Vorab sei gesagt: Es gibt auch andere Textilien, die auf industrieller Ebene aus recycelten Materialien hergestellt werden. Nylon aus gebrauchten Fischernetzen oder Mischfasern aus wiedergewonnener Baumwolle zum Beispiel. Und neue Innovationen sind auf dem Weg. Aber im Vergleich zu recyceltem Polyester, auch rPET, genannt sind diese Materialien immer noch ein Tropfen auf den heißen Stein.
Die Kombination aus Leistungsfähigkeit, Verfügbarkeit und Preis machen Polyester zur weit verbreitetsten Faser in der Textilindustrie. Mehr als die Hälfte der weltweiten Faserproduktion fielen im Jahr 2020 auf das synthetische Material. Inzwischen werden rund 15% davon aus recycelten Quellen gewonnen – vor allem aus gebrauchten PET-Flaschen, in bislang noch geringem Maße auch aus alten Textilien auf Polyesterbasis. Dabei sind die Treibhausgasemissionen bis zu 70% geringer als bei der Produktion aus fossilen Quellen.
Die Non-Profit-Organisation Textile Exchange treibt die Entwicklung zu mehr recyceltem Polyester (rPET) in der Textilbranche voran. In ihrer “Recycled Polyester Challenge 2025” ruft sie ihre Mitglieder dazu auf, bis 2025 einen rPET-Anteil von 45% zu erreichen und bis 2030 auf 90% zu erhöhen. Neben großen Modemarken wie H&M und Gap haben mehrere große Outdoor-Unternehmen wie Norrøna, Prana, REI und The North Face die Herausforderung angenommen. Alle diese Unternehmen verwenden bereits einen großen Anteil an recyceltem Polyester in ihren Produkten, Tendenz steigend.

Wie leistungsfähig ist rPET?
Klima- und Umweltauswirkungen sind ein wichtiger Nachhaltigkeitsaspekt, Langlebigkeit und Funktionalität des Produktes jedoch ein anderer. Wie schlägt sich recycelter Polyester in den rauen Umgebungen, in denen die Ausrüstung über das Gelingen einer Gipfelbesteigung oder einer sorgfältig geplanten Expedition entscheiden kann?
Patagonia war 1993 die erste Outdoor-Marke, die gebrauchte PET-Flaschen zu Fleece verarbeitete. Inzwischen macht recycelter Polyester 88% der Polyestergewebe des Unternehmens aus, wodurch laut Patagonia rund 2 Millionen kg CO2e eingespart wurden. rPET kommt in allen möglichen Produkten von Hardshells über Basisschichten bis hin zu Boardshorts zum Einsatz – ein wichtiger Vertrauensbeweis für diese Faser:
„Bei fast allen Produkten ist die Leistung mit recyceltem Gewebe genauso gut – die Markenhersteller haben also eigentlich keinen Grund, nicht mitzumachen“, meint Patagonia Alpine Ambassador Jon Bracey, der das Feldtest-Programm in Europa leitet. „Im Moment steht der Preis neuer Kunststoffe in keinem Verhältnis zu ihren Auswirkungen auf den Planeten, und das muss sich ändern.“
Das hat auch die schwedische Marke Fjällräven schon vor langem erkannt, die wie Patagonia seit vielen Jahren die Umstellung auf rPET vorantreibt. Hier sind bereits 80% des verwendeten Polyesters recycelt. Mit einem breit gefächerten Sortiment von Bergsteigerausrüstung bis hin zu Urbanwear weiß Fjällräven außerdem nicht nur, wie man Produkte aus wiedergewonnenen synthetischen Fasern herstellt, sondern auch wie sie auf einem breiten Markt verschiedenen Anforderungen und Funktionalitäten gerecht werden.
„Aus einer Qualitätsperspektive war es ziemlich einfach, fabrikneuen Polyester bei den meisten unserer derzeit hergestellten Produkte durch recycelten zu ersetzen“, erklärt Johanna Mollberg, R&D Product Developer bei Fjällräven. “Wir sehen keine entscheidenden Unterschiede in Sachen Robustheit und Funktionalität.”
Während Fjällräven einen hohen Anteil an rPET in seinen Produkten anstrebt, gibt Johanna Mollberg den Verbrauchern zu bedenken, dass dies bei anderen nicht immer der Fall ist: „Verbraucher sollten darauf achten, wie hoch der Anteil an recyceltem Gewebe tatsächlich ist. Kleidungsstücke können als recycelt gekennzeichnet und beworben werden, auch wenn nur ein kleiner Teil davon recycelt ist.“
Hier sind Zertifizierungen eine große Hilfe. Textile Exchange ist für den Global Recycled Standard (GRS) verantwortlich, den in der Branche am weitesten verbreiteten Standard für recycelte Materialien. Wenn Verbraucher das „GRS“ auf dem Etikett eines Produkts sehen, bedeutet das, dass das Produkt mindestens zu 50 Prozent aus recyceltem Material besteht. Und dass Rohstoffe entlang der gesamten Lieferkette zurückverfolgt wurden, um den tatsächlich recycelten Anteil des Textils sicherzustellen und zu garantieren, dass bei seiner Produktion soziale und ökologische Kriterien eingehalten wurden. „Zertifizierungen sind eine hervorragende Möglichkeit, das Vertrauen der Verbraucher in recycelte Materialien zu stärken“, so Johanna.

