Petra: Nicht von dieser Welt

Es gibt Orte, die sind fast zu schön, um wahr zu sein. Ganz oben auf diese Liste gehört auch Petra in Jordanien. Da die Anreise vergleichsweise ein Katzensprung ist, kann man sogar Kind und Kegel mitnehmen.

Michael Neumann

Jordanien, ist das nicht gefährlich? Nö. Das Haschemitische Königreich im Nahen Osten punktet mit einer stabilen politischen Führung und einer geringen Kriminalitätsrate. Aber für Kinder ist das sicher nix? Nö. Die Jordanier sind maximal kinderlieb, was wir schon bei der Einreise feststellen. Kaum erscheinen wir mit unseren drei Jungs an der Immigration, um uns ein paar Stempel abzuholen, erhellt sich die Miene des Beamten und wir dürfen ohne strenge Fragen passieren. Das Griesgrämige, das bei vielen Kontrollinstanzen weltweit ein Einstellungskriterium scheint, ist wohl doch nicht angeboren. Aber Jordanien liegt doch JWD? Nö. Je nach Flugplan und Airline gibt es sogar Direktflüge, die keine vier Stunden dauern. Wir sind bequem mit Ryanair von Memmingen nach Amman geflogen. Flugzeit? 3 Stunden 55 Minuten. Zeitverschiebung, bei Reisen mit Kindern ja nicht ganz unwichtig, eine Stunde.

Jordanien als Familienurlaub

Gebucht haben wir bei For Family Reisen, dem führenden Reiseveranstalter für Familienreisen weltweit. Jordanien kann man dort als Komplettpaket buchen oder individuell in Form von Reisebausteinen. Da wir nur wenig Zeit haben, lassen wir die Hauptstadt Amman sowie Jerash, die besterhaltene Stadt aus der Römerzeit, aus. 

Uns interessieren noch ältere Steine. Diese finden wir zunächst im Dana-Biosphärenreservat. Das größte Naturschutzgebiet des Landes erstreckt sich von 200 Metern unter dem Meeresspiegel bis hoch ins Berg­land auf 1200 Meter. Will man es auf den vielen verschlungenen Wanderwegen zur Gänze durchmessen, sollte man entsprechend fit sein. Wir beschränken uns auf einen Halbtages-Hike. Doch auch der weiß zu begeister­­n. Die schichtartigen Felshügel erinnern an gestapelte Pfannkuchen und fordern unsere Jungs zu Kraxelei und Parcoursprüngen auf. 

Schöne Steine: Für Wanderer, die keine Angst vor Höhenmetern haben, ist Dana erste Wahl. © Michael Neumann

Am Folgetag steht bereits das Highlight unserer Reise auf dem Programm: Petra. Ein Ort, den auch unsere Kinder teilweise kennen. Und zwar aus »Indiana Jones und der letzte Kreuzzug«. Dessen legendäre Schlusssequenz, in der Harrison Ford und Sean Connery den Heiligen Gral suchen und gegen Untote kämpfen, wurde in Petra gedreht. 

Petra: Besuchermagnet im Nahen Osten

Anders als viele Reisende haben wir dort zwei Nächte geplant – und zwar im Petra Guest House. Dieses liegt direkt neben dem Eingang zum viele Quadratkilometer großen Areal und so kommen auf die vielen zu laufenden Kilometer keine zusätzlichen hinzu. Auch steigen so die Chancen, dass wir die Kinder rechtzeitig aus dem Bett bekommen, um morgens die Ersten zu sein, die durchs Drehkreuz laufen. Denn auch wenn Petra sicher zu den besucherstärksten Zielen im Nahen Osten gehört, ist es mit etwas Planung ein Leichtes, dem Overtourism zu entkommen.

