Rennsteig: Meine Solowanderung mit Hund
Der Rennsteig – viel bewandert, viel beschrieben und nicht unbedingt Inbegriff eines wilden Wanderabenteuers fernab von Zivilisation und Komfortzone. 169 Kilometer schlängelt sich einer der beliebtesten Fernwanderwege Mitteldeutschlands über die Höhenzüge zwischen Thüringer Wald und Frankenwald. Dabei wird er fast auf seiner gesamten Länge von Dörfern und kleineren Ortschaften gesäumt. Meine vorherigen Mehrtagestouren führten mich durch die kanadische und norwegische Wildnis – was also zog mich auf diesen Trail, den ich eher mit gemächlich wandernden Senioren-Grüppchen und Reisebussen assoziierte?
Länge: 169 km | Startpunkt: Hörschel bei Eisenach (196 m) | Endpunkt: Blankenstein (415 m) | höchster Punkt: 973 m | Dauer: 8 Tage | Permits notwendig: Nein
Mein Heimatort Schleiz liegt nur schlappe 30 Kilometer vom Rennsteigbeginn und -ende Blankenstein entfernt im Dreiländereck Sachsen – Thüringen – Bayern. Als Thüringerin empfand ich es als eine Art Wander-Ehrensache, zumindest einmal im Leben den Rennsteig zu begehen. Neben diesem Anflug von Wanderpatriotismus gab mir die äußerst unkomplizierte An- und Abreise und gute Infrastruktur entlang der Route aber vor allem die Sicherheit, mich gemeinsam mit meiner Husky-Hündin Maya auf eine so lange Tour einzulassen. Maya und ich sind schon viel zusammen gereist, gewandert und haben auch schon einige Nächte im Zelt verbracht – aber ob ihre Ausdauer und ihre Pfötchen auch 170 Kilometer schaffen würden, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen. Da ich davon träume, mit ihr gemeinsam auch anspruchsvollere Mehrtagestreks durch abgelegene Gebiete zu unternehmen, wählte ich den Rennsteig als Test, um jederzeit aussteigen und mit dem Bus nach Hause fahren zu können, sollte eine von uns schlapp machen oder die Lust verlieren.
Um besagten Wander-Reisegruppen zu entkommen und mir selbst auch eine kleine Herausforderung zu suchen, wählte ich als Wanderzeitraum Mitte Februar und verzichtete darauf, Unterkünfte zu buchen oder ein Zelt mitzunehmen. Biwakierend sollte es in 8 Etappen vom thüringischen Hörschel bis ins fränkische Blankenstein gehen – übernachten wollte ich in Schutzhütten, welche es auf dem Rennsteig reichlich gibt (mehr als 60!). Um nachzuempfinden, wie ich für längere Mehrtagestouren abseits der Zivilisation packen und planen müsste, organisierte ich nur eine Resupply-Station nach gut 100 Kilometern und trug ansonsten meine und Mayas Nahrung für 4 bis 5 Tage.
Da die Temperaturen nachts noch unter 0°C fallen sollten und ich entsprechend warmes Equipment benötigte, lag mein Rucksackgewicht zu Beginn der Tour bei ca. 20 Kilogramm. Neben Schlafsack und Isomatte hatte ich außerdem einen Hundeschlafsack und eine 2 x 1,50 m Isolierungsplane dabei, damit Maya und ich uns nebeneinander kuscheln konnten. Als Siberian Husky liebt Maya zwar kühlere Temperaturen und ist dann deutlich energiegeladener, als im Sommer – allerdings ist sie als Wohnungshund natürlich trotzdem daran angepasst, die meiste Zeit bei Zimmertemperatur vor sich hinzudösen. Daher kuschelte sie sich nachts gern in ihren Schlafsack und blieb dicht bei mir. Das Spannen einer zusätzlichen Plane in den Schutzhütten auf Tischhöhe erwies sich als sinnvoll – darunter fühlte es sich deutlich windgeschützter und auch 1 bis 2°C wärmer an.