Mechanisches versus chemisches Recycling
Auch wenn sie sich unterschiedlich stark engagieren – den meisten Outdoor-Marken ist klar geworden, dass rPET das Material der Stunde ist und die naheliegende Alternative zu originärem Polyester darstellt.
Ein weiterer Teilnehmer der “Recycled Polyester Challenge 2025” ist die Ingredient Brand Sympatex, ein führender Hersteller von wasserdichten und atmungsaktiven Membranen, die fast ausschließlich recycelte Materialien enthalten. Trotz der hohen Leistungsanforderungen an das technische Material ist Sympatex davon überzeugt, dass rPET die Erwartungen erfüllen kann:
„Wir bieten unseren Kunden seit vielen Jahren mit recycelten Laminaten zufriedenstellende Lösungen im Leistungsbereich an“, erklärt Carina Dietrich, Brand Management & Business Development Lead bei Sympatex. „Recycelte Materialien werden in vielerlei Hinsicht unseren hohen Standards sowohl in puncto Leistung als auch mit Blick auf die Nachhaltigkeit gerecht, weshalb sie inzwischen einen großen Teil unseres Standardportfolios ausmachen. Wir sind optimistisch, dass wir bis 2030 den Kreis zu 100 Prozent schließen können und dann nur noch wiedergewonnenes Polyester verwenden, und zwar zu einem großen Teil aus recycelten Laminaten.“
Aber wie viele andere hat Sympatex auf diesem Weg gelernt, dass die beiden wichtigsten Verfahren zum Recycling von Polyester – das mechanische und das chemische Verfahren – jeweils wesentliche Stärken und Schwächen haben.
Beim mechanischen Recycling werden, wie der Name schon sagt, gebrauchte Kunststoffe mechanisch zu Schnipseln oder Pellets zerkleinert, die dann zu neuen Fasern gesponnen werden können. Beim chemischen Recycling wiederum werden Chemikalien eingesetzt, durch die gebrauchte Kunststoffe in ihre Elemente aufgespalten werden.
Mechanisches Recycling hat den Vorteil, dass es eine einfache, kosteneffiziente Technologie ist. Allerdings müssen die Rohstoffe zuerst sorgfältig gereinigt werden, da andernfalls Verunreinigungen in die fertigen Fasern gelangen können. Beim chemischen Recycling werden hingegen auch verschmutzte Kunststoffe effektiv gereinigt, sodass die erzeugten Fasern im Prinzip so gut sind wie fabrikneue. Dafür lässt sich diese Technologie schwer in größeren Maßstäben umsetzen und ist außerdem mit einem erheblich höheren Energieverbrauch verbunden.
Während beide Verfahren weniger Treibhausgasemissionen erzeugen als Polyester auf fossiler Basis, verursacht mechanisches Recycling am wenigsten und ist derzeit in der Branche das Verfahren der Wahl: „Mechanische Recyclingtechnologien für Polyester sind gut entwickelt und seit vielen Jahren im Einsatz, es findet eine effektive Sammlung von Ausgangsmaterialien wie PET-Flaschen an vielen Orten weltweit statt und es gibt eine Lieferkette, die bereits recycelte Polyestermaterialien verwendet und implementiert“, so Carina Dietrich.

Droht ein PET-Flaschen-Engpass?
Aber auch wenn viele gerne auf den rPET-Zug aufspringen wollen, sind nicht alle gleichermaßen optimistisch, was seine Zukunftsaussichten angeht. Aufgrund der hervorragenden Qualität, der geringen Kosten und der Verfügbarkeit von rPET aus mechanisch recycelten PET-Flaschen befürchten viele einen bevorstehenden Versorgungsengpass, da die steigende Nachfrage innerhalb und außerhalb der Textilindustrie voraussichtlich bald das Angebot übersteigen wird.
Hinzu kommt, dass PET-Flaschen zwar beliebig oft zu neuen PET-Flaschen recycelt werden können, ihr Recycling zu Textilien derzeit aber in einer Sackgasse endet, da die meisten Textilien am Ende ihrer Nutzungsdauer immer noch auf der Deponie landen.
Deshalb wird vermehrt in die Entwicklung von Sekundärabfallströmen investiert, welche die eigenen Abfälle der Textilindustrie einschließen, wodurch gebrauchte Verbrauchertextilien chemisch zu neuen Fasern recycelt werden können.
Auch wenn sie sich der hiermit verbundenen Herausforderung bewusst ist, hat Dr. Kate Riley, Fiber & Materials Strategy Lead bei Textile Exchange, keinen Zweifel, dass die Realisierung eines kommerziellen chemischen Recyclings von Textilien unumgänglich ist:
„Um die Klimaziele erreichen zu können, müssen wir von Flaschen als Ausgangsmaterial zu Textilien als Ausgangsmaterial übergehen. Gerade finden spannende Entwicklungen statt, aber es gibt immer noch Begrenzungen in Bezug auf die Kapazität und die kommerzielle Umsetzung. Wir hoffen, dass sich das in Zukunft ändert.“