Gleich nach der Ankunft laufen wir ein erstes Mal durch den »Siq«. Diese 70 Meter tiefe und stellenweise nur zwei Meter breite Schlucht ist der einzige Zugang von Osten kommend. Nach eineinhalb Kilometern verengt sich die Klamm ein letztes Mal und kanalisiert die Besucher zu einem geordneten Strom, dessen Blick unvermeidlich auf das komplett in den Sandstein geschlagene Schatzhaus »Al-Khazneh« fällt. 

Veredelte Steine: Vor über 2000 Jahren meißelten die Nabatäer die Felsenstadt Petra in eine Schlucht. © Michael Neumann

Zu Hochzeiten des damaligen Volkes der Nabatäer kamen hier Kamelkarawanen mit bis zu 2000 Tieren durch und man kann sich gut die Wirkung vorstellen, die das Schatzhaus auf Petra-Neulinge ausübte. Maut, Steuer und Zoll? Zahlte man sicher ohne Murren beim Anblick dieser steingewordenen Machtdemonstration.

Jordaniens Wunderwerk der Architektur

Doch Petra ist so viel mehr als ein prächtiges Schatzhaus, hinter dessen Fassade sich nur ein leerer Raum und viele Geheimnisse befinden. Von hier aus gelangen Besucher in die äußere Schlucht und zur Fassaden­straße, an der sich Königsgräber, ein römisches Amphitheater mit Platz für bis zu 10 000 Zuschauer und weitere Gebäude befinden. Die in den Fels geschlagenen Gebäude sind ein Wunderwerk der Architektur, detailreich und wunderschön verziert, und können teilweise betreten werden. 

Allein die Wasserversorgung, mit deren Bau bereits im 5. Jahrhundert vor Christus begonnen wurde, macht sprachlos. Brauch- und Trink­wasser wurden über in den Fels gemeißelte Aquädukte in die Stadt geleitet sowie durch Terrakottaröhren, die ebenfalls in die Felswände eingelassen und mit Gips abgedichtet waren. 

Karawanen-Stopp in Petra

Die zuverlässige Wasserversorgung und die sichere Lage im Felskessel machten Petra zu einer bevorzugten Station für Karawanen aus dem Süden Arabiens, die Luxusgüter an die Gestade des Mittelmeers brachten: Gewürze aus Indien, Seide aus China, Elfenbein aus Afrika, Perlen aus dem Roten Meer und Weihrauch aus dem Süden Arabiens. Besonders das Harz des Weihrauchbaums war in der gesamten antiken Welt als besonders kostbare religiöse Opfergabe und als Arzneimittel heiß begehrt.

Mit etwas Fantasie fühlt man sich trotz der Menschenmassen und Souvenir­stände leicht in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt. Wer sich zudem die Mühe macht und den Talboden über die vielen in den Stein gehauenen Steige verlässt, ist schnell für sich allein und hat zugleich einen ordentlichen Work-out. Nach drei Hikes binnen zweier Tage setzen wir schließlich tief beeindruckt einen dicken Haken auf unsere Bucketlist.

Wadi Rum: Die Filmkulisse Jordaniens

Wer nun glaubt, dass es das war mit den beeindruckenden Filmkulissen, kennt Wadi Rum noch nicht. Diese Wüste diente schon als Kulisse für »Der Marsianer«, »Lawrence von Arabien« und diverse »Star-Wars«-Filme. Wer mag, kann sogar Übernachten wie der Marsianer. In den letzten Jahren sind sogenannte Bubbles populär geworden: Klarsicht­kugeln, die aus­sehen wie eine Raumstation. In ihnen kann man den nächtlichen Sternen­himmel aus dem kuschlig-warmen Doppelbett bestaunen. 

Hohe Steine: Die Felsbögen in Wadi Rum waren schon Filmkulisse für zwei »Star-Wars«-Filme. © Michael Neumann

Um tiefer in die Wüste vorzudringen, ist ein ortskundiger Führer mit geländegängigem Auto Pflicht. Unser heißt Abdullah und zeigt uns während einer wilden Autofahrt die Highlights der Region. Kreuz und quer geht es durch das Meer aus Sandsteinbergen, die aussehen wie in der Wüste gestrandete Riesenschiffe. Wir bestaunen aufgrund unserer Vorlieb­e für alte Steine Steinpilze, Steinbrücken und Steinhaufen. 

