Bike, Fels und Schotter

Rockhead: neue Gravelbike-Tour im südöstlichen Sachsen

Der südöstliche Zipfel Sachsens ist geologisch hochinteressant. Hier türmen sich Sandsteinwände und Felsköpfe auf, erloschene Vulkane können bestiegen werden und im renaturierten Braunkohletagebau wird gebadet. Den besten Überblick verschafft man sich mit dem Fahrrad – zum Beispiel auf der neuen siebentägigen Gravelroute RockHead. Wir sind von der Sächsischen Schweiz zum Zittauer Gebirge und wieder zurück gefahren.

Stadt Wehlen – Zittau (und wieder zurück)

Gravelbike-Tour durch Sächsische Schweiz und Oberlausitz

320 Kilometer auf 7 Etappen
4700 Höhenmeter
120 Kilometer Schotter
Zelten oder Pensionen

Bikepacking Sächsische Schweiz
Portrait Sebastian und Moritz

Sebastian & Moritz

Sebastian (links) verbringt seine Urlaube am liebsten mit seiner Frau und seinen beiden Kindern bei Familien-Radreisen in Frankreich. Für Moritz (rechts) war das Gravelbike vor der RockHead-Tour in erster Linie ein Sportgerät für Feierabendrunden.

Highlight 01

Stadt Wehlen + Elbfähre

Nur etwa zehn Kilometer die Elbe hinauf, in Richtung tschechische Grenze, habe ich mich schon einmal durch die Schwedenlöcher gezwängt, meine ersten Klettererfahrungen im Sächsischen Sandstein gemacht – nicht ohne ordentlich ins Schwitzen zu kommen – und den Sonnenaufgang auf der Bastei bewundert. Kein Wunder also, dass Globetrotter hier im Nationalpark Sächsische Schweiz bereits zum siebten Mal seinen Wandertag veranstaltet – schließlich zählt diese Region zu den schönsten Wander- und Trekkinggebieten Deutschlands.

Trotz der Nähe werden wir dieses Mal nicht dort unterwegs sein. Stattdessen erleben wir die beeindruckenden Felsformationen meist aus der Ferne, denn unsere Reise erfolgt auf zwei Rädern auf der neu geschaffenen RockHead-Graveltour. Von der Sächsischen Schweiz bis ins Zittauer Gebirge und zurück führt der Weg, meist über Nebenstraßen und oft auch über Schotter.

Im Hof des ehemaligen Postamts in Stadt Wehlen glänzen unsere Bikes neben einer restaurierten Simson. In Rahmentaschen, Lenkerrollen und Arschrakete haben wir unser Gepäck samt Zelt aerodynamisch verstaut. Dann geht es über das Kopfsteinpflaster los: Wir genießen den menschenleeren Marktplatz, rollen die kleine Gasse zur Elbe hinunter und setzen stilecht mit der kleinen Personen-Fähre über. Das sind die einzigen Meter der gesamten Tour, die wir nicht aus eigener Kraft zurücklegen. Kann eine Radtour besser beginnen? NEIN!

Highlight 02

Felsenlabyrinth Langenhennersdorf

Wir haben die ersten 15 Kilometer hinter uns. In einem Waldstück ein paar Hundert Meter abseits der Route liegt das Felsenlabyrinth Langenhennersdorf. Wir parken unsere Fahrräder am Fuß der Sandsteinformation und genehmigen uns erst mal einen großen Schluck Wasser und einen Riegel. Das Thermometer zeigt heute knapp 30 Grad an. Es tut gut, etwas Zeit im Schatten zu verbringen. Dann tauchen wir zu Fuß in eine Welt aus riesigen Felsblöcken, verwinkelten Pfaden und engen Durchgängen ein. Wir folgen der Nummerierung durch das Labyrinth. Einige Passagen sind so eng, dass wir uns seitlich hindurchschieben müssen. Wer Platzangst hat, kann die Nadelöhre aber auch umgehen. Wenig später stehen wir auf einem großen Felsblock, von dem aus wir einen tollen Blick über dieses Naturwunder haben. Auch wenn das Felsenlabyrinth sicher kein Geheimtipp ist, sind wir heute fast alleine hier.

Circa zwei Kilometer vor dem Felsenlabyrinth haben wir den Biwakplatz Nikolsdorf passiert. Hier verläuft der RockHead entlang des bekannten Fernwanderwegs Forststeig. Von dem Biwakplatz aus hat man einen spektakulären Ausblick auf die Festung Königstein.