Tagsüber empfand ich die kühlen Temperaturen als unproblematisch – wenn man in Bewegung blieb. Pausieren war allerdings nur für ca. 30 Minuten möglich, da ich dann zu sehr auskühlte. Da Maya aber nach ca. 10 Kilometern zumindest eine einstündige Pause benötigte, kehrten wir dazu an windigen und nasskalten Tagen nach Möglichkeit in eine Gastwirtschaft ein. Auch bei starkem Regen suchten wir einen Unterschlupf, da keine Regenjacke auf Dauer wirklich dicht bleibt und wir nachts keine Möglichkeit zum Trocknen hatten. Außerdem wollte ich vermeiden, dass sich Mayas dickes Fell wirklich bis auf die Unterwolle vollsaugt, da auch sie dann nachts nicht trocknen und frieren würde. Ein zweites (trockenes) Paar Handschuhe und eine zweite (trockene) Mütze für die Nacht waren für mich absolutes Muss.
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Als alleinwandernde Frau fühle ich mich in der Regel deutlich wohler, wenn Maya mir Gesellschaft leistet. Die Nächte waren zwar trotzdem oft unruhig, weil Maya natürlich auch Wildtiere wahrnimmt und dann meist aufgestanden ist und nach dem Rechten gesehen hat. Ihre Wachsamkeit hilft mir aber definitiv dabei, mich nachts etwas erholen zu können und nicht in permanenter Alarmbereitschaft zu sein – auch wenn es dazu auf dem Rennsteig wahrscheinlich keinen Anlass gibt. Ihr freundliches Wesen ist auch tagsüber eine wirkliche Bereicherung, da sie mich auch bei absolutem Mistwetter zum Lachen bringt und mich motiviert starten lässt – und außerdem für nette Dialoge mit anderen Wandernden sorgt. Da es am dritten Tag ein starkes Unwetter gab, musste ich für uns eine Übernachtungsmöglichkeit in Oberhof finden – auch mit Hund war das vollkommen unproblematisch. Ob das in jeder Ortschaft der Fall ist, kann ich aber nicht sagen und sollte individuell recherchiert werden.
Ist es keine Tierquälerei, den Hund so viele Kilometer durch die Landschaft zu zerren und ihn dann noch sein eigenes Futter tragen zu lassen? Schadet das zusätzliche Gewicht nicht den Gelenken und der Moral des vierbeinigen Begleiters?
Ich denke, das kommt ganz auf den Hund, die Umstände und vor allem das entsprechende Training an. Wichtig ist es, den Hund sukzessive an das Gefühl des Rucksacks zu gewöhnen und das Gewicht nur langsam zu erhöhen. Sobald die Temperaturen im Herbst kühler wurden, hat Maya also auch auf unseren täglichen Gassirunden ihren kleinen Rucksack getragen – sehr zur Belustigung unserer Nachbarschaft. Maya musste lernen, ihre Balance anzupassen und war anfänglich etwas unsicher, über Baumstämme zu balancieren oder auf Bänke zu hüpfen. Auch das Pause machen und Hinlegen mit Rucksack war etwas steif. Viel gutes Zureden, Lob und Geduld waren wichtig, um Maya mit ihrem Rucksack vertraut zu machen. Nach wenigen Wochen konnte sie es allerdings gar nicht erwarten, dass ich ihn ihr aufschnallte und wirkte fast schon stolz, wenn sie wie ein echter Adventuredog souverän durch den Stadtwald wackelte.
Anreise mit dem Zug bis Hörschel (gute Verbindungen ab Erfurt Hbf) | Tag 1: Hörschel – Schutzhütte am Dreiherrnstein, 28 km | Tag 2: Dreiherrnstein – Großer Inselsberg – Schutzhütte »Wachsenrasen«, 28 km | Tag 3: »Wachsenrasen« – Oberhof, 10 km, Einkehr wegen Unwetter | Tag 4: Oberhof – Schutzhütte »Alte Landesgrenze«, 23 km | Tag 5: »Alte Landesgrenze« – Friedrichshöhe, 22 km, Resupply Futter | Tag 6: Friedrichshöhe – Schutzhütte »Clemens Major« bei Spechtsbrunn, 20 km | Tag 7: »Clemens Major« – Schutzhütte »Hohe Tanne« bei Brennersgrün, 24 km | Tag 8: »Hohe Tanne« – Blankenstein, 19 km
Auch wenn ich diese Wanderung nicht unternommen habe, um mich an unberührten Naturlandschaften zu ergötzen und im Zauber jahrhundertealter Wälder zu baden – über den Zustand unserer Wälder war ich dennoch tiefst schockiert. Das Wüten des Borkenkäfers in den letzten Jahren hat unfassbare Schäden angerichtet und für ein flächendeckendes Bild der Zerstörung gesorgt. Viele Schilder am Wegesrand klären über die vielfachen »Waldumbaumaßnahmen« auf und erklären, wie die Forstwirtschaft sich bemüht, den Schaden aufzufangen und die Wälder neu zu strukturieren. Dass diese Bemühungen aber eine generationsübergreifende Aufgabe sind und keine schnellen Erfolge sichtbar sein können, dürfte jedem bewusst sein. Etappenweise (vor allem rund um Oberhof, also über 800 m) erscheint der Wald auch noch sehr intakt und lässt fast vergessen, welche immensen Probleme der Borkenkäfer verursacht – wenn der Blick allerdings in die niederen Höhenlagen schweift, holt einen diese Realität jedoch sehr schnell wieder ein und ließ mich ein ums andere Mal betrübt auf kahle Hänge starren.
