Altes nutzen statt alles neu – der Bonner Re:Think Store

Re:Think Store Bonn Headerbild

Mit unserem Re:Think Store wollten wir nicht nur einen kreativen und einzigartigen Laden gestalten. Wir wollten auch ein einzigartiges Abenteuer wagen und neue Wege gehen. Deshalb haben wir beim Innenausbau des Stores alles anders gemacht und nahezu das gesamte Inventar unseres Vormieters Conrad Electronic weitergenutzt – ob Bügeleisen- oder Staubsauger-Halterung, Teppichboden, OSB-Platte oder Metallkorb.

Re:Think Store Bonn Tresen



Doch wir wollten noch mehr: Wir wollten ganz genau wissen, wie viel CO2e und wie viel Material durch die Weiternutzung des alten Inventars tatsächlich eingespart werden konnte. Deshalb haben wir das Projekt wissenschaftlich von DEN Experten in puncto Kreislaufwirtschaft, EPEA – Part of Drees & Sommer, begleiten lassen.

Die Ergebnisse können sich sehen lassen, denn wir konnten rund 97 Prozent CO2-Einsparung gegenüber einem „normalen“ Store erzielen.

Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick:

  • Der CO2-Fußabdruck einer vollständigen neuen Laden-Ausstattung bei einem vergleichbaren Projekt wurde von EPEA mit 105,23 Tsd. kg CO2 beziffert.
  • Durch das Re-Use Konzept konnten wir 102,23 Tsd. kg CO2e vermeiden.
  • Die verursachten CO2-Emissionen von 3,12 Tsd. kg CO2e gehen vor allem auf Stromschienen und Leuchtmittel, Regalwände und Wandfarben (Neuware) zurück.
  • Durch das Re-Use Konzept konnten rund 97% CO2-Emissionen vermieden werden.
  • Vermiedene gesellschaftliche Folgekosten: = 84.322 €*
  • Rund 94% der im Store verwendeten Materialien sind re-used.
  • Rund 88% der Materialien werden auch in Zukunft wiederverwendet werden können.

* Die Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Produkten verursacht Umweltbelastungen, die wiederum zu hohen Kosten für die Gesellschaft führen, etwa durch umweltbedingte Gesundheits- und Materialschäden. Diese wurden entsprechend dem Methodenvorschlag des Umweltbundesamtes errechnet. Quelle: Gesellschaftliche Kosten von Umweltbelastungen | Umweltbundesamt

Weitere Ergebnisse im Detail stellen wir euch hier vor.

Warum ist Re-Use so wichtig?

Alte Regale, Teppiche und Co. raus, neue Einrichtung rein – und das, obwohl viele Materialien noch gut sind: So oder so ähnlich läuft es normalerweise, wenn ein Geschäft aus einem Ladenlokal aus- und ein neuer Mieter einzieht. Wir haben uns gefragt: Muss das sein?

Bild Andreas Bartmann

„Schon bei der ersten Besichtigung des Objektes trieb mich der Gedanke, der Retail und der Ladenbau müssen sich ändern. Wir müssen uns ändern. Alles raus und neu, das kann künftig nicht mehr der richtige Ansatz sein.“

Andreas Bartmann, Geschäftsführer Globetrotter

Warum kann „alles raus“ nicht mehr der richtige Ansatz sein?

Mit unserer Arbeit möchten wir für das Draußensein begeistern und dazu beitragen, unsere Natur zu erhalten und den Klimawandel einzudämmen. Eine Stellschraube auf diesem Weg: Die Nachhaltigkeit unserer Filialen. Eine Lösung stellt für uns der Re-Think Ansatz dar. Durch die konsequente Wiederverwendung von Materialien musste nahezu nichts neu produziert werden. Es entstehen kaum zusätzliche Treibhausgas-Emissionen.”

Fabian Nendza, CSR-Manager

Bild Fabian Nendza

Außerdem werden alle Globetrotter Stores bereits seit 2007 mit Ökostrom versorgt und die Energieeffizienz der Filialen stetig optimiert.

Einen ersten Schritt in Richtung nachhaltigeren Ladenbau ist Globetrotter bereits 2019 gegangen: Mit Unterstützung von EPEA wurde damals die Interior Design Guideline, also der interne Leitfaden für die Ladeneinrichtung der Globetrotter Stores, überarbeitet und um Cradle-to-Cradle-Kriterien ergänzt. Mit dem Bonner Re:Think Store haben wir nun ein wichtiges Zeichen für mehr Zirkularität im Ladenbau gesetzt.

