Aber bitte mit Sauna!
Pastellfarbene Sonnenuntergänge, gemütliche Kaminabende und ganz viel Ruhe: Wer vor dem Frühlingserwachen noch etwas Entspannung und Entschleunigung sucht, ist in Finnland genau richtig. Fräulein Draußen berichtet von ihrem winterlichen Roadtrip in den Norden.
startete 2013 vor ihrer ersten großen Solo-Reise nach Schottland ihren Blog. Heute kann sie einen großen Teil ihres Lebens mit ihrer Leidenschaft füllen und davon leben. Als Vollzeitbloggerin sind (Fern-)Wandern, Trailrunning und Bikepacking ihre Lieblingsbeschäftigung. In unserem Blog findet ihr ein großes Interview mit ihr.
Zugegeben: Man muss schon einen gewissen Hang zu Kälte und Dunkelheit haben, wenn man in der kalten Jahreshälfte nicht etwa in den Süden flieht, sondern in die entgegengesetzte Richtung. T-Shirt-Wetter gibt’s dort nämlich lediglich in der Sauna. Und die Sonne schafft es im Winter auch kaum über den Horizont. Da sind aber eben auch die Nordlichter, die tief verschneiten Landschaften, die endlosen Sonnenaufgänge, die flauschigen Rentiere. Und all die leisen, pastellfarbenen Zwischentöne, die eine Winterreise nach Finnland so besonders machen.
»Dank meines Mökkis am Meer bin ich schon ab dem ersten Tag mittendrin in meinem finnischen Wintertraum.«
Nur eine große Glasscheibe trennt mich von der winterlichen Ostsee. Eisschollen ziehen ihre Bahnen, während ich auf der Couch sitze und nichts anderes zu tun habe, als ihnen dabei zuzusehen. Zu meiner Rechten der knisternde Kamin, zu meiner Linken ein Stapel Bücher und eine dampfende Tasse Tee. Ich könnte ewig so sitzen, aber irgendwann schlüpfe ich doch in Wanderstiefel und Winterjacke, um zumindest eine kleine Runde durch den verschneiten Wald zu drehen. Anschließend eine Tasse Kaffee am Lagerfeuer vor dem Haus, während die Sauna langsam auf Betriebstemperatur kommt. Dank meines Mökkis am Meer bin ich schon ab dem ersten Tag mittendrin in meinem finnischen Wintertraum.
Rund 1,8 Millionen dieser typisch finnischen Sommerhäuschen gibt es im Land – ganz schön viele, wenn man bedenkt, dass es nur rund 5,5 Millionen Einwohner:innen hat. Kleine Holzhäuser, meist eher schlicht gehalten und fürs Wesentliche ausgestattet – nicht mehr und nicht weniger. Nur die Sauna, die darf natürlich niemals fehlen.
Ich folge dem Wegweiser hinein in den verschneiten Wald, auf einem Pfad, der gerade so breit genug für mich ist. Leise brummt der Lift des nahegelegenen Skigebiets vor sich hin. Die Schneeschuhe klackern, der Schnee knarzt. Ansonsten höre ich: nichts. Die Welt um mich herum schläft unter einer dicken weißen Schicht. Nicht die Art von Schnee, die einem bei der kleinsten Berührung unangenehm in den Nacken rieselt. Auf den Bäumen im Norden Finnlands lastet Schnee, der so hart ist wie Eis.
Pünktlich zum Sonnenaufgang stehe ich auf einem kleinen Gipfelplateau, bewundere stumm den rosablassblauen Himmel, der über der farblosen Landschaft liegt. Ich befinde mich im Syöte Nationalpark, der südlichsten Bergregion Finnlands. Obwohl die Region noch etwas südlich des Polarkreises liegt, gibt’s in Syöte Lappland-Feeling pur. Neben Skipisten und Loipen findet man in den Wintermonaten auch mehrere ausgeschilderte und gespurte Schneeschuh-Trails wie diesen.
Irgendwann hat die Kälte auch die letzte meiner Kleidungsschichten durchdrungen und überredet mich erfolgreich zum Rückweg.
Der zugefrorene See mit seinem fünf Kilometer langen Rundkurs ist mir Loipe genug. Auch wenn es hier nahe dem Polarkreis jede Menge Auswahl gäbe: Etwa 200 Loipen-Kilometer ziehen sich durch Ruka und das benachbarte Kuusamo, in der näheren Umgebung sogar noch deutlich mehr. Ruka ist stolz darauf, Weltcup-Austragungsort zu sein. Und die erste Skischule des Landes zu beherbergen.
Mein erstes (und letztes Mal) auf Langlaufskiern ist schon einige Jahre (um nicht zu sagen Jahrzehnte) her und so lege ich die ersten Kilometer gekonnt ungekonnt zurück. Alle Kraft aus den Armen – dieses Konzept ist natürlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Im Gegensatz zu finnischen Menschen habe ich das Langlaufen leider nicht noch vor dem Laufen erlernt. Aber um mich herum zeigen sie mir, wie es geht. Und spätestens ab der dritten Runde tut sich etwas in Sachen Arm-Bein-Koordination. Gegen Ende gleite ich wie eine echte Finnin über die perfekt gespurte Loipe dem Sonnenuntergang entgegen. … na ja, zumindest fühlt es sich für mich so an. Aber das ist ja die Hauptsache.