Highlight 03

Schwimmbad Rosenthal

Die Sonne brennt und treibt das Thermometer locker über die 30-Grad-Marke, der Aufstieg aus dem Elbtal lässt uns schwitzen. Ganz klar, es wäre Zeit für eine Abkühlung. Zwischen Feldern fahren wir nach Rosenthal ab, unweit des sehr touristischen Bielatal mit seinen imposanten Felstürmen, ist es hier idyllisch ruhig. Auf die Frage: »Wo man hier Abkühlung findet?« schickt uns eine ältere Frau die Hauptstraße hinunter. Unsere Trinkflasche sollen wir aber ihr geben, ehe wir uns mit dem Bachwasser den Magen verderben. Das tun wir und radeln dann zum Alten Freibad Rosenthal. Es wird gespeist durch den Rosenthaler Bach, hat eine sehr ausgeprägte grüne Färbung, aber auch eine hervorragende Badewassertemperatur für diesen warmen Frühsommertag. Ein älteres Ehepaar zieht seine Bahnen und so trauen auch wir uns – obwohl wir kaum einen Meter weit sehen können – ins kühle Nass.

Nach einer ausgiebigen Mittagspause im Gras des Freibads brechen wir wieder auf und nehmen auf einem Abstecher auch noch einige Felsformationen und eine steile Rampe im Bielatal mit.

Highlight 04

Papstdorf + Cunnersdorf

Kurz hinter Rosenthal wartet der letzte Anstieg des Tages auf uns. Obwohl es nur 50 Höhenmeter sind und wir uns gerade erst im Naturfreibad abgekühlt haben, kommen wir ordentlich ins Schwitzen. Am höchsten Punkt angekommen, macht sich Erleichterung breit. Denn: Ab hier geht es quasi nur noch bergab. Auf einem größtenteils perfekt asphaltierten Weg rauschen wir durch endlose Mischwälder der Elbe entgegen. Zwischendurch erhaschen wir einen Blick auf die Tafelberge Königstein und Lilienstein – typisch Elbsandsteingebirge.

In Papstdorf merken wir, dass der Hungerast an uns nagt und unsere Vorräte ziemlich erschöpft sind. Keine gute Kombination. Doch eine Lösung ist schnell gefunden: Am örtlichen Snackautomaten holen wir uns kalte Getränke (u.a. Vita Cola), ein Stück Käse von einer lokalen Käserei, eine Tüte Bemmchen (herzhafte Vollkorn-Brotchips) und ein Paket Kalter Hund zum Nachtisch. Wir setzen uns in den Schatten und verputzen unsere Vorräte innerhalb weniger Minuten. Frisch gestärkt nehmen wir die letzten zehn Tageskilometer in Angriff und werden dabei noch mit einem Blick auf die stark zerklüfteten Schrammsteine belohnt.

Highlight 05

Sebnitz + Schwarzbachtal

Bei der Ausfahrt aus Bad Schandau teilen wir uns die Straße mit dem morgendlichen Berufsverkehr – Gott sei Dank nur wenige Kilometer. Eine wohltuende Abwechslung bietet kurz darauf das idyllische Schwarzbachtal, nahezu autofrei gewinnen wir zwischen Wiesen und später auf einem alten Bahndamm Höhe. Wir machen einen kurzen Wanderausflug zur hoch über dem Tal liegenden Ruine des Goßdorfer Raubschloss. 

Wir sind im Morgengrauen gestartet, denn gegen Nachmittag soll die sommerliche Hitze Gewitter bringen. So erreichen wir Sebnitz zum zweiten Frühstück. Im Pasta-Stand auf dem restaurierten Markplatz werden noch die Zwiebeln für die Bolognese geschnitten – zu schade, wir hätten dankend unseren Kohlenhydratehaushalt aufgefüllt. Wir begnügen uns mit Baiser-Flamingo und belegten Brötchen. Die Bäckereiverkäuferin ist sich sicher, dass wir mindestens für eine Schulklasse einkaufen – weit gefehlt, gute Frau. Fahrradfahren macht hungrig.

