Fast drei Monate tingelte Pia Maack mit ihrem Mann Cornelius und dem dreijährigen Sohn im Bulli durch Frankreich. Absolutes Highlight: die frühlingshafte Vorsaison auf Korsika.
Mit einem Lächeln auf den Lippen steuert mein Mann den Bulli über die kurvigen Straßen der sattgrünen Landschaft Korsikas, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Zwischen uns schläft unser Sohn friedlich in seinem Sitz, erholt sich von der Fährfahrt nach Bastia. Die Straße führt uns und unseren Bus über sanfte Hügel und vorbei an glitzernden Buchten. Die Fenster unseres Oldtimers sind heruntergekurbelt, die Luft ist erfüllt vom süßen Duft blühender
Oleander und dem salzigen Aroma des Mittelmeers. In meinem Bauch kribbelt es. Vielleicht wegen der vielen Kurven, vielleicht aber auch wegen der Magie, die jedem Reisebeginn innewohnt.
Von Freiheit und Safe Spaces
Spontan beschließen wir, die ersten Tage an der Westküste zu verbringen. Also fahren wir von Bastia aus durch das menschenleere Landesinnere. Das ist die Flexibilität, die wir so lieben am Campen. Unseren Kurt, wie wir unseren Van nennen, parken wir am liebsten dort, wo wir uns gerade wohlfühlen. Seit wir mit Nachwuchs an Bord reisen, bleiben wir zwar selten nur für eine Nacht. Aber die Befürchtung, zum Wohle unseres Kindes unflexibel sein zu müssen, bestätigt sich bisher nicht. Trotz vieler Ortswechsel bleibt der Safe Space für unser Kind auf einem Roadtrip immer gleich: Das Bett wechselt nie und die gewohnte Umgebung reist mit.
Den ersten korsischen Stellplatz finden wir unter einem riesigen alten Olivenbaum, dessen knorrige Äste wie Arme in den Himmel ragen. »Wie ein Baumhaus«, erklärt unser Sohn, während er begeistert mit Stöcken im Sand malt. Nur wenige Reisende haben sich hierher verirrt, es ist Mitte Mai – Nebensaison bei »Camping de l’Ostriconi«. Frei stehen ist auf Korsika streng verboten und wird intensiv kontrolliert. Seit wir mit Kind unterwegs sind, schätzen wir ohnehin die Infrastruktur offizieller Plätze. Hier, so ganz ohne direkte Nachbarn oder Parzellen, fühlt es sich auch gar nicht an wie auf einem trubeligen Campingplatz zur Hauptsaison.
Ein schmaler Weg zwischen majestätischen Eukalyptus- und Feigenbäumen führt zum langen Sandstrand. Felsen rahmen die menschenleere, glitzernde Bucht ein, über der die Sonne sich zum Untergehen bereit macht. Der feine Sand kitzelt unsere Füße; das Rauschen des Meeres klingt wie Musik in den Ohren. Genauso habe ich es mir gewünscht, denke ich, als unser Dreijähriger fröhlich mit den Füßen im Wasser plantscht. Vom Strand aus gibt es zahlreiche Wanderungen – atemberaubende Ausblicke auf die Küste inklusive. Jeder Schritt ein neues Bild für unsere Erinnerungen. Unser Sohn sitzt zufrieden in der Kraxe. Wir bauen immer wieder Pausen zum Entdecken und Essen ein, brauchen länger als früher und schwitzen mehr. Doch wir sind stolz auf uns, dass wir uns gemeinsam auf den Weg gemacht haben.
»Es gibt keine festen Pläne – nur das Gefühl von Neugier und Abenteuerlust.«
Die Wege gen Süden sind eng, die Kurven wirklich zahllos. Im Reiseführer lese ich, dass 86 Prozent der Insel gebirgig sind. Wie sich das anfühlt, wird hier klar, wo die massiven Felsen steil ins Meer zu fallen scheinen. Später sind mein Mann und ich uns einig: Die Straßen an der korsischen Westküste sind die schönsten, dir wir jemals gefahren sind. Die Landschaft wechselt von steilen Klippen zu sanften Stränden, von dichten Wäldern zu malerischen Dörfern. Beim Tanken erzählt uns ein Motorradfahrer, dass man im Sommer hier doppelt so viel Zeit benötigt, weil dann die engen Straßen voll mit Autos, großen Wohnmobilen und Bussen sind. Jetzt fühlt es sich an, als seien wir in einem lebendigen Gemälde unterwegs. Und das Beste daran? Wir können überall anhalten, wo es uns gefällt. Es gibt keine festen Pläne – nur das Gefühl von Abenteuerlust und Neugier.