»Als ich nach einigen Stunden wieder an den Stromschnellen ankomme, stürzt sich die Wasseramsel immer noch in die eisigen Fluten. Wie gerne ich sie zum Aufwärmen zu einer Runde Sauna in mein Mökki eingeladen hätte.«
Unermüdlich taucht die Wasseramsel ins eiskalte Wasser, kurz vor den rauschenden Stromschnellen des Oulankajoki. Sie ist der einzige Singvogel, der unter Wasser nach Nahrung sucht. Dank des dichten, eingefetteten Gefieders des bräunlichen Vogels mit großer weißer Brust scheinen ihr auch minus 20 Grad Außentemperatur den Badespaß nicht zu vermiesen. Mir hingegen wird schon beim Zusehen kalt und ich ziehe den Reißverschluss der äußersten meiner unzähligen Kleidungsschichten noch ein bisschen weiter nach oben. Dann wandere ich weiter durch den Oulanka Nationalpark. Zwölf Kilometer vorbei an Schluchten und Wasserfällen, über Hängebrücken und zu Aussichtspunkten.
Im Sommer kommen viele Reisende für Kanu- und Raftingtouren in die Region. Oder für eine Wanderung auf der 82 Kilometer langen Bärenrunde, Finnlands beliebtester Mehrtageswanderroute. Im Winter ist die Region aber nicht weniger beeindruckend (ganz im Gegenteil). Und Wanderungen sind auf den ausgeschilderten Wegen im Park auch möglich, je nach Bedingungen mit oder ohne Schneeschuhe.
Als ich nach einigen Stunden wieder an den Stromschnellen ankomme, stürzt sich die Wasseramsel immer noch in die eisigen Fluten. Wie gerne ich sie zum Aufwärmen zu einer Runde Sauna in mein Mökki eingeladen hätte.
Noch liegen die Hunde halbwegs entspannt vor ihren Hütten. Hier und da ein kurzes Jaulen oder Bellen, sonst scheinen sie vor allem eines zu sein: zufrieden. Und doch ist da etwas in der Luft – gespannte Erwartung. Und die macht sich längst nicht nur unter den Hunden breit.
Jeder Hund weiß genau, wo sein Platz am Schlitten ist. Eine Einweisung benötigen lediglich wir. Hier die Bremse, dort gut festhalten, mehr muss man im Prinzip nicht wissen. Die Tiere kennen die Strecke, laufen quasi von allein. Alles, was man als Hobby-Musher tun muss, während man angetrieben von sechs Hundestärken durch die Landschaft gleitet: Mit dem Fuß die Bremse betätigen, wenn die Hunde langsamer werden sollen. Und nicht in der nächsten Kurve vom Schlitten fallen.
In Finnland gibt es viele Anbieter für geführte Touren. Sogar mehrtägige Ausflüge sind möglich! Und auf so einem Husky-Schlitten zu stehen und durch die winterliche Landschaft zu brausen, ist zweifelsohne ein Erlebnis, das man nicht mehr vergisst.
Wichtig: Bei der Buchung sollte man sich unbedingt über die Anbieter informieren und vor Ort darauf achten, dass die Tiere gut gehalten und zu nichts gezwungen werden. Auch Online-Bewertungen und Empfehlungen von Tourismus-Verbänden können im Vorhinein Aufschluss geben.
Über 350 verschiedene Pflanzenarten stehen auf dem Speiseplan von finnischen Rentieren. Im Winter knabbern sie allerdings (zwangsweise) vor allem eines: Flechten. Und ich habe einen ganzen Korb davon dabei! So richtig überzeugt sieht das erste Rentier, dem ich mich damit nähere, allerdings trotzdem nicht aus. Erst als ich eine Handvoll Flechten aus dem Korb nehme und mit ausgestrecktem Arm damit in seine Richtung wedele, kommt es langsam näher. Als es den Snack aus meiner Hand nimmt, kitzelt die weiche Rentiernase an meiner Haut. Was für ein Glück!
Wenn man nicht gerade auf einer Besucher-Rentierfarm ist, kommt man den Tieren eher nicht so nah. Sehen kann man sie allerdings häufig, vor allem im Norden: In Lappland gibt es mindestens so viele Rentiere wie Einwohner:innen. Für manche Sámi stellen Rentiere immer noch eine Einkommensquelle dar, wenn auch längst nicht mehr so wie früher. Was sie nach wie vor sind: ein zentraler Bestandteil der indigenen, samischen Kultur.
