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Traumtour Raja Ampat

Paradise found

Darf’s ein bisschen Meer sein? In der Inselwelt Raja Ampats erleben Paddler den Himmel auf Erden.

Der Weg ins Paradies ist kein leichter. Und vor allem kein kurze­r. Aber sonst wäre es wohl auch nicht das Paradies. Von Deutschland fliegt man zunächst via Istanbul oder Doha nach Jakarta. Alles in allem rund 14 Stunden Flugzeit und sechs Stunden Zeitverschiebung. In der trubeligen Hauptstadt Indonesiens mit ihren elf Millionen Einwohnern wird meist eine Übernachtung fällig. Am nächsten Tag geht es weiter Richtung Osten. Flugzeit: noch mal vier Stunden und zwei Stunden Zeitverschiebung. Das Ziel ist Sorong in West-Papua. Die florierende Küstenstadt auf dem indonesischen Inselteil Neuguineas ist das Tor zur Inselwelt Raja Ampats. Hier steigt man entweder in ein Kleinflugzeug um oder geht an Bord einer Fähre – so wie wir. Als wir gegen 22 Uhr die Fajar Indah II betreten, erleben wir einen kleinen Kulturschock. In der untersten Etage residiert das liebe Vieh, darüber gibt es einen stickigen Schlafsaal mit rund 50 Stockbetten auf einer Etage. Wir residieren zwar einen Stock darüber und haben Zweier-Kabinen, doch diese teilen wir uns mit zahlreichen Kakerlaken, und die Gemeinschaftstoilette, bestehen­­d aus einem Loch im Boden, ist der Endgegner. Aber es gibt keinen Plan B. Die Fähre ist aktuell die einzige offizielle Verbindung zwischen West-Papua und den südlichen Inseln Raja Ampats. Sie fährt einmal in der Woche, Endstation sind die Molukken. Bis Australien ist es von dort nicht mehr weit. Und was aus der Fajar Indah I geworden ist, wollen wir gar nicht so genau wissen.

Eine Insel für uns allein

ls wir nach acht Stunden durch die Nacht in Yellu einlaufen, sind wir weder von den Kakerlaken gefressen worden noch habe­n wir Verstopfung. Allein das Wetter macht jetzt noch Sorgen. Es regnet, zudem ist es unerwartet kühl. Hat denn keiner im Paradies Bescheid gesagt, dass die Regenzeit vorbei ist? Es folgt eine weitere Stunde in einem kleinen Motorboot bis Panun Island, dann hat die dreitägige Anreise ein Ende.

Paddeln in raja ampat
Auf dem Weg zur »Secret Cave« von Tomolol durften wir Tausende Jahre alte Felsmalereien bestaunen. Jetzt fehlt nur noch ein Piratenschatz …
Tauchen in bezaubernder Unterwasserwelt von Raja Ampat
Mund zu, Augen auf! Im Jellyfish Lake tauchen wir mit Abertausenden Quallen.
Glamping-Freuden: Zeltplatz direkt am Wasser
Schöner wohnen à la Millekul – Chef Nicklas und seine Guides bereiten ihren Gästen Glamping-Freuden vom Allerfeinsten.