Warum es so wichtig ist, bereits vorhandenes Material weiter zu verwenden, zeigt das Beispiel Stahl:

Die weltweite Herstellung von Stahl trägt rund sieben bis neun Prozent zum Klimawandel bei. Das liegt daran, dass Herstellung von Stahl sehr energieaufwendig und komplex ist.

Um das zu verstehen, muss man sich zunächst einmal ansehen, wie dieses Material eigentlich hergestellt wird: Stahl ist ein verschmolzenes Gemisch von Roheisen und Kohlenstoffatomen. Um den Hauptbestandteil Roheisen zu gewinnen, muss zunächst einmal Eisenoxid aus Eisenerz abgebaut werden. Dem Eisenoxid wird in einem weiteren, aufwendigen und energieintensiven Schritt unter Anwendung von Koks der Sauerstoff entzogen. Durch diesen Prozess wird flüssiges Roheisen gewonnen, das jedoch noch das Abfallprodukt Schlacke enthält. Außerdem ist in dem flüssigen Roheisen noch zu viel Kohlenstoff enthalten, das ebenfalls noch entfernt werden muss. Bei der weiteren Verarbeitung tritt der Kohlenstoff, gebunden als CO2, aus dem Material aus. Der so entstandene Stahl kann nun zu verschiedenen Produkten, wie z.B. Stahlblechen, weiterverarbeitet werden.

Das Global Warming Potential von Stahl beträgt rund 2,76 t CO2 pro Kilogramm Stahl. Zwar gibt es mittlerweile Ansätze, die Herstellung von Stahl weniger CO2-intensiv zu gestalten – besser wäre es jedoch, zunächst einmal bereits vorhandene Ressourcen wiederzuverwenden.

In unserem Re:Think-Store haben wir insgesamt 14.534 kg Stahl wiederverwendet – unter anderem in Form der zahlreichen Metallregale und -körbe des ehemaligen Elektronikmarktes. Dadurch konnten 40.114 kg CO2 vermieden werden.

Circularity Passport Interiors

Als Pionierprojekt der Kreislaufwirtschaft im Retail war der Bonner Re:Think Store Impulsgeber für den neu von EPEA entwickelten „Circularity Passport Interiors“, kurz CPI. Der CPI ist ein Instrument, um die Umsetzung des Cradle-to-Cradle-Designprinzips im Bereich der Innenraumgestaltung zu bewerten. Bei „Cradle to Cradle“, kurz C2C®, geht es im Kern um nichts weniger, als Rohstoffe für Produkte, Prozesse und Gebäude in der Art und Weise einzusetzen, dass sie entweder in einem technischen Kreislauf in gleicher Qualität erhalten bleiben oder aber komplett abbaubar in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden können. 

„Der Circularity Passport Interiors beschreibt für Innenräume, welche Produkte und Materialien genau eingesetzt werden und wie groß ihr ökologischer Fußabdruck ist. Damit lassen sich künftig verschiedene Innenraumgestaltungsansätze hinsichtlich ihres ökologischen Fußabdrucks vergleichen und optimieren. Unser Materialausweis ist sowohl ein Planungs- als auch Dokumentationsinstrument, das dazu beiträgt, Ressourcen zu sparen, Abfall zu vermeiden und den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Markus Diem, Geschäftsführer von EPEA – Part of Drees & Sommer

Bild Markus Diem
Circularity Passport Interiors



Vorbild für den neuen Circularity Passport Interiors ist der “Circularity Passport Buildings”. Dabei handelt es sich um einen digitalen Gebäuderessourcenpass, der volle Transparenz schafft bezüglich der ökologischen Eigenschaften der verwendeten Materialien. Mit diesem Pass sind alle notwendigen Informationen über die verwendeten Baumaterialien auch für zukünftige Generationen verfügbar. Dadurch ist es möglich, die Weiterverwendung und Kreislaufführung von Materialien zu steuern und auch die zukünftige Demontage und Wiederverwendung zu planen. Zusätzlich lassen sich damit auch in Zukunft wertvolle Rohstoffe weiterverkaufen, da sie in ihren Eigenschaften bekannt und dokumentiert sind. So bekommt das sonst „anonyme“ Material eine Identität und somit auch einen Wert.

Die Ergebnisse im Detail

Diese Aspekte wurden von EPEA untersucht:

Materialherkunft:

Bei diesem Kriterium wurde in einem massenbilanziellen Materialvergleich untersucht, aus welchen Quellen die verwendeten Materialien stammen. Diese wurden in die folgenden Kategorien eingeordnet: „Wiederverwendet“, „Rezykliert“ (also aus Recycling stammendes Material) sowie „Primärmaterial“ (also neu hergestelltes Material). Letztere Kategorie wurde weiter unterteilt in „erneuerbar” (nachhaltig) und „nicht erneuerbar” (nicht nachhaltig).