»Nach meinem Roadtrip durchs winterlich-einsame Finnland wieder im trubeligen Helsinki anzukommen, fühlte sich ähnlich an wie der Kälteschock nach der Sauna.«
Löyly. Der Dampf, der in der Sauna entseht, wenn man Wasser auf die erhitzten Steine gießt. Natürlich (!) hat das Finnische ein eigenes Wort dafür. Am liebsten wird in Finnland das Wasser regelrecht geworfen, damit es besonders schön zischt. Obligatorisches Handtuch-Wedeln inklusive. »Fünf Minuten schaffst du noch«, denke ich mir und blicke leicht flehend auf die Sanduhr. Auch wenn das, was nach der Hitze kommt, erstmal nur wenig verlockender klingt: barfuß über die verschneite Terrasse zum Steg, die Leiter hinunter – und rein in das Loch, das in die vereiste Ostsee gehackt wurde. Das letzte Eisbad meiner Reise. Und direkt hinter mir flackern die Lichter der Stadt.
Nach meinem Roadtrip durchs winterlich-einsame Finnland wieder im trubeligen Helsinki anzukommen, fühlte sich ähnlich an wie der Kälteschock nach der Sauna. Aber natürlich will ich zum Schluss meiner Reise auch noch ein paar Tage in der finnischen Hauptstadt verbringen. Das mit dem Saunieren geht dort ebenfalls ganz hervorragend, aber auch sonst ist Helsinki im Winter eine Reise wert. Und wer denkt, dass jetzt »nur« noch Museumsbesuche und Stadtrundgänge anstehen, wird schnell eines Besseren belehrt. Schlittschuhlaufen kann man vielerorts in der Stadt, das nächste Skigebiet ist per Bus erreichbar und mit Sipoonkorpi und Nuuksio liegen gleich zwei Nationalparks quasi vor den Toren von Helsinki. Genau genommen müsste man die Hauptstadt eigentlich gar nicht wirklich verlassen, um vieles von dem zu erleben, was eine Winterreise nach Finnland ausmacht.
Nun ja. Die habe ich leider während meiner zweieinhalbwöchigen Reise nicht gesehen. Die meiste Zeit war es bewölkt, und wenn es nicht bewölkt war, war die Aurora Borealis laut Nordlicht-App gerade irgendwo über Kanada unterwegs. Vielleicht war das aber auch ein Zeichen: Ich muss »leider« irgendwann nochmal im Winter nach Finnland.
Im Norden des Landes beginnt die Wintersaison etwa im November und dauert mindestens bis Mai. In Süd- und Mittelfinnland fällt der erste Schnee in der Regel Anfang Dezember und schmilzt Ende März und April.
Plant man eine Rundreise durchs komplette Land, bieten sich Februar und März besonders an. Dann sind die Tage schon wieder länger und die Chance auf Schnee ist auch weiter im Süden noch relativ hoch. Möchte man eher den Norden bereisen, ist auch der April ein guter Monat.
Nur viel befahrene Straßen (vor allem rund um größere Städte) werden gesalzen und geräumt. Ansonsten fährt man oft auf einer Schicht aus Eis und Schnee. Daher sind in Finnland die Winterreifen meist mit Spikes ausgestattet. Neben Eis und Schnee geht beim Autofahren im finnischen Winter Gefahr von Rentieren und Elchen aus, die die Straße überqueren. Vor allem mit letzteren kommt es immer wieder zu schweren Unfällen.
Das Draußensein zu jeder Jahreszeit ist tief in der finnischen Kultur verwurzelt. Gespurte Loipen findet man überall. Auf den winterlichen Seen ist das Nordic Skating beliebt, also Schlittschuhlaufen mit Stöcken und extralangen Kufen. Und obwohl Finnland nicht gerade für seine Bergwelt berühmt ist, gibt es sogar einige klassische Skigebiete.
Wandern geht natürlich sowieso immer, je nach Schneelage entweder mit oder ohne Schneeschuhe. Hierfür bieten sich besonders auch die Nationalparks mit ausgeschilderten Routen an.
Im finnischen Winter ist das Zwiebelprinzip noch wichtiger als sonst: Ein Set lange Unterwäsche, darüber eine Wander- oder Schneehose sowie eine Fleecejacke, Wollpulli o. ä. Dazu darf eine warme, wasserabweisende Jacke nicht fehlen.
An die Hände gehören natürlich Handschuhe – Fäustlinge halten besser warm, während Fingerhandschuhe praktischer sind. Für Kopf und Hals ist eine Sturmhaube ideal, die man bis über Mund und Nase ziehen kann. Als Schuhe eignen sich dickere Wanderstiefel mit warmen Socken, besser noch natürlich Winterstiefel. Für diese sollte man zudem ein paar einfache Grödel einpacken, denn selbst Gehwege in Städten können ziemlich vereist sein. Auch Wanderstöcke (mit Schneetellern) dürfen nicht fehlen, Schneeschuhe nehmen ebenfalls nicht viel Platz weg und machen flexibel in Sachen Touren. Vielerorts kann man sich die Winterausrüstung aber auch leihen.
Und – vielleicht am allerwichtigsten: Eine gute Thermoskanne für die Wanderpausen!