Seekajak-Schwärmerei im Ionischen Meer
Seekajak auf Lefkada in blau-weiß
Der Paddler Christian Zicke veranstaltet mit seiner Kajakschule Outdoordirekt seit Jahrzehnten Seekajak-Reisen in Griechenland – und ist heute noch genauso begeistert wie beim ersten Mal.
Lefkada! Schon der Name der Insel im Ionischen Meer weckt Sehnsüchte. Denn Lefkada heißt übersetzt so viel wie »die Weiße«. Schafft man nun die Assoziation zu einer Insel, landet man schnell bei karibisch anmutenden Stränden mit weißem Sand, der sich in verschiedenen Schattierungen mit dem tief-blauen Meer vermischt. Und genau das ist es, was man zu Gesicht bekommt, wenn man den Blick von den hohen Klippen der Westküste über das schier unendliche Meer schweifen lässt. Das Farbenspiel ist überwältigend, der Drang groß, sich mit diesem Meer, diesen Farben, dieser Spielart der Natur zu vereinen. Was kann es denn Schöneres geben, als sich im Kajak dort unten, an den weißen Stränden, im türkisen Wasser der Küste und der dunkel blauen Tiefsee zu verlieren?
Das erste Mal auf Lefkada
Ganz so romantisch mutet es nicht an, als ich vor knapp acht Jahren das erste Mal über die Schwenk-Brücke, die Lefkada mit dem Festland verbindet, mit Auto, Anhänger und acht Seekajaks im Schlepptau auf die Insel rolle. An diesem Tag peitscht ein kräftiger Ostwind von den Ausläufern der schneebedeckten Gipfel des Pindos-Gebirges auf den schmalen Kanal zwischen Lefkada und dem griechischen Festland. Der von mir im Vorfeld ausgewählte Campingplatz liegt direkt im Windkanal, zudem wird er von der Hautpverkehrsader der Insel vom Meer getrennt – kein schöner Ort. Nach kurzer Besichtigung und anschließender Recherche ist klar, es muss ein anderer Startpunkt für unsere Inselumrundung her. Und der ist schnell gefunden. Weiter im Süden der Insel, am malerischen Desimi-Beach, einer fjordartigen Bucht, an drei Seiten abgeschirmt von hohen Bergen. Hier ist das Wasser glasklar und absolut ruhig, kein Windhauch stört die Ruhe dieses Ortes.
Zu allem Überfluss werde ich herzlich von Panagiotis empfangen, seines Zeichens Hotelmanager und Campingplatz-Betreiber, aber eigentlich Professor für Griechische Geschichte in Athen. Panagiotis spricht hervorragend Englisch und so ist schnell geklärt, dass dem Start unserer Reise vom Desimi-Beach aus nichts im Wege stehen würde. Was mich besonders freut: Auch das Abstellen unserer Autos für den Zeitraum der Tour ist absolut kein Problem, das kenne Panagiotis schon von einer russischen Gruppe, die hier jedes Jahr zum Seekajakfahren herkommt. Das überrascht mich nun doch. Denn Griechenland ist im Jahr 2017 nun nicht gerade bekannt für seinen Seekajak-Tourismus. Umso mehr freue ich mich, welch glückliches Händchen ich bei der spontanen Auswahl dieses Platzes hatte.
»Über einem thront der schneeweiße Leuchtturm des Kaps, vor einem erstrecken sich, so weit das Auge reicht, die Kreidefelsen der Steilküste.«
Über die Jahrzehnte, die ich nun schon zum Paddeln nach Griechenland reise, hat sich eins bestätigt: Es gibt keinen besseren Platz im Ionischen Meer, um seinen ganz persönlichen Seekajaktraum zu leben, als die Bucht von Desimi. Nicht nur, dass man hier die freie Auswahl zwischen Camping unter alten Olivenbäumen und dem Nächtigen in einem modernen Hotel hat, es gibt auch zwei ganz wunderbare Tavernen direkt am Wasser. Und das Beste: Das war es auch schon! Der Desimi Beach mit seinem schmalen Strand ist wenig besucht, Tagesgäste findet man hier so gut wie gar nicht. Es ist ruhig und beschaulich. Durch die Öffnung der Bucht gen Süden ist paddeln hier zudem immer möglich. Lediglich bei Südwind drückt es ein wenig in die Bucht und es können sich kleine (Surf-)Wellen bilden.