Must-Do: das Tote Meer

Nach einem kurzen Badestopp in Akaba, wo wir unsere Füße auch mal ins Rote Meer strecken, richten wir den Mietwagen wieder nordwärt­­s. Es folgt der dritte Must-do: das Tote Meer. Wobei das Meer ein See ist. Dafü­r liegt es unglaubliche 428 Meter unter dem Meeresspiegel, wird vom Jordan gespeist und hat einen Salzgehalt, bei dem man etwaige­s Untertauchen definitiv bereut. Durch das viele Salz hat das Wasse­r wieder­um eine hohe Dichte, was einen Tauchgang zum Glück erschwer­­t. Stattdessen kann man ganz entspannt in Rückenlage ein Buch lesen, ohne dass der Bauch nass wird. Am schönsten ist ein solches Bad, wenn die Sonne am israelischen Ufer hinter den Hügeln Jeru­salems untergeht.

»Das Bubble-Hotel in Wadi Rum könnte auch auf dem Mars stehen.«

Wadi-Wandern in Jordanien – perfekt mit Kindern

Tagsüber bietet sich dagegen die Erkundung der wunderbaren Wadis der Region an. Diese teils nur meterbreiten Canyons bahnen sich ihren Weg aus dem Hochland bis ins Tote Meer. Der bekannteste Wadi heißt Mujib. Ist er geöffnet, watet, kraxelt und schwimmt man gegen den Strom tief in eine spektakuläre Schlucht, was besonders bei Luft­temperaturen von bis zu 40 Grad eine willkommene Abkühlung bietet. Bei uns ist er leider seit genau einem Tag geschlossen. Winterpause. Unsere Alternative finden wir auf Google Earth. Wadi Numeir­­a. Wer je Probleme damit hatte, seine Kinder zum Wandern zu bewegen, der muss nur zum Wadi-Wandern nach Jordanien. 

Über Schluchten und Wasserfälle

Allein sind wir heute allerdings nicht. Es ist Freitag, der Tag der Zusamme­nkunft im Islam. Was für ein Spektakel. Die Locals sind mit ihren Gelände-Pickups Hunderte Meter weit in die Schlucht gefahren und zelebrieren ihre Familien-Picknicks. Blendet man den Müll, den die Einheimischen dabei gern hinterlassen, als kritischer Europäer einmal aus, ist die Atmosphäre durchaus magisch. Überall tönt Musik und es wird viel gelacht. Mehr als einmal werden wir eingeladen, uns zu setzen und mitzuspeisen. Wir lehnen höflich ab und laufen immer weite­r in die Schlucht. Ab und an müssen wir kleinere Wasserfälle überklettern und arbeiten uns Meter um Meter nach oben. Längst ist kein Quadratzentimeter Stoff mehr trocken, doch das Wasser ist warm und so ein bisschen Verdunstungskälte hat bei der Lufttemperatur noch niemandem ge­schadet.

»Was für ein Spektakel. Die Locals sind mit ihren Gelände-Pickups Hunderte Meter weit in die Schlucht gefahren und zelebrieren ihre Familien-Picknicks.«

Als sich die Schlucht letztlich wieder öffnet, finden wir unser Picknickplätzchen. Schnell die Vesper aus dem wasserdichten Rucksack geholt und in der Sonne genossen. Während die Jungs Staudämme bauen, lassen wir noch mal die Zeit Revue passieren. Es herrscht Einigkeit: Wer alte Steine mag, sei es von Menschenhand veredel­­t oder von den Elementen in Form gebracht, wird Jordanien lieben. Und selbst unseren sonst so wandermüden Kindern hat das klein­e Abenteuerland gehörig Beine gemacht.