Grüne Städte auf der ganzen Welt:
Sydney ist Vorreiter

Grüne Städte sind im Kommen

Der Begriff „Renaturierung“ bezieht sich in der Regel auf die Revitalisierung großer Naturgebiete in ländlichen Gegenden. Der neueste Trend ist jedoch, dass auch Städte grüner werden, da sowohl die Temperaturen als auch die Stadtbevölkerung weltweit steigen. Sydney ist eine der Städte, die jetzt mehr und mehr verwildert.

Wenn die Flugzeuge über Sydney hinwegfegen, sind die ikonische Harbour Bridge und das Opernhaus durch die Fenster zu sehen. Die Stadt mit ihren über fünf Millionen Einwohnern wächst rasant. Auch die grünen Flecken im Betondschungel werden immer sichtbarer. Wälder und Vegetation sind auf dem Vormarsch, denn es werden neue Parks angelegt und Bäume gepflanzt.
Rewilding ist kein neues Konzept – es wurde bereits in den 1970er Jahren entwickelt und umfasst die ökologische Wiederherstellung, um die Artenvielfalt zu erhöhen und natürliche Prozesse wiederherzustellen. Es geht dabei um große Land- und Meeresgebiete, die mit menschlicher Hilfe wiederhergestellt werden. Überall auf der Welt – auch in vielen Teilen Europas – werden Projekte durchgeführt, zum Beispiel von der Rewilding Europe Foundation, die riesige Gebiete von Portugal im Süden bis Lappland im Norden renaturiert.

Die Städte sind die nächsten

In letzter Zeit liegt der Schwerpunkt jedoch auf den Metropolen der Welt – kein Zufall, denn immer mehr von uns ziehen in große Städte. Schon heute ist mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung aus ländlichen Gebieten weggezogen, und Schätzungen zufolge werden bis 2050 sieben von zehn Menschen in einer Stadt leben. Wenn wir so weitermachen wie bisher, Betonkomplexe bauen und Grünflächen pflastern, wird die Durchschnittstemperatur in den Städten weiter ansteigen und die Verfügbarkeit von sauberem Wasser und sauberer Luft für die Bewohner abnehmen. Milliarden von Menschen sind auf einen raschen Wandel angewiesen. Und es sieht so aus, als würde er stattfinden, zumindest in einigen Städten der Welt. Bäume, Parks und städtische Wälder haben eine Reihe von Vorteilen für unsere modernen Gesellschaften. Bäume spenden nicht nur Schatten und Kühle. Zusammen mit Feuchtgebieten wirkt die Vegetation auch als Schwamm bei Regen und verhindert Überschwemmungen. Und in Zeiten weit verbreiteter psychischer Erkrankungen bieten Parks und Neuanpflanzungen eine Möglichkeit, um Erholung und Entspannung zu finden.

Neue Gärten für Körper und Seele

Ein Beispiel dafür sind die von den Sydney Botanic Gardens ins Leben gerufenen Gemeinschaftsbegrünungsprogramme. Die Teilnehmenden berichten in Umfragen, dass sie sich psychisch deutlich besser fühlen und dass die Programme positive Auswirkungen auf die Gemeinschaft haben. Die Teilnehmer arbeiten zusammen, um Gärten und andere Grünflächen in verschiedenen Teilen Sydneys anzulegen. Die Programme konzentrieren sich auf die heilende Wirkung der Gartenarbeit, erweitern die Grünflächen der Stadt und stärken gleichzeitig den Einzelnen – der oft aus benachteiligten Gebieten kommt -, indem sie die Bindungen zwischen den Teilnehmern und der Gemeinschaft stärken.

“Die Programme haben eine direkte Auswirkung auf die geistige und körperliche Gesundheit“, sagt Phil Pettitt, Community Greening Manager bei den Sydney Botanic Gardens. Sydney hat beschlossen, bis zum Jahr 2050 40 % der Stadt mit Grünflächen zu bedecken, derzeit sind es 33 %. Tausende von neuen Bäumen werden gepflanzt und 60 Parks und Erholungsgebiete werden geschaffen oder erweitert.

Sydney Park Urban Wetlands – 2015 und  2024

Wettbewerb um Land

Karen Sweeney, Sydneys Urban Forest Manager, leitet die Bemühungen zur Begrünung der Stadt. Ihr zufolge ist die Ausweitung der Grünflächen eine schwierige Aufgabe, denn wie in den meisten Großstädten gibt es ein Tauziehen zwischen verschiedenen Interessen um die wenigen verbliebenen Freiflächen. Deshalb ist es wichtig, über den Tellerrand hinauszuschauen – zum Beispiel in Bezug auf die Höhe. “Immer mehr private Grundstückseigentümer, Planer und Architekten wollen Grünflächen auf den Dächern schaffen, die wiederum Insekten und Wildtiere anziehen”, sagt sie.

Die Wahl der richtigen einheimischen Baumarten ist eine weitere Herausforderung, da sich das Klima erwärmt und viele früher gepflanzte Bäume abgestorben sind. “Wir müssen bedenken, wie das Klima in Zukunft sein wird und welche Baumarten dort gedeihen werden.”

