Tief hängen die Wolken an diesem Februartag am Himmel über dem Leutaschtal. Aus ihnen rieselt leise Schnee, der sich über die bereits weiße Landschaft legt wie eine Decke, unter der jedes Geräusch gedämpft wird. Es ist unglaublich still – lediglich der Schnee knirscht bei jedem Schritt unter meinen Wanderstiefeln, während ich zwischen angezuckerten Tannen vor mich hin marschiere.
Ich bin unterwegs von Mittenwald nach Leutasch, der 1. Etappe meiner Winterweitwanderung über Tirols Hochplateau – eine Hochebene auf 1245 Meter Seehöhe, die eingebettet zwischen Wetterstein-, Karwendel- und Mieminger Gebirge liegt. Die Region ist aufgrund ihres kilometerlangen Loipennetzes vor allem bei Skilangläufer*innen bekannt und beliebt. Aber genauso wie die Loipen werden im Winter auch die Wanderwege präpariert, sodass Naturliebhaber*innen die Möglichkeit haben, zu Fuß in diese Bilderbuch-Winterwelt einzutauchen.
Faszination Weitwandern
Ob Pilgerung, Alpenüberquerung, Hüttentour oder Fernwanderung – kaum etwas befriedigt die Sehnsucht nach Natur, Abenteuer und Freiheit so sehr wie das Weitwandern. Jeder, der sich schon einmal für mehrere Tage, Wochen oder sogar Monate zu Fuß auf den Weg gemacht hat, kann sicher bestätigen, dass eine Weitwanderung ein besonders prägendes Erlebnis ist, bei dem man an jedem Tag nicht nur dem Ziel, sondern auch sich selbst ein Stück näherkommt.
Ich selbst bin passionierte Weitwanderin, bin aber bisher noch nie im Winter unterwegs gewesen. Umso größer war meine Freude, als ich vom 1. Winterweitwanderweg in Tirol gehört habe: 4 Tage durch den Schnee – und das ganz ohne Schneeschuhe oder Skier. Da habe ich nicht lange gezögert und die Route direkt selbst ausprobiert.
Tag 1: Leise rieselt der Schnee
Als Bahnreisende startet mein Winterabenteuer in Mittenwald. Von hier folge ich zunächst dem Verlauf des Jakobswegs „Isar – Loisach – Leutascher Ache – Inn“. Ich werde also ungeplant auch kurzfristig zur Pilgerin und dieser Rolle mit meinem Trekkingrucksack und den Wanderstöcken zumindest äußerlich auch gerecht. Wer mit dem Auto anreist, kann bereits einige Kilometer ins Leutaschtal hineinfahren und beginnt am offiziellen Startpunkt der Weitwanderung am Parkplatz in Schanz. Sofort sticht mir hier ein pinker Wegweiser ins Auge: Winter-Weitwanderweg – Etappe 1 – 14 km. Es kann losgehen!
Nach wenigen Metern entlang der Straße biege ich hinter dem Gasthof zur Mühle links ein und bin auch schon mittendrin im Winterwunderland. Der geräumte Wanderweg verläuft von hier immer entlang der smaragdgrün schimmernden Leutascher Ache. Während auf der gegenüberliegenden Seite die Loipen viel befahren sind, kommt mir nur eine Handvoll anderer Wanderer entgegen. Ich genieße die Stille und Geborgenheit der verschneiten Landschaft und schalte sofort in den Erholungsmodus, lasse Alltag und Sorgen weit hinter mir.
Aus den anfänglich sanften Schneeflocken wird im Laufe des Tages ein wahres Schneetreiben, aber dank der richtigen Kleidung stört mich das zum Glück nicht. Im Gegenteil: Ich fühle mich ein bisschen wie im Königreich „Narnia“ und freue mich über den Neuschnee. Schließlich hat der in den Alpen dieses Jahr lange auf sich warten lassen, und darüber hinaus: Was wäre eine Winterwanderung schon ohne richtig viel Schnee?
Nach ca. 5 Stunden freue ich mich dann aber trotzdem, das Etappenziel – den Leutascher Ortsteil Gasse – erreicht zu haben, und noch mehr, als ich kurz darauf die kleine Gaststätte „Poli’s Hütte“ entdecke. In der gemütlichen Holzhütte wärme ich mich erst mal mit Kaffee und Kuchen auf, bevor ich meine Unterkunft für die Nacht aufsuche.