    Unsere Globetrotter Ausrüstungstipps

    Ich packe meinen Seesack und nehme mit …

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    Hier auf Panun hat unser Veranstalter Millekul Adventures sein Basislager. In einem Unterstand lagern ein Dutzend See­kajaks, dazu gibt es vier Bungalows und einen überdachten ­Gemeinschaftsbereich. Am nächsten Morgen scheint das Wetter von unserer stillen Übereinkunft, es möge doch spätestens ab jetzt die Sonne scheinen, immer noch nichts wissen zu wollen. Es regnet stundenlang und in einer Intensität, die auf der blanken Haut weh tut. Macht aber nix, denn was gibt es Beruhigenderes, als bei diesem Geprassel seinen Jetlag aus­zuschlafen? Das ­Paradies ist nachher sicher auch noch da …  
    Als die Regenpausen am Nachmittag länger werden, ist ­Kanu­schule angesagt. Da die meisten aus unserer Gruppe noch nie in einem Seekajak gesessen haben, zeigen uns unsere Guides Gilan­­g, Bangit und Owen die Basics. Wie komme ich überhaupt aus dem Boot heraus, wenn die Spritzdecke im Weg ist? Und wie steige ich nach einer Kenterung wieder ein?
    Der erste richtige Paddeltag beginnt mit einem landschaft­lichen Leckerbissen. Es wartet die Christmas Tree Lagoon. Hier steht ein 30 Meter hoher Kalksteinkegel in einer fjordartig eingefasste­­n Lagune. Sein Fundament ist vom Wellenschlag und dem steten Zweiklang von Ebbe und Flut auf einen kleinen Stumpf abgenagt, so dass er von Weitem aussieht wie ein Weihnachts­baum. Ein Wunder der Statik, dem wir uns mit gehörigem Respekt nähern. Die Lagune nebenan besteht aus drei kreis­förmig mit­einander verbundenen Becken, die man nur durch ein schmale­s Felsentor erreicht. Ohne ortskundigen Guid­e würd­e man hier einfach ahnungslos vorbeipaddeln. Wir dagegen drehen Runde um Runde, während unsere Drohnen­piloten vor Freude quieken.

    Vom Wasser geformte Kalkfelsen erkunden wir per SUP

    »Raja Ampat ist so schön wie einsam.«

    Wasser und Wind nagen beständig am Kalk und haben im Laufe der Jahrtausende bizarr schwebende Felsburgen geschaffen – die man am besten per Kajak oder SUP entdeckt.


    Zurück im Homestay Panun steht bereits das Abendessen auf dem Tisch. Viel Fisch, viel Reis, etwas Tofu und ganz nach Gusto viel scharf. Im Umkreis von hundert Kilometern gibt es nur ein Resort nach internationalen Standards, daher sind dies­e Home­stays meist die Unterkunft der Wahl. Man übernachtet bei Einheimischen, die neben ihrer eigenen Hütte noch drei, vier weitere im gleichen Stil errichtet haben und diese tage­weise vermieten. Auch sonst wird in dieser Region der Welt Tourismus kleingeschrieben: In den zehn Tagen unserer Reise sehen wir kein Dutzend andere Touristen, oft bleibt es bei maximal einer Segelsichtung am Horizont.
    Übrigens: Da die Homestays oft nicht die Kapazität haben, um zehn hungrige Paddler:innen satt zu bekommen, setzt Veranstalter Nicklas Millegard – ein Schwede, der nach drei Jahrzehnten weltweiter Seekajak-Abenteuer in Raja Ampat »gestrandet« ist –  an Tagen fern der Homestays auf gefriergetrocknete Trekkingnahrung. Einfach kochendes Wasser drauf, umrühren und kurz ziehen lassen. So umgeht er auch Haltbarkeits­problematiken in der Hitze, denn eine funktionierende Kühlkette für verderbliche Speisen gibt es hier weit und breit nicht.

    Ab in die Schule

    Nach zwei Nächten im Homestay Panun ist es Zeit für des Vergnügens zweiter Teil: Camping. Mit dem Motorboot geht es in die Namlol-Bucht. Gemeinsam mit den Guides errichten wir dort ein Camp, das sich sehen lassen kann: mit Esszimmer, Trenntoilette und zehn Zentimeter dicken Schlafmatratzen.
    Bei Ebbe fallen weite Teile der Bucht trocken, doch ein Blue­hole direkt vor unserem Camp bietet sich für ein paar Wasserspiele auf dem SUP an. Wir haben extra zwei Boards per Flieger mitgebracht, um alternativ im Stehen paddeln zu können. So genießt man durch den hohen Standpunkt einen noch bessere­­n Blick auf die Welt unter der Oberfläche. Als das Wasse­r zurück ist, hüpfen wir schnell in die Kajaks und erkunden die Umgebung. Auf unserer Tour einmal um unsere kleine Insel entdecken wir fantastische Karstgebilde, an denen sichtlich der Zahn der Zeit genagt hat. Wie in einem Fantasyfilm scheinen die unterspülten Zacken bei Niedrigwasser über der Oberfläche zu schweben.