Das Ergebnis: 93,91% der Materialien wurden wiederverwendet – vor allem aus dem Inventar und Material des Vormieters Conrad Electronic, ergänzt durch weitere gebrauchte Möbel und Materialien aus dem Globetrotter Lager. Die verbleibenden 6,09% Primärmaterials gingen vorrangig auf den Einsatz neuer Stromschienen und Leuchtmittel, Regalwände und Wandfarben zurück. Um auch hier weiteres Primär-Material einzusparen, wurde gemeinsam mit dem Partner Vedder.Licht ein Pilotprojekt gestartet, bei dem rund 40% weniger Leuchtmittel als üblich zum Einsatz kamen. Mit weniger als 10 Watt pro Quadratmeter wurde eine hochwertige und ansprechende Beleuchtung für die Waren geschaffen.

Grafik Bonn Reused

Materialgesundheit:

Im Rahmen der Untersuchung der Materialgesundheit wurden die Auswirkungen der verwendeten Materialien auf die Innenraumluftqualität, die Sicherheit bei Hautkontakt und die Sicherheit bei Abrieb untersucht – sowohl in der Nutzungsphase als auch bei der weiteren Verarbeitung der Materialien. Der Indikator für die Materialgesundheit der verwendeten Materialien während der Nutzungsphase liegt bei 91,85%. Dieser sehr gute Wert hängt eng mit der hohen Re-Use-Quote der verwendeten Materialien zusammen, etwa, weil bei diesen Materialien keine weiteren Ausdünstungen des Materials zu erwarten sind. In Bezug auf die weitere Verarbeitung des Materials wurde ein Wert von 73,54% in puncto Materialgesundheit erreicht.

Materialverwertung:

Bei diesem Kriterium wurde in einem massenbilanziellen Materialvergleich untersucht, welche branchenüblichen Verwertungswege es für die verwendeten Materialien gibt – nämlich Recycling, biologische Verwertung, thermische Verwertung (also Müllverbrennung) oder Deponierung. Die Untersuchung ergab, dass 83,79% der Materialien recyclebar sind. Allerdings ist zu beachten, dass die Bewertung Materialverwertung keinerlei Aussagen über die Re-Use-Potenziale der verwendeten Materialien zulässt. Stattdessen zeigen die Ergebnisse, dass bei der Auswahl Wert auf recyclingfähige Werkstoffe gelegt wurde. Zudem zeigen die Ergebnisse die Notwendigkeit der Wiederverwendung von nicht recyclingfähigen Materialien auf.

Potenzial der Wiederverwendung:

Bei dieser Betrachtung wurde ermittelt, wie hoch der Anteil derjenigen Materialien ist, die in Zukunft wiederverwendet werden können – etwa in einem weiteren Ladenbau-Projekt. Für diesen Bereich wurde ein Wiederverwendungspotential von 87,76% ermittelt. In die Bewertung floss unter anderem mit ein, ob die einzelnen Elemente, wie zum Beispiel Warenträger und Kleiderständer, ohne Beschädigung und ohne erheblichen Aufwand demontierbar sind und inwiefern diese reparierbar sind.

CO2e-Emissionen:

Hier wurde zunächst ermittelt, wie viele CO2e-Emissionen im Rahmen eines vergleichbaren Ladenbau-Projektes entstanden wären. Hierfür wurde von EPEA ein Wert von 105,23 Tsd. kg CO2-Emissionen ermittelt. Durch die Wiederverwendung vorhandenen Inventars und vorhandener Materialien sowie durch das Recycling konnten insgesamt 102,23 Tsd. kg CO2e-Emissionen vermieden werden. Dies entspricht 97,15% weniger CO2e-Emissionen als durch ein vergleichbares, konventionelles Ladenbau-Projekt erzeugt worden wären.


Du möchtest noch mehr über den Bonner Re:Think Store und seinen Impact erfahren? Dann hör doch mal in die neue Folge unseres Podcasts „Neue Horizonte“ rein. Dort spricht unser Host Fabian Nendza mit Markus Diem und Victor Hasselbring von EPEA, die den Ladenbau wissenschaftlich begleitet haben. Hier geht’s zum Podcast.

Impressionen aus dem Re:Think Store

Globetrotter Circularity Passport Interiors

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