Highlight 06

Goethekopf + Umgebindehäuser

Schon aus einiger Entfernung erspähen wir ihn: den Großen Stein. Der 471 Meter hohe Berg liegt auf einem Feld kurz hinter Spitzkunnersdorf und ist vulkanischen Ursprungs. Er hat zwei Felsgipfel, von denen der kleinere wegen seiner Ähnlichkeit zur Silhouette des berühmten Dichters Goethekopf genannt wird. Wir kämpfen uns einige Höhenmeter die Wiese hinauf und lassen dann die Räder am Fuß des Berges stehen. Zu Fuß geht es in wenigen Minuten steil hinauf zum Gipfel. Von hier haben wir einen unglaublichen Ausblick in die Oberlausitz und bis hinüber nach Polen und Tschechien. Wir tragen uns in das Gipfelbuch ein und genießen noch eine Weile das Panorama. Danach machen wir uns an den Abstieg und fahren anschließend nach Großschönau ab. In einem Biergarten direkt am Weg machen wir Mittagspause und lassen uns lokale Köstlichkeiten wie Gulasch mit Klößen schmecken.

Das Stadtbild von Großschönau ist – so wie in vielen Ortschaften der Region – durch die Umgebindehäuser geprägt, die größtenteils zwischen 1760 und 1850 entstanden. Dabei handelt sich um eine besondere Art von Häusern, die Blockbau-, Fachwerk- und Massivbauweise miteinander verbindet. Diese Architektur kombiniert die slawische Blockstube mit dem fränkischen Fachwerk. Das Umgebinde besteht aus Holzstützen, Schwellbalken und Kopfbändern. Auf dieser tragenden Konstruktion vor der Blockstube im Erdgeschoss ruhen das Fachwerkobergeschoss und das Dach. Oft werden die Häuser, in denen früher hauptsächlich Weberfamilien lebten, durch Türrahmen aus Sandstein oder Granit verziert.

Highlight 07

Hochwaldbaude + Hochwaldturm

Quäl dich! Der Hochwald ist der höchste befahrbare Punkt im Zittauer Gebirge. Insbesondere der kurze Stich von der Ortschaft Hain hinauf zum Gipfel ist für uns der Endgegner. Auf rund einem Kilometer Strecke werden 150 Höhenmeter fällig. Laut Karte mit maximal 16 Prozent Steigung, lässt unser abhebendes Vorderrad darauf schließen, dass es zumindest in kurzen Stücken auch 20 Prozent sein könnten. Immerhin ist dieser Abschnitt geteert. Mit dem Gepäck am Rad hätten wir sonst wahrscheinlich schieben müssen. 

In der urigen Hochwaldbaude kehren wir ein. Der beeindruckende Blick reicht bis weit nach Tschechien und Polen. Auch Zittau, unser Etappenziel, können wir bereits sehen. Erst einmal heißt es aber Kalorien nachladen: Vanilleeis, Apfelmus, Sahne und ein gehöriger Schuss Eierlikör – der Schwedenbecher kann sich sehen lassen. Namensgebung fraglich, Geschmack beachtlich. 

Der Hochwald – immerhin 730 Meter über dem Meeresspiegel – besteht aus einem Doppelgipfel. Beide gekrönt mit einem Gasthaus, eines sogar mit Turm. Die 25 Meter in 136 Stufen können uns nun auch nicht mehr schocken.

Highlight 08

Kloster Oybin + Kelchsteine

Ein absoluter Höhepunkt der Tour sind die Kelchsteine kurz vor Oybin: Wie riesige Pilze stehen die knapp 20 Meter hohen Sandsteintürme im Wald. Wir nehmen uns Zeit, dieses Naturdenkmal in aller Ruhe zu erkunden und beobachten eine ganze Weile eine Gruppe von Kletternden, die sich nach und nach dem Gipfel entgegenarbeiten. Von hier führt die Route auf der Bürgerallee bergab durch einen dichten Wald, in dem noch mehrere weitere spektakuläre Felsformationen direkt am Wegesrand liegen. Es fühlt sich an, als würden wir durch eine Filmkulisse fahren.

Als wir den Wald verlassen, erhaschen wir das erste Mal einen Blick aus der Nähe auf die Ruinen der Burg Oybin, die Kaiser Karl IV. zu seinem Alterssitz ausbauen ließ, und eines Cölestiner-Klosters, das 1369 gegründet wurde. Beide thronen stolz auf dem Sandstein-Tafelberg Oybin, gleich oberhalb der gleichnamigen Ortschaft. Doch uns bleibt nur wenig Zeit, um die Szenerie aufzusaugen. Innerhalb kürzester Zeit verdunkelt sich der Himmel und es fängt an wie aus Eimern zu regnen. Zum Glück finden wir in der belebten Einkaufsstraße schnell ein Café, in dem wir das Gewitter bei hausgemachter Torte abwettern können.