Tag 2: Allein durch den Winterwald
Nachdem es bis weit in die Nacht hinein geschneit hat, präsentiert sich mir am Morgen des 2. Tages eine Winterlandschaft wie aus dem Bilderbuch. Zentimeterdick liegt der Neuschnee auf Dächern und Bäumen. Die Hohe Munde, die gestern noch von tief hängenden Wolken verdeckt wurde, steht nun dominant am Ende des Leutaschtals und wird von der Morgensonne angestrahlt.

Aufgeregt wie ein kleines Kind ziehe ich los, um in dieses Winterwunderland einzutauchen. Ich stapfe erst wenige Minuten durch den Neuschnee, als auch schon das Räumungsfahrzeug hinter mir auftaucht. Auf dem frisch präparierten Wanderweg sind die 250 Höhenmeter hinauf zum Katzenkopf dann mühelos machbar. Das Skigebiet rund um den Katzenkopf liegt auf 1360 Metern und bietet einen schönen Ausblick auf die markanten Züge des Wettersteingebirges und hinein ins Gaistal.

Die Katzenkopfhütte hat geöffnet und lädt zum Verweilen ein, aber es ist noch zu früh fürs Mittagessen. Also tauche ich wieder in den Winterwald ein, den ich an diesem Tag fast für mich allein habe. Ich folge den pinken Wegweisern, die immer wieder in der weißen Landschaft auftauchen und Richtung und verbleibende Kilometer der Etappe markieren. Die Zweige der Tannen biegen sich unter dem vielen Neuschnee und es ist ein kleines Glücksspiel, dass man nicht von einer der Schneeduschen getroffen wird, die regelmäßig zu Boden rauschen.

Auf dem Wildmoosplateau treffen sich dann Langläufer*innen und Wanderer bzw. Wanderinnen, denn hier verlaufen Loipen und Wanderwege parallel zueinander. Dementsprechend voll ist zur Mittagszeit auch die Wildmoosalm und ich entscheide mich für ein Picknick auf einer Bank, während ich die vorbeigleitenden Langläufer*innen beobachte.
Von hier aus kann man dann entweder direkt weiter zum Etappenziel in Mösern wandern oder man erweitert um eine Schleife um Wildmoossee und Lottensee, die unter dem vielen Schnee aber nur als solche zu erahnen sind. Da ich noch Zeit habe, bis ich in meine Unterkunft für die nächste Nacht einchecken kann, entscheide ich mich für die Verlängerung und komme so am heutigen Tag auf insgesamt 18 Kilometer Strecke. Danach lassen sich Sauna und Pasta im Hotel gleich noch mehr genießen.
Tag 3: Winterlicher Hüttenzauber
Am 3. Tag warten nicht nur blauer Himmel und Sonne auf mich, sondern auch das Highlight der gesamten Tour: der Aufstieg zur Wettersteinhütte auf 1717 Metern mit Übernachtung. Diese ist im Winter nur von Samstag auf Sonntag möglich, außer man bucht die Winterweitwanderung über den Tourismusverband der Region Seefeld (für 2023 bereits ausgebucht). Dieser übernimmt dann nicht nur die Buchung der Übernachtungen (2 x in Hotels mit Sauna, 1 x im Lager auf der Wettersteinhütte), sondern organisiert auch einen Gepäcktransport.
Zunächst wandere ich von Mösern bis nach Leutasch zurück. Während es im Ort schon wieder taut und das Inntal sogar komplett schneefrei ist, ist das Seefelder Hochplateau nach wie vor in Schnee gehüllt, der unter der Sonne heute wunderschön glitzert. Der Aufstieg zur Wettersteinhütte verläuft dann in Serpentinen auf einem geräumten Wanderweg, der bergab auch gerne als Rodelbahn genutzt wird. Dabei werde ich von der Sonne gewärmt und komme bei den ca. 500 zu überwindenden Höhenmetern das erste Mal auch richtig ins Schwitzen.


Nach ca. 2 Stunden erreiche ich die urige Hütte, von dessen Terrasse sich mir ein fantastisches Alpenpanorama mit Blick auf das gesamte Seefelder Hochplateau und die umliegenden Gebirge offenbart. Ich bestelle mir heißen Punsch und Topfenstrudel und genieße diese Aussicht, bis die Sonne hinter den Mieminger Bergen verschwindet und den Tag mit einem dramatischen Wolkenspiel in Orange verabschiedet.