Dass die Wegbeschaffenheit im Februar nicht optimal sein würde, hatte ich erwartet. Dennoch war ich oft über den wirklich schlechten Zustand erschrocken. Durch die vielen Forstarbeiten waren viele Abschnitte der sonst angenehm laufbaren Forstwege sehr schlammig und zerfahren, sodass Maya und ich oft zwischen Pfützen und Furchen balancieren mussten – und nicht nur einmal ausgerutscht und im Morast versunken sind. Ein noch größeres Problem war aber tatsächlich das Auffüllen unserer Wasservorräte: zu den für mich eingeplanten 2 Liter Trinkwasser pro Tag benötigte Maya 1 bis 1,5 Liter für sich und wir 1 bis 2 Liter zum Kochen, Futter einweichen und Waschen. So war ich mehr auf Gasthöfe angewiesen, als eigentlich aufgrund der Lebensmittelversorgung notwendig. Zum Leid meines Wanderbudgets – denn wenn ich darum bat, meine Flaschen auffüllen zu können, wollte ich zumindest auch eine Kleinigkeit verzehren. Ich kam nur an einer einzigen Quelle und einem einzigen Brunnen vorbei – alle anderen Wasserquellen waren trocken oder abgestellt. Einen Wasserfilter dabei zu haben, halte ich dennoch für eine gute Idee.
Was mir das Gefühl gegeben hat, doch weiter von der Zivilisation entfernt zu sein, als eigentlich möglich? Die angenehme Resignation, die sich einstellt, wenn man quasi tagelang keinen Handyempfang hat. Da ich mir vorab sowohl eine 1:25.000 Wanderkarte als auch einen Tourenplaner mit allen vorhandenen Schutzhütten besorgt hatte, war ich für meine Tourenplanung nicht von Internet abhängig. Natürlich hätte ich Offlinekarten etc. vorbereiten können – aber ich mag es einfach, unterwegs nicht auf digitale Features angewiesen zu sein und das Smartphone ausschließlich für Fotos und zum Musik hören zu nutzen. Tatsächlich war ich dann aber doch überrascht, wie selten Nachrichten ein- und austrudelten und wie oft ich scheinbar in kilometerweiten Funklöchern steckte. Für mich kein Problem – allerdings sollte man sich einfach darauf einstellen und vorbereitet sein.
Unsere 8 Tage und insgesamt 175 Kilometer auf dem Rennsteig waren weder Erholung noch Abenteuer. Aber sie waren lehrreich und haben mir vermittelt, wie ich mich und Maya noch besser auf Mehrtagestouren vorbereiten kann. Außerdem haben sie mir gezeigt, was ich wirklich brauche, um mich auch unter widrigen Bedingungen und bei unangenehmer Witterung draußen wohlzufühlen – und dass es möglich ist, sich auch dann eine winzig kleine Komfortzone zu schaffen. Allem voran durfte ich aber 24/7 die Begleitung meiner flauschigen Wanderkameradin genießen – und das Gefühl, dieses kleine Heimatabenteuer als Team zu meistern. Am Ende der Tour machte sich also durchaus ein gewisser Stolz breit – um kurz darauf ziemlich k.o., aber dankbar für das Erlebte gemeinsam vor dem heimischen Kamin einzudösen.
TEXT & FOTOS: Pauline Picker