    Hand mit frischen Früchten
    Sprung ins Wasser in Raja Ampat

      Am nächsten Morgen wartet ein ganz besonderes Vergnügen auf uns. Wer nämlich in der Region Tourismus betreiben will, muss auch etwas für die Locals tun – so die Regel. Unser­­e Guide­s haben daher englische Bücher im Gepäck, die sie an die Schulen der Region verteilen. Drei Mal machen wir das während unserer Tour. Heute steht die Schule in Tomolol auf unserem Stundenplan und es ist uns eine helle Freude, die Kinder zu besuchen und ihrem Englischunterricht zu lauschen. Die anfängliche Schüchternheit legt sich schnell, und als wir schließlich mit Schulschluss das Gebäude verlassen, sind wir für den Rest des Landgangs von Kindern umringt.


      Im Anschluss wartet gleich das nächste Highlight: der Jellyfish Lake von Lenmakana. 13 solcher Seen sind auf der Welt bekannt, drei davon liegen in Raja Ampat. In ihnen findet man Hunderttausende ungiftige Medusen, die besonders zur Mittags­zeit, wenn die Sonne hoch am Himmel steht, an die Oberfläche streben. Sie haben zwar kein Hirn und bestehen zu 98 Prozent aus Wasser, doch die Anmut, mit der sie durchs Wasser schweben, sucht ihresgleichen. Funfact am Rande: Die mit den harmlosen Medusen im Jellyfish Lake verwandte Seewespe gilt als töd­lichstes Tier der Welt, ihr Gift kann 250 Menschen töten.

      Wohnhütten über dem Wasser auf der kleinen Insel Yellu
      Schulbesich in Tomolol

      Oben: Da auf der kleinen Insel Yellu längst nicht mehr genug Platz ist, leben viele Einheimische in Hütten über dem Wasser. Unten: Schulbesuch in Tomolol.

      Lage, Lage, Lage

      Im Anschluss paddeln wir nach Yapap. Sieben Hütten auf Stelzen und ein Gemeinschaftsbungalow – das vielleicht schönst­e Homestay der Region (siehe Fotos oben). Hier stechen die drei Kriterien der Immobilienwirtschaft definitiv: Lage, Lage, Lage. Allein die Sonnenuntergänge sind alle Strapazen der ­Anreise wert. Und direkt vor der Haustür liegen die wohl ­bizarrsten Kalksteinformationen überhaupt und warten darauf, per Seekajak erkundet zu werden. Oben Dutzende Meter breit, ruhen sie auf kaum meterbreiten Sockeln, und die bange Frage, wie lange das noch hält, begleitet jeden Paddelschlag. Die ganz­e Landschaft wirkt wie eine computergenerierte Kulisse aus »Avata­­r«, doch die Gefahr umstürzender Steinkegel ist absolut real. Und überhaupt, dieses Seekajak, Geniestreich der Eskimos. Es ist einfach das perfekte Fortbewegungsmittel in dieser Traumlandschaft. Durch die recht ausgeprägte Tide von über einem Meter fallen stunden­weise ganze Buchten fast trocken und nur dank des geringen Tiefgangs und der enormen Wendigkeit der Kajaks können wir auch die hintersten Winkel erkunden. Drei Tage bleiben wir in Panun und jeder Tag bringt neue Naturwunder. Die Unterwasserwelt etwa. Wegen ihr kommen wohl 90 Prozent aller Reisenden. Raja Ampat ist der Ort mit der höchsten Meeres-­Biodiversität auf unserer Erde. Hier findet man 75 Prozent aller Korallenarten und auch an tropischen Fischen besteht kein Mangel. Oft schnorcheln wir in der Mittags