Im Lager der Wettersteinhütte haben insgesamt 35 Personen Platz. Tatsächlich bin ich an diesem Samstag der einzige Übernachtungsgast, da eine Gruppe aufgrund von Corona abgesagt hat. Bevor ich mich aber mit einem Buch ins Bett kuschle, lasse ich mir noch eine Portion Kaspressknödel in der gemütlichen Stube schmecken.
Tag 4: Abschluss mit Kaiserwetter
Warm eingepackt sitze ich um 7:15 Uhr auf der Terrasse der Wettersteinhütte und schaue zu, wie die Sonne sich langsam ihren Weg über die Gipfel bahnt. Ein Sonnenaufgang in den Bergen ist immer etwas Besonderes – und im Winter, wenn die Bergwelt angezuckert und die Luft glasklar ist, ganz besonders eindrucksvoll.

Hüttenwirtin Beate serviert mir ein typisches Hüttenfrühstück: Graubrot mit Butter und Marmelade, dazu Kaffee. Dann geht es auf demselben Weg wie gestern zurück nach Leutasch, wo ich nach einem Besuch der hübschen Pfarrkirche den Bus nach Seefeld und von dort die Bahn zurück nach Hause nehme – immer noch ganz verzaubert von den Eindrücken der letzten Tage. Es waren zwar nur 4, aber ich fühle mich erholt wie nach 2 Wochen. Wandern im Winter hat eben eine ganz eigene Magie.
Mein Fazit: Die Winterweitwanderung übers Seefelder Hochplateau ist ideal für eine kurze Auszeit im Schnee und ermöglicht dank präparierter Wanderwege, zahlreicher Einkehrmöglichkeiten und komfortabler Übernachtungsoptionen ein genussvolles Wandererlebnis und aktive Erholung inmitten einer traumhaften Schneelandschaft. PS: Meine Grödel nehme ich wegen der hervorragenden Bedingungen zwar unbenutzt wieder mit nach Hause, sie sollten bei dieser Tour aber definitiv mitgeführt werden. Gamaschen hingegen sind meiner Ansicht nach nicht notwendig.
Alle Etappen im Überblick
- Mittenwald / Leutasch Burggraben – Gasse / Weidach // ca. 14 km
- Gasse – Mösern // 16–18 km
- Mösern – Wettersteinhütte // 16 km
- Wettersteinhütte – Leutasch Kirchplatzl // 6 km
Friederikes Packliste
- Packliste
Kleidung
- wasserfeste Wanderstiefel
- Hüttenschuhe
- 1 wasserfeste Wanderhose
- 1 Merino-Leggings
- Wechselkleidung für Hotel und Hütte
- 1 Merino-Longsleeve
- 1 Fleecejacke
- 1 Daunenjacke
- 1 wasserdichte Jacke
- 1 Sport-BH
- 4 x Unterwäsche
- 2 x Wandersocken
- 1 Buff
- 1 Mütze
- Handschuhe
Ausrüstung
- Wanderstöcke
- Trekkingrucksack (35-45l)
- Ggf. Regenhülle/Regenponcho
- Trinkflaschen/Trinkblase
- Hüttenschlafsack
- Stirnlampe
- Taschenmesser
- ggf. Gürteltasche
- ggf. Gamaschen
- Grödel/Spikes
Technik & Orientierung
- Handy + Ladekabel
- GoPro + Ladekabel
- Kopfhörer
- Powerbank
- Buch/E-Book-Reader
- ggf. GPS-Gerät
Hygiene & Erste Hilfe
- Zahnbürste und Zahnpasta
- Sonnencreme
- Duschseife
- Erste-Hilfe-Set
- Biwaksack/Rettungsdecke
- Blasenplaster/normale Pflaster
- Taschentücher
- Menstruationsprodukte
- Microfaser-Handtuch L
Papiere & Sonstiges
- Bargeld
- Kreditkarte
- Personalausweis
- Krankenkassenkarte
Über Rike
Rike ist freiberufliche Tänzerin & Tanzpädagogin aus Berlin mit einer großen Leidenschaft für die Berge und das (Weit-)Wandern. So oft es ihr möglich ist, flüchtet sie daher aus dem hektischen Großstadtleben raus in die Natur. Auf Social Media postet sie inspirierenden, informativen und unterhaltsamen Content rund um die Themen Wandern, Trekking und Reisen und möchte damit andere Menschen motivieren, die Schönheit unserer Welt zu entdecken und Abenteuer außerhalb ihrer Komfortzone zu erleben.
@berlin.hikinggirl