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Re:Think Retail:
Globetrotter setzt seine Reuse-Reise mit dem neuen Store in Ulm fort

In den letzten Jahren hat Globetrotter immer wieder die Gestaltung seiner Filialen neu gedacht. Am neu eröffneten City Store in Ulm sind wiederverwertete Elemente in das Design integriert, die eine einzigartige Atmosphäre schaffen und gleichzeitig einen Einblick in die zirkuläre Zukunft des Einzelhandels bieten.

Wer den neuen Globetrotter-Store in Ulm betritt, nur wenige Minuten vom Münster entfernt, spürt sofort, dass dieser Ort anders ist: kreativ, bunt und unverwechselbar einzigartig. Kleine gelbe Post-it-Zettel geben aufmerksamen Besuchern erste Hinweise: „Einfall statt Abfall“, „Re:used“ oder „Vorhang auf für Nachhaltigkeit“ steht darauf.

„„Alles raus und neu, das ist für uns kein zeitgemäßer Ansatz mehr. Daher priorisieren wir bei der Gestaltung unserer Filialen die Wiederverwendung von Bestandsmöbeln oder die gezielte Anschaffung gebrauchter Teile“, erklärt Fabian Nendza, Sustainability Manager bei Globetrotter.

In der Praxis bedeutete dies, dass sich die Konrad Knoblauch GmbH, die das Projekt als Generalunternehmer umsetzte, zunächst einen Überblick über die verfügbaren Ressourcen und Materialien verschaffen musste.

„Unter anderem standen uns Möbel aus dem alten Ulmer Laden aus den 1990er Jahren, aus anderen Globetrotter Filialen und einige gebrauchte Möbel zur Verfügung“, erinnert sich Innenarchitektin Antje Uebele.

„Zunächst musste ich ein stimmiges Konzept erstellen und schauen, welche Möbelstücke noch fehlten und wo ich sie herbekommen konnte. Vor allem diese Recherche war eine große Herausforderung.“

Reuse im Einzelhandel: Im neuen Ulmer Store wurden zahlreiche Materialien und Möbel wiederverwendet.

Re:use weitergedacht – mit zirkulären Services

So wurden beispielsweise Unikate wie eine ausrangierte Werkbank aus einem Hamburger Café aus dem Sperrmüll gerettet. Insgesamt konnten laut wissenschaftlicher Untersuchung durch die Cradle-to-Cradle-Experten der Environmental Protection Encouragement Agency (EPEA) erhebliche CO2e-Emissionen vermieden und Ressourcen geschont werden.

Mit rund 790 m² Verkaufsfläche auf zwei Etagen bietet der neue Globetrotter-Store in Ulm nicht nur ein besseres Einkaufserlebnis als das alte Ladengeschäft, sondern auch ein zahlreiche Services mit Nachhaltigkeitsbezug: Neben einer „Clubhütte“, die mit zahlreichen Workshops und Vorträgen einen Treffpunkt für die Ulmer Outdoor-Szene bietet, gibt es auch einen großen Second-Hand-Bereich und eine Werkstatt.

„Mir und dem Team war es auch wichtig, dass der Laden ein Gefühl von Qualität vermittelt und nicht zusammengewürfelt wirkt.“

Der Bonner Re:Think Store als Vorbild

Vorbild für den neuen Laden war der erste Globetrotter Re:Think Store, der im Frühjahr 2023 in Bonn eröffnet wurde.

„Im Einzelhandel läuft es normalerweise so: Bevor ein neuer Laden eröffnet wird, werden die Räumlichkeiten komplett umgestaltet. Materialien wie Wandverkleidungen und Bodenbeläge sowie Möbel wie Regale, Kleiderständer und Theken landen oft im Müll – und das, obwohl sie eigentlich noch verwendet werden könnten. Das verschwendet wertvolle Ressourcen, und das wollten wir ändern“, berichtet Fabian Nendza.

Anstatt bei Null anzufangen, behielt Globetrotter die meisten Einrichtungsgegenstände des Vormieters des Standorts in Bonn, Conrad Electronic, und nutzte sie kreativ wieder. So wurden beispielsweise alte Staubsaugerhalter zu Rucksack-Halterungen. Ergänzt wurde die Einrichtung durch weitere gebrauchte Materialien und Möbel, die zum Teil aus dem Globetrotter-Hauptlager und anderen Filialen stammten.

Abgerundet wurde das Re:Think-Konzept auch hier durch nachhaltige Angebote wie eine hauseigene Reparaturwerkstatt und die bislang größte Secondhand-Verkaufsfläche in einer Globetrotter-Filiale.