Bei Windstille offenbart sich allerdings der größte Vorteil dieses Standortes: Bei oft spiegelglatter See, im Windschatten der Inselberge, stehen Tagestouren zu den Nachbarinsel auf dem Programm. Die schönste und größte ist Meganissi, deren Westküste mit ihren verwunschenen Buchten und kleinen Kiesstränden sich hervorragend zum Sonnenbaden und Schnorcheln eignet. Folgt man der Küste weiter gen Süden, so gelangt man zu riesigen Grotten, in die man mit der ganzen Kajak-Gruppe problemlos hineinfahren kann. Später im Jahr, in der griechischen Hochsaison, sind die Grotten von Meganissi das Ausflugsziel Nummer eins für organisierte Motorbootsfahrten vom nah gelegenen Ort Nidri aus. Doch in der Vor- und Nachsaison gehört die Küste uns Paddelnden, wir müssen sie lediglich mit den hiesigen Fischern teilen.
2017 bin ich das erste Mal vom Desimi-Beach aus über den Süden in Richtung Westküste aufgebrochen. Seitdem haben ich die Tour um die Insel jedes Jahr mindestens einmal wiederholt. Wer sich auf die Reise entlang des Südens macht, der sollte das Wetter im Blick behalten. Denn abgesehen von einigen tief eingeschnittenen Buchten gibt es kaum Anlandemöglichkeiten entlang der schroffen und unzugänglichen Küste. Strände sind hier Mangelware. Dafür ist das Wasser aufgrund der wenigen Sedimente besonders klar und sauber.
Nach rund zwanzig Kilometern Paddeln erreicht man die riesige Bucht von Vasiliki. Hier, wo noch vor wenigen Jahren ein kleiner Fischerhafen beheimatet war, wurde eine moderne Marina errichtet. Daneben gibt es eine Surf- und eine Segelschule. Es herrscht reger Verkehr. Wer die Einsamkeit bevorzugt und wie wir alles im Kajak mitschleppt, der findet alternativ im Süden von Vasiliki ein paar einsame Buchten an steiler Küste, wo der Gaskocher entspannt sein Liedchen pfeifen kann, währen die untergehende Sonne die Nachbarinseln Kefalonia und Ithaka in ein pastellfarbenes Licht taucht.
Aus Richtung Vasiliki paddelt man rund zehn Kilometer bis zum Kap Doukato, dem südlichsten Punkt Lefkadas. Während sich der Osten dieses »Sporns« zwar schroff und unnahbar, aber unspektakulär flach darstellt, ist der Blick am Kap Doukato aus auf die Westküste atemberaubend. Über einem thront der schneeweiße Leuchtturm des Kaps, vor einem erstrecken sich, so weit das Auge reicht, die Kreidefelsen der Steilküste. Ein leichter Swell herrscht hier immer vor, sodass man sich in seiner Nussschale winzig und ein wenig den Elementen ausgeliefert vorkommt. Die Umrundung des Kap Doukato sollte nur ins Auge gefasst werden, wenn das Wetter absolut stabil ist. Ein kräftiger Westwind kann die folgenden fünf Kilometer vom Leuchtturm bis zum berühmtesten Strand der Insel, dem Porto Katsiki, zum Alptraum werden lassen – während diese Strecke bei ruhiger See zum absolut schönsten gehört, was das Mittelmeer zu bieten hat.