Highlight 09

Zittau + Olbersdorfer See

Eingekesselt von einer zweiten Gewitterfront stürzen wir uns in die Abfahrt. Wald- und Feldweg wechseln sich ab. Die Einfahrt in die Zivilisation übersehen wir, denn die Routenführung ist hier so geschickt, dass man jeglichem Verkehr ausweicht. Unerwartet taucht der Olbersdorfer See und damit Zittau auf. In einem ehemaligen Tagebau ist hier ein stadtnahes Freizeitparadies inklusive Seecamping mit Badestrand entstanden: unser Tagesziel. Wir beschließen zwischen Zeltaufbau und Abendessen in der Stadt noch ein Bad einzuschieben.

Zittau liegt im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien. Den Steinwurf ins Nachbarland kann man hier wörtlich nehmen. Wir flanieren eine Zeit lang durch die Altstadt und entscheiden uns schlussendlich für Pizza statt Knödel und ein Tiramisu als Nachtisch.

Von Zittau führt die RockHead-Route gen Norden, ehe sie dann wieder nach Westen zurückführt. Ungefähr die Hälfte der Strecke hat man hinter sich und könnte auch, dank guter Bahnanbindung, hier starten, die Tour beenden oder Teile der Strecke überspringen.

Highlight 10

Burg Stolpen + Wesenitztal

Kurz vor Stolpen kommen wir an einem großen Obst-Bauernhof vorbei. Wir nutzen die Gelegenheit und kaufen im Hofladen einen Korb Erdbeeren. Im Schatten einer Eiche vertilgen wir die frischen Früchte und lassen dabei die letzten Tage Revue passieren: so viele Eindrücke, so viele Erlebnisse, so viel Natur. Unsere Highlights waren die Kelchsteine und die Hochwaldbaude.

Dann geht es weiter nach Stolpen. Wir fahren durch den mittelalterlichen Stadtkern und dann die letzten Meter zur über 800 Jahre alten Burg hinauf. Die Besonderheit: Vor allem auf der westlichen Seite tritt kantig-schroffer Säulenbasalt hervor, der vom vulkanischen Ursprung des Burgberges zeugt. Beim Anblick fühlt man sich in eine Szenerie aus der TV-Serie Game of Thrones versetzt.

Nach der Stadtbesichtigung beginnt eine traumhafte Abfahrt durch das idyllische Wesenitz-Flusstal. Offene Feldwege wechseln sich mit schattigen Waldstücken ab. An der Daubemühle, einer denkmalgeschützten Wasserkraftanlage, fahren wir kurz steil hinab in das tief eingeschnittene Tal und auf der anderen Seite ebenso steil wieder hinauf. Nach einem letzten knackigen Anstieg hinter Zatzschke folgt eine zwei Kilometer lange Abfahrt zurück zum Ausgangspunkt unserer Tour: Stadt Wehlen.

Gravelbiken in Sachsen

Naturnah oder urban-geprägt zwischen Seen und Wäldern

Sachsen und Natur, das ist für viele gleichbedeutend mit den beeindruckenden Felsformationen der Sächsischen Schweiz. Und das zu Recht, denn das Elbsandsteingebirge sucht bundesweit seinesgleichen. Insbesondere für Radenthusiasten bietet der Freistaat jedoch viele weitere attraktive Strecken und Regionen.

So wartet die Grenzregion zu Tschechien und Bayern mit Mittelgebirgs-Charakter auf. Sanfte Hügel verstecken hier hübsche Orte und bieten weite Ausblicke. Sowohl im Vogtland als auch im Erzgebirge warten vielfältige Routen. Hier ist es so schön, dass auch Globetrotter 2024 das Gravel Camp Erzgebirge veranstaltete.

Die ehemalige Tagebauregion rund um Leipzig hat sich in den letzten Jahren zu einem Eldorado für Outdoorliebende entwickelt. Wassersportler:innen finden im Leipziger Neuseenland diverse untereinander verbundene Seen und sogar eine Wildwasser-Anlage. Gravelbiker:innen, die auf flacher Piste richtig Gas geben wollen, sind hier genau richtig. Mit Leipzig hat man eine angesagte Stadt mit buntem Kulturangebot als Basislager.