerstraßen mit und ohne Schlaglöcher, auf unbefestigten Feld­wegen und staubigen Sandpisten. Durch Regen­wald, auf Küstenstraßen, durch glühende Hitze und plötzliche Wolkengüsse. Vorbei an Menschen, die am Straßenrand winken, Kinde­­r rufen uns »Freund« und »Mister, Mister« zu. Gläubige strömen im traditionellen Gewand und mit bunten Gebets­teppichen auf dem Rücken vom Freitagsgebet auf die Straß­e.

Eine Fülle aus Sinneseindrücken, zu vielfältig, um sie alle zu erfassen. Der würzige Rauch der allgegenwärtigen Feuer und Räucher­stäbchen mischt sich mit dem Staub der Straße. Lastwagen mit fragwürdiger Verkehrstüchtigkeit stoßen schwarze Rußwolken aus, sind bedenklich hoch beladen mit Kokosnüssen, Zwiebeln oder Fisch, Arbeiter fahren entspannt auf dem Dach mit. Sie zu überholen ist oft waghalsig auf den engen Straßen. Ab und an beschließt eins der unzähligen Hühner, die Straße kurz vor dem Roller panisch zu überqueren. Ständige Aufmerksamkeit ist gefragt. Nach kurzer Zeit sind wir schwarz von Kopf bis Fuß, der Rücke­­n beginnt nach ein paar Stunden zu schmerzen. Es ist anstrengend, aber definitiv ein Erlebnis. Im gleißenden Licht gleiten grün­e Reisfelder, Palmenwälder und bunte Dörfe­­r mit wunderbar fehl am Platz wirkenden Moscheen im arabischen Baustil vorbei. In der Ferne blitzt ab und an azurblau das Meer, Vulkane ragen aus den Wolken.

15 Stunden Anreise

Für den Seeweg zwischen den Inseln nehmen wir Fähren. Rostig schauen sie aus, bei schwerer See oder Wind fahren sie nicht, halten sich auch nicht an einen Fahrplan, sondern legen einfach dann ab, wenn eine andere ankommt. Dafür kostet es umgerechnet nur ein paar Euro. Meist sind wir die einzigen Touristen und werden von neugierigen Indonesiern in Gespräche verwickelt. Die Digitalisierung hat auch hier keinen Halt gemacht und so darf das obligatorische Selfie mit den seltsamen Reisenden aus Europa nicht fehlen. Wir hängen unsere Hänge­matten, die das teils heftig­­e Schaukeln immerhin ein bisschen ausgleichen, an ein Sonnendach, und üben uns in Geduld.

»Uns hat die Ausssicht auf Abenteuer, leere Wellen und das echte, ungeschminkte Indonesien hergelockt.«

Nach insgesamt 15 Stunden erreichen wir unser Ziel in Sumbawa. Die Insel ist ein krasse­­r Gegensatz zu den Menschenmassen und dem Treiben auf Bali. Uns hat die Aussicht auf Abenteuer fernab des Massentourismus, leere Wellen und das Erleben des echten, ungeschminkten Indonesiens hergelockt. Die Landschaft ist vom Vulkan­ismus geprägt und während des Surfens bleibt der Blick ab und an kurz an den aus den Wolken ragenden, beeindruckenden Gipfeln hängen. Traumhafte Lagunen mit kristall­klarem, türkisblauem Wasser sind eingerahmt von Mangrovenwäldern, in denen sich Affenbanden tummeln. Beim Surfen schauen wir durchs Wasser auf ein intaktes, jedoch messerscharfes Korallenriff herunter, in dem sich bunt schillernde Fische tummeln. Ein paar Schnitte davon bleiben als Erinnerung auf der Haut. Am Strand finde ich farbenfrohe und exotische Muscheln. Jetzt zur Trockenzeit überzieht alles eine feine Schicht aus rotem Staub, den wir aufwirbeln, wenn wir mit unseren Rollern über die Sandpisten zu den Surfspots fahren.

Bier unter der Ladentheke

Die Menschen im kleinen Küstendorf leben größtenteils von der Bewirtschaftung der Algen­felder in der Lagune. Die bunten Häuser stehen auf Stelzen, davor trocknen die geernteten Algen, überall sind frei laufende Ziegen, Hühner und Hunde. Es gibt drei Res­taurants und einen kleinen Laden, bei dem wir sogar unter der Ladentheke unser Feierabendbier auf der sonst sehr islamisch geprägten Insel erstehen können. Touristen gehören hier noch nicht zum alltäglichen Straßenbild, und gerade die Kinder winken uns begeistert zu, wenn wir vorbeifahren. Wir ziehen in einen einfachen, aber liebevoll eingerichteten Bungalow bei einem französischen Aussteiger. Hier können wir unsere Hängematten zwischen die Palmen im hübsch angelegten Garten hängen, und auch sonst schaltet das Leben ein paar Gänge zurück. Mit den Rollern die Wellen checken, Surfen, ein Nickerchen machen. Die nächstgrößere Stadt ist eine halbe Stunde entfernt, hier testen wir ausgiebig die lokalen kulinarischen Köstlichkeiten. Es gibt alle Variationen von Reis mit Gemüse, knuspriges Tempeh, süße Sesambällchen, und feurig scharfes Sambal sorgt für spontane Schweißausbrüche.

Neben allen wunderbaren Erlebnissen gibt es natürlich auch Schattenseiten. Die Menschen leben, gerade in den vom Erdbeben betroffenen Gebieten auf Lombok, in einfachsten Verhältnissen. Die Strände sind teilweise erschreckend mit Plastikmüll übersät und ein wirkliches Bewusstsein dafür fehlt den Menschen hier. Demgegenüber steht jedoch die unglaubliche Herzlichkeit, mit der man uns überall begegnet. Die Freude, wenn wir in lokalen Restaurants essen oder durch die Straßen fahren. Indonesien mit dem Roller das ist zweifellos keine entspannte Art zu reise­­n, aber definitiv ein wunderbares Abenteuer abseits der ausgetretenen Pfade.

FIONA STAPPMANNS

Alter: 32 // Heimat: St. Gallen // Ausbildung: Betriebswirtin // Beruf: Doktoranntin, freischaffende Fotografin // Web: www.mountainsandtheocean.com // Instagram: @mountainsandtheocean

Fiona schreibt ihre Doktorarbeit über Nachhaltigkeit in der Outdoorindustrie und arbeitet als Fotografin. Dass man da des Öfteren für Feldstudien in die Natur muss, versteht sich von selbst, egal ob zum Mountain­biken, Wandern, Bergsteigen, Splitboarden oder ans Meer zum Surfen. Dabei stets im Gepäck: Schweizer Schoggi und ihre Kamera. Außerdem schreibt sie regelmäßig Storys für Online und Print. Vom Wandern vor der Haustür bis hin zu Surftrips in Mittelamerika, im Mittelpunkt stehen bei den Geschichten stets das Erleben, Fühlen und Entdecken.


Eine von 50: In der Sonderausgabe »50 Menschen, 50 Abenteuer« zeigen wir Menschen und ihre ganz persönlichen Geschichten – von skurillen Episoden über kleine und große Expeditionen bis hin zu ganzen Lebensgeschichten.

Outdoorfrauen

Text: Fiona Stappmanns
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