Auf Post its wird das Reuse-Konzept erklärt.

Überall im Store sind Post its zu finden, die mehr über die wiederverwendeten Materialien verraten.

Reuse auch bei den Vorhängen.

Auch für die Umkleiden wurden gebrauchte Materialien verwendet.

Alte Werbebanner wurden als Vorhänge wiederverwendet.

Sie bestehen aus alten Werbebannern.

Ein nachhaltigeres Ladendesign – wissenschaftlich getestet

„Das gesamte Projekt rund um den Re:Think Store in Bonn hat uns gezeigt, dass es möglich ist, einen Laden fast ausschließlich mit gebrauchten Materialien zu gestalten“, sagt Fabian Nendza.

„Was wir jedoch nicht wussten, war, wie nachhaltig das Ganze war. Genau das wollten wir herausfinden und haben daher die Experten von EPEA hinzugezogen, um das Projekt wissenschaftlich zu begleiten.“ Das Unternehmen wurde 1987 durch Prof. Dr. Michael Braungart als internationaler Innovationspartner für umweltverträgliche Produkte, Prozesse, Gebäude und Stadtquartiere entwickelt. Ziel der EPEA GmbH – Part of Drees & Sommer  ist es, das Cradle to Cradle® Designprinzip für die Kreislaufwirtschaft in allen Industriebranchen zu etablieren.

In Zusammenarbeit mit den Zirkularitäts-Experten entstand die Idee, einen „Circularity Passport Interiors“, kurz CPI, zu entwickeln. Ziel dieses Passes ist es, transparent darzustellen, welche Produkte und Materialien in der Innenausstattung verwendet wurden und wie groß deren ökologischer Fußabdruck ist. So lassen sich verschiedene Gestaltungsansätze künftig hinsichtlich ihres ökologischen Fußabdrucks vergleichen und optimieren.

In Bonn wurden im Vergleich zu einem vergleichbaren Ladenbauprojekt rund 97 Prozent CO2e eingespart.

„Dass wir die gesamte Einrichtung vom Vormieter übernehmen konnten, war für uns ein echter Glücksfall, der sich nicht in jedem Projekt wiederholen lässt“, erklärt Fabian Nendza.

„Die guten Ergebnisse haben uns jedoch ermutigt, das Gelernte auf neue Projekte anzuwenden, wie zum Beispiel die Werkstatt im Erlebnis-Store in Köln – und jetzt auch in Ulm.“

Die Learnings fließen in die Designstrategie von Globetrotter ein

Auch für die Filiale in Ulm wurde ein „Circularity Passport Interiors“ erstellt. Alle verwendeten Materialien wurden mit Spezifikationen, Gewicht und anderen Daten erfasst und anschließend von Experten der EPEA bewertet.

„Die Bewertungen und Daten aus unseren verschiedenen Re:think-Projekten geben uns wertvolle Erkenntnisse. Auf diese Weise bauen wir Kompetenz und Know-how auf, die wir bei der Renovierung oder Eröffnung eines weiteren Geschäfts nutzen können“, so der CSR-Manager.

„Ein solches Wiederverwendungskonzept ist in der Branche noch sehr ungewöhnlich, und wir befinden uns noch in einem sehr frühen Stadium. Aber wir glauben, dass diese Konzepte unseren Geschäftskunden ein einzigartiges Erlebnis bieten und sie hoffentlich dazu inspirieren werden, ihre Designkonzepte zu überdenken”, fügt Antje Uebele hinzu.

Das Projekt war für das gesamte Re:Think-Team inspirierend.

„Ich würde gerne nur solche Projekte planen”, erklärt Antje Uebele.

„Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich halte es für äußerst wichtig, den Einzelhandel neu und anders zu denken. Mit dem zu planen, was man zur Verfügung hat, und daraus ein Konzept zu entwickeln, ist spannend und herausfordernd.

Wiederverwendung eines alten Café-Tresens.

Der Tresen der neuen Werkstatt stammt aus einem alten Hamburger Café.

Auch eine Werkstatt findet im neuen Ulm Store Platz.
Reuse eines alten Apothekerschranks.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

  • EPEA schätzte den CO2-Fußabdruck einer komplett neuen Ladeneinrichtung für ein vergleichbares Projekt auf 14,02 Tonnen CO2e.
  • Durch das Reuse-Konzept konnten 4,99 Tonnen CO2e vermieden werden.
  • Die CO2-Emissionen von 9,03 Tonnen CO2e waren hauptsächlich auf den neu verlegten Bodenbelag zurückzuführen.
  • Das Reuse-Konzept reduzierte die Emissionen um etwa 36 %.
  • Rund 73 % der im Laden eingesetzten Materialien wurden wiederverwendet.
  • 99 % der Materialien können in Zukunft wiederverwendet werden.