Der Westen Sydneys braucht mehr Kühle

Karen Sweeney sagt, dass der Schatten, den die Bäume spenden, die Durchschnittstemperaturen um bis zu 10 Prozent senken kann. Sozioökonomisch benachteiligte Gebiete wie der Westen Sydneys sind oft dicht bebaut und betonlastig. Im Sommer können die Temperaturen in diesen Gebieten die 40er-Marke erreichen. Daher werden in diesen Brennpunkten, in denen der Bedarf an einer Temperatursenkung am größten ist, vor allem Bäume gepflanzt.

In Sydney gibt es auch alte Industriegebiete, die nach ihrer Erschließung immer einen gewissen Anteil an Parkland und anderen Grünflächen haben werden. Heutzutage dürfen Bauträger keine neuen Gebäude mehr errichten, ohne sie mit Grünflächen zu umgeben. “Sydney hat bei seinen Begrünungszielen eine Vorreiterrolle übernommen”, sagt Karen Sweeney. “Jetzt schauen andere Städte auf uns, um in Sydneys Fußstapfen zu treten.”

Grüne Städte: Urban Rewilding

Da die Großstädte der Welt in einem Rekordtempo wachsen, werden jetzt Anstrengungen unternommen, um natürliche Lebensräume in städtischen Umgebungen wiederherzustellen, damit Natur und Menschen in größerem Umfang koexistieren können. Gleichzeitig bringt die Wiederbegrünung von Städten eine Reihe von Vorteilen mit sich, wie z. B. eine größere Artenvielfalt und sich selbst erhaltende Ökosysteme, die auch auf sozialer Ebene das Zusammenleben verbessern. Rewilding wirkt auch den Bedrohungen durch Überschwemmungen und steigende Temperaturen entgegen.


5 Beispiele für die Begrünung von Städten

Singapur

Singapur wird auf vielen Listen als eine der grünsten Städte der Welt geführt. Neben sauberem Wasser und sauberer Luft investiert die Stadt massiv in Grünflächen: Bis 2030 sollen eine Million Bäume gepflanzt werden. Gleichzeitig wird immer mehr Müll recycelt, Schulen werden kohlenstoffneutral, und das sonnenreiche Land investiert massiv in Solaranlagen.

London

Das Vereinigte Königreich gehört nicht gerade zu den Spitzenreitern, wenn es um den Erhalt der Wälder des Landes geht, die im Laufe der Geschichte vernachlässigt wurden. Mit dem Programm London Environment Strategy, das vorsieht, bis 2050 die Hälfte der Stadt mit Grünflächen zu bedecken, Parks und Gärten anzulegen, Flüsse zu säubern und einheimische Arten wieder anzusiedeln, will London diese schlechte Bilanz verbessern.

Medellin

Medellin will seinen schmutzigen Ruf als Kokainhauptstadt Kolumbiens durch einen neuen nachhaltigen Schwerpunkt loswerden. Die Stadt ist jetzt als Lateinamerikas „Ökostadt“ oder „grüne Stadt“ bekannt. Grüne „Lungen“ und Gebäude sind zum neuen Trend in Medellin geworden, und Architekten und Designer wetteifern darum, wer die besten nachhaltigen und grünen Gebäudekonzepte vorlegen kann. Selbst ältere Gebäude werden vielerorts begrünt, da sich der neue Trend durchsetzt.

Harbin

Harbin, in der nordostchinesischen Provinz Heilongjiang gelegen, ist ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Die Stadt, in der es in den Sommermonaten viel regnet, verfügt über ein Feuchtgebiet im Stadtzentrum, in dem Wasser aufgefangen, gefiltert und in der Stadt genutzt wird. Das Feuchtgebiet ist zu einer Basis für Ökosystemleistungen in der Region und zu einem wichtigen Erholungsraum für die Einwohner geworden.

Medellin

Medellin will seinen schmutzigen Ruf als Kokainhauptstadt Kolumbiens durch einen neuen nachhaltigen Schwerpunkt loswerden. Die Stadt ist jetzt als Lateinamerikas „Ökostadt“ oder „grüne Stadt“ bekannt. Grüne „Lungen“ und Gebäude sind zum neuen Trend in Medellin geworden, und Architekten und Designer wetteifern darum, wer die besten nachhaltigen und grünen Gebäudekonzepte vorlegen kann. Selbst ältere Gebäude werden vielerorts begrünt, da sich der neue Trend durchsetzt.

San Fransico

Die Stadt – und Kalifornien – steht seit langem an der Spitze der Umweltbemühungen. San Francisco hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2045 kohlenstoffneutral zu sein. Ein wichtiger Bereich ist die Wiederbegrünung, d. h. die Wiederherstellung von Feuchtgebieten und in jüngerer Zeit die Schaffung grüner Korridore zur Erhöhung der Artenvielfalt. Bis 2040 soll etwa ein Viertel der Stadtfläche begrünt werden.

Text: Johan Augustin
Fotos: Marc Metcalfe / Abril Felman / Paul Patterson / Will Jones
Inhaltsverzeichnis
Inhalts-
verzeichnis