Vanlife mit Kind: Matsch- und Me-time
Wir stoppen spontan für eine Mittagspause in Calvi. Die lange Promenade am Hafen wirkt heute malerisch und verschlafen. Wir bummeln durch die Gassen und essen frischen Fisch zwischen Segelbooten, bevor wir den Mittagsschlaf des jüngsten Reisemitglieds für die Weiterfahrt nutzen – eine
bewährte Strategie, um Strecke zu machen. Dank der vielen Kurven und Stopps zum Staunen brauchen wir knapp vier Stunden für eine Strecke von gerade mal 110 Kilometern. Es sind 26 Grad und nachdem er von seinem Mittagsschlaf erwacht ist, hat unser Sohn keine Lust mehr auf Autofahren. Das Leben im Van als Familie ist wie ein ständiges Spiel zwischen Freiheit und Geborgenheit. Wir suchen uns also einen Campingplatz im kleinen Badeort Porto. Doch statt gleich den nächsten Programmpunkt auf die Reiseagenda zu packen, nehmen wir uns Zeit. Zeit, die Seele baumeln, die Eindrücke sacken und uns treiben zu lassen. Etwas, das wir viel mehr machen, seit wir zu dritt reisen. Unser Sohn liebt es, zu entdecken, zu buddeln und zu sammeln – Schiebetür auf, Abenteuer an!
Natürlich ist ein schönes Reiseziel kein Garant für besseren Schlaf oder weniger Wutanfälle als zuhause und besonders bei schlechtem Wetter kann schnell mal der Lagerkoller Einzug halten. Aber unsere Devise, seit wir Eltern sind, lautet: Warum nicht die anstrengenden Momente, die in der Elternschaft sowieso kommen, an einem tollen Ort verbringen? Essenziell für uns: Matschsachen im Gepäck und genug Freiräume für jeden von uns. Immer wieder bauen wir Stunden ein, in denen ein Elternteil Me-Time hat – zum Joggen, zum Schwimmen oder einfach nur zum Faulenzen und Lesen.
Urlaub vom Urlaub
Im Süden Korsikas stellen wir schnell fest, dass dieser Teil der Insel viele Gesichter hat. Hier, wo ganz in der Nähe Napoleon Bonaparte geboren sein soll, finden sich touristische Hotspots, aber auch kleine Buchten und urige Bergdörfer. Wir satteln beinahe täglich die Kraxe und suchen uns kurze Wanderungen zu diesen Zielen. Auf dem »Camping U Libecciu« nahe Propriano sind wir nur eine von drei Familien auf einem riesigen Platz. Wir können nur erahnen, was hier in der Hauptsaison los ist. Die Infrastruktur bietet Luxus im Campingalltag: Im Infinitypool mit traumhaftem Blick aufs Meer macht unser Sohn seine ersten Schwimmversuche. Es fühlt sich an wie ein kleiner Urlaub auf der großen Reise.
Bonifacio ist zwar ein Touri-Magnet, gehört aber trotzdem auf unsere Bucketlist. Die Hafenstadt gilt immerhin als eine der schönsten Städte Korsikas. Kein Wunder, ihre weißen Klippen ragen gigantisch aus dem türkisfarbenen Wasser empor. Wir schlendern durch die Gassen und bestaunen kleine Boutiquen und Cafés. Unser Sohn interessiert sich derweil vor allem für das riesige Erdbeereis, das er in seinem Reisebuggy schleckt – übrigens ein echtes Must-have im Vangepäck. Spontan kaufen wir am Hafen drei Tickets für eines der Ausflugsschiffe. Wir Großen saugen den unvergesslichen Blick auf die Steilküste vom Wasser aus ein, während das jüngste Familienmitglied von den Fischen im glasklaren Wasser in den Bann gezogen wird.
Der Himmel über dem Cap Corse im Nordwesten Korsikas gibt alles, um das Ende unseres Besuchs besonders magisch zu gestalten. Der Fischerort Centuri ist in sattes Orange getaucht. Wir essen fangfrischen Fisch, trinken regionalen Wein und blicken auf die leicht wippenden Boote, während unser Sohn zufrieden in einem Malbuch kritzelt. Als wir den schmalen Trampelfpfad zum kleinen Campingplatz »Isulottu« zurückgehen, stelle ich fest, wie entspannt wir alle sind. Liegt es am Reisen selbst? An der Flexibilität, mit der wir den Alltag bestreiten, der Natur um uns herum oder weil wir immer zusammen sind?
Am letzten Tag unserer Reise fahren wir in den kleinen Küstenort Saint-Florent. Eine alte Zitadelle und schmale Gassen voller Boutiquen und Restaurants geben uns das Gefühl, mitten in einem mediterranen Märchen zwischen Eukalyptus und Feigen zu sein. Vom Hafen aus fährt mehrmals täglich ein Boot zu den paradiesischen Stränden Lotu oder Saleccia – Orte, die kaum mit dem Auto erreichbar sind. Als wir in eines der kleinen Schiffe steigen und über das glitzernde Wasser gleiten, spüre ich, wie dankbar ich für die Vielfalt und Ruhe der vergangenen Wochen bin. Und während das kühle Nass in unsere Gesichter spritzt und unser Sohn vor Freude quietscht, weiß ich, dass es nicht nur mir so geht.
»Unsere Devise der Elternschaft: Wenn schon wenig Schlaf und Wutanfälle, dann an wunderschönen Orten!«
… ging mit 19 nach Südafrika, hat auf Jamaika
ihre Jugendliebe geheiratet und intensiv Asien, Amerika, Afrika und Europa bereist. Aus ihren Abenteuern mit Kurt, dem grünen VW T3, sind inzwischen zwei Vanlife-Ratgeber unter dem Titel »Vanily« entstanden.
TEXT UND FOTOS: Pia Maack