Die Ergebnisse im Detail

Diese Aspekte wurden von EPEA untersucht:

Nachhaltiger Tourismus in Vorarlberg

Materialherkunft:

Bei diesem Kriterium wurde in einem massenbilanziellen Materialvergleich untersucht, aus welchen Quellen die verwendeten Materialien stammen. Diese wurden in die folgenden Kategorien eingeordnet: „wiederverwendet“, „rezykliert“ (also aus Recycling stammendes Material) sowie „Primärmaterial“ (also neu hergestelltes Material). Letztere Kategorie wurde wiederum unterteilt in “nachhaltig erneuerbar”, “nicht-nachhaltig erneuerbar” und „nicht erneuerbar”. 

Das Ergebnis: 9, 37 Tonnen Material wurden wiederverwendet – dies entspricht 73,07 % der im Ladenbau verwendeten Materialien.Vor allem gebrauchte Span- und Sperrholzplatten, glatte Bleche konnten wiederverwendet werden. Die verbleibenden 3,35 t Primärmaterial gingen vor allem auf die neu verlegten PVC-Böden sowie auf Farben, Lacke und Lasuren zurück.

Materialgesundheit:

Im Rahmen der Untersuchung der Materialgesundheit wurden die Auswirkungen der verwendeten Materialien auf die Innenraumluftqualität, die Sicherheit bei Hautkontakt und die Sicherheit bei Abrieb untersucht – sowohl in der Nutzungsphase als auch bei der weiteren Verarbeitung der Materialien. Mit 0% Materialigesundheit wird bei dieser Untersuchung die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben bewertet. Je höher die Prozentangabe, desto besser ist die Materialgesundheit zu bewerten.

Der Indikator für die Materialgesundheit der verwendeten Materialien während der Nutzungsphase liegt bei 55,66 %. Die Materialgesundheit bei der weiteren Verarbeitung erreichte einen Wert von 35,48 %. 

Bei der Einschätzung der Materialgesundheit sind es vor allem die gebrauchten Spanplatten, deren Risiko bei der Weiterverarbeitung nur schwer einschätzbar ist, denn bei der Herstellung werden unterschiedliche Klebstoffe verwendet, deren Zusammensetzung nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist. 

Materialverwertung:

Bei diesem Kriterium wurde in einem massenbilanziellen Materialvergleich untersucht, welche branchenüblichen Verwertungswege es für die verwendeten Materialien gibt – nämlich Recycling, biologische Verwertung, thermische Verwertung (also Müllverbrennung) oder Deponierung. Die Untersuchung ergab, dass 82 % der Materialien recyclebar sind. 

Die Ergebnisse zeigen, dass bei der Auswahl  der Materialien Wert auf recyclingfähige Werkstoffe gelegt wurde. Zudem zeigen sie die Notwendigkeit der Wiederverwendung von nicht recyclingfähigen Materialien auf.

Wiederverwendungspotential:

Bei dieser Betrachtung wurde ermittelt, wie hoch der Anteil derjenigen Materialien ist, die in Zukunft wiederverwendet werden können – etwa in einem weiteren Ladenbau-Projekt. Für diesen Bereich wurde ein Wiederverwendungspotential von 99 % ermittelt. In die Bewertung floss unter anderem mit ein, ob die einzelnen Elemente, wie zum Beispiel Warenträger und Kleiderständer, direkt oder durch eine Aufbereitung wiederverwendbar sind. Nicht wiederverwendbar sind z.B. Farben und Lacke.

CO2e-Emissionen:

In der Kategorie CO2e-Emissionen wurde der CO2e-Fußabdruck eines vergleichbaren Ladenbau-Projektes ermittelt, wenn sämtliche Materialien und das Inventar neu beschafft worden wären. Hierfür wurde von EPEA ein Wert von 14,02 Tsd. kg CO2-Emissionen ermittelt. 

Durch die Wiederverwendung vorhandener Möbel sowie gebrauchter Materialien konnten insgesamt 4,99 Tsd. kg CO2e-Emissionen vermieden werden. Dies entspricht 35,57% vermiedener CO2e-Emissionen. Haupttreiber für die CO2-Emissionen stellten die neu verlegten PVC-Böden dar – ein Faktor, der in zukünftigen Ladenbau-Projekten zu berücksichtigen sein wird.

Text: Miriam Ersch-Arnolds
Fotos: Jonas Skorpil


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