An diese beeindruckende Steilküste heften sich winzige, weiße Buchten. Zwischen Kap Doukato und Porto Katsiki sind diese Buchten so klein, dass man gerade eben so sein Zelt aufbauen könnte, ohne beim Schlafen nasse Füße zu bekommen. Was stark romantisch klingt, ist zuweilen nicht ungefährlich. Denn von den bis zu 150 Meter hohen Klippen rieseln Kiesel hinab – und ab und an auch größere Brocken. Vor allem nach Regenfällen sind die engen Buchten absolut tabu. Doch auch die regelmäßigen Erdbeben in der Region stellen eine permanente Gefahr dar. So kennen wir die Geschichte einer Kajak-Gruppe, die eine kleine Bucht für die Nacht auserkoren hatte, vor dem Aufbau der Zelte aber noch ein paar Kilometer machen wollte. Nach ihrer Tour kehrten sie zum Strand zurück, fanden diesen aber nicht mehr vor, sondern nur ein frisches Geröllfeld. Der ehemalige Übernachtungsplatz war bedeckt von Fels und Kies, der Hang oberhalb abgerutscht – bei absolut blauem Himmel und ohne jede Vorwarnung.
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Fliegende Zelte am Ziegen-Strand
Der berühmteste Strand der Insel ist der Porto Katsiki, was übersetzt »Ziegen-Strand« heißt. Der Name leitet sich von den beeindruckende Kletterfähigkeiten wilder Ziegen ab, denen es früher vorbehalten war, den Strand am Fuße der Steilküste zu erreichen. Heute führen 99 Stufen vom Parkplatz runter zum Beach. Woher ich das so genau weiß? Weil ich mal die Seekajaks einer ganzen Gruppe vom Porto Katsiki die Treppen raufgetragen habe, als wir hier eine Tour unplanmäßig beenden mussten. Doch das ist nur eine Geschichte, die ich über diesen Strand zu erzählen habe.
Die spannendste ereignete sich bei unserer ersten vollständigen Inselumrundung im April 2017. Auf den anfangs bereits erwähnten Ostwind folgte ein moderater Südwind, der ungewöhnlich warme Luft brachte. So kratzten die Temperaturen an der Dreißig-Grad-Marke, was für April eher ungewöhnlich ist. Für die Nacht unter tausend Sternen wählten wir den Porto Katski und betteten uns mit gehörigem Respektabstand zur Steilküste. Was nach einem leckeren Abendessen und einem Ouzo ganz entspannt ausklang, entwickelte sich nachts schlagartig zu einem unvergesslichen Abenteuer. Wie aus dem Nichts zerrte ein Sturm an unseren Zelten, Heringe flogen im hohen Bogen über den Strand. Meine Behausung wäre unverzüglich im Meer gelandet, hätte ich nicht mit meinen ganzen Körpergewicht für die nötige Erdanziehung gesorgt. Wer nachts austreten musste, der hielt sein Zelt an einer Hand als Segel im Wind. So ging es die ganze Nacht. Der Sturm hörte nicht auf und mir war klar, dass unsere Tour hier ein jähes Ende finden würde.
Am Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, legten wir schnell alles zusammen und liefen die 99 Stufen hinauf, um einen Blick auf das aufgewühlte Meer zu werfen. Doch da war nichts. Keine Schaumkrone am Horizont – und absolut kein Windhauch oben auf der Klippe. Lediglich ein bisschen Gischt war zu sehen, wo »unser« Strand in das ruhige Wasser des Ionischen Meeres überging. So liefen wir wieder runter zu unseren Booten – und wurden wieder fast ins Meer geweht. Jetzt war klar: Wir befinden uns direkt in einer Walze aus Wind, die sich an der steilen Klippe bildet und dann mit Volldampf auf den Strand trifft. Ein absolut lokales Phänomen, hervorgerufen durch unterschiedlichste Luftschichten. Hingegen aller Befürchtungen sattelten wir die Kajaks und stiegen ein. Einhundert Meter entfernt vom Strand war es absolut windstill. Völlig fasziniert und leicht übermüdet konnten wir unsere Tour entlang der Westküste fortsetzen.
»Strände sind hier Mangelware. Dafür ist das Wasser aufgrund der wenigen Sedimente besonders klar und sauber.«
Highlife im Norden
Der nun folgende Westküsten-Abschnitt in Richtung Norden ist einsam und unzugänglich. Auf den nächsten rund vierzig Kilometern findet man einen nahezu durchgängigen, schneeweißen Kiesstrand am Fuße der Klippen. Und den hat man fast für sich allein. Denn nur an einer Stelle führt eine steile Treppe runter zum Wasser. Die knapp vierhundert Stufen sind aber nicht jedermanns Sache – und dank der fortschreitenden Erosion sind sie auch nicht jedes Jahr begehbar.
Den ersten ernstzunehmenden Kontakt zur Zivilisation hat man dann in Agios Nikitas, dem schönsten Küstenörtchens Lefkadas und der einzigen Siedlung direkt an der Westküste. Obwohl hier der Tourismus schon lange Einzug gehalten hat, sich Tavernen und Mini-Markets die Gassen teilen, ist es einfach nur schön hier. Während man in Ruhe am Strand oder in einem der Cafés sitzt, kann man seelenruhig dem bunte Treiben zusehen oder sich während einer Tzatziki-Auszeit von den Anstrengungen des Paddlel-Alltags erholen.
Nach dieser malerischen Mittagspause ist es nicht mehr weit, bis man die Lagune von Lefkada-Stadt erreicht. Die alten Windmühlen am Stadt-Strand zeugen davon, dass es hier regelmäßig windet. Auch Kitesurfer haben diesen Spot längst für sich entdeckt. Mit einem begleitenden Swell folgt man nun dem langen Sandstrand bis zur ausgetonnten Zufahrt zum Hafen. Hier befindet sich auch die über siebenhundert Jahre alte Festung der Stadt. Die historischen Mauern eignen sich – Achtung, Geheimtipp – auch für eine wilde Nacht, sollte man einen windgeschützten Platz im Norden der Insel benötigen. Stilecht übernachten kann man alternativ auch in der Marina von Lefkada – mit Palmen und Pool und allem, was das Segel-Herz – Pardon – Paddel-Herz, höher schlagen lässt …
Egal wo man die Nacht verbringt, dem Hauptort der Insel sollte man unbedingt einen Besuch abstatten. Nur sollte man sich nicht von einem der großen Restaurants an der Uferpromenade abfischen lassen. In den engen Gassen von Lefkada verstecken sich gemütliche Tavernen und die eine oder andere Tzipouradiko (die griechische Version der Tapas-Bar), bei deren Besuch man eher von den ausgegebenen Getränke-Runden als von den aufgerufenen Preisen in Ohnmacht fällt.
Endspurt im Osten
Nach einem anstrengenden Abend im Nachtleben von Lefkada-City freut man sich nun auf eine entspannte letzte Etappe entlang der Ostküste. Abgeschirmt von den bis zu 1600 Meter hohen Küsten-Bergen des griechischen Festlands im Osten und den über tausend Meter hohen Inselbergen im Westen, geht es hier meist sehr beschaulich zu. Das Meer ist in der Regel ruhig, es windet nur äußerst selten. Bekommt man anfangs noch die Auswirkungen des urbanen Griechenlands zu spüren, in Form von Zivilisations-Hinterlassenschaften und regem Yacht-Verkehr, öffnet sich die Meerenge gen Süden und zwischen Lefkada und den Nachbarinseln Sparti, Skorpios und Meganissi verbergen sich, zwischen sanften, überraschend grünen Hügeln, einsame Buchten mit glasklarem Wasser.
Am allerschönsten wird es allerdings wieder, kurz bevor man rechts ums Eck abbiegt und in den Heimathafen am Desimi Beach einläuft. Schon von weitem erkennt man den Campingplatz und das Hotel. Am Strand tuckert das traditionelle Fischerboot des örtlichen Fischers vor sich hin, der am Nachmittag die Tavernen der Bucht mit frisch gefangenen Meerestieren beliefert – einem kulinarisch Abschluss der Seekajak-Tour rund um Lefkada steht somit nichts im Wege.
Bei der Kajakschule Outdoordirekt findet man im Frühling wie im Herbst organsierte Seekajakreisen an griechischen Gestaden. Manche der Reisen sind nicht allein Führungsfahrten, sondern zugleich wird man in die Kunst des Paddelns auf Salzwasser unterwiesen. Mehr unter www.outdoordirekt.de.
TEXT & FOTOS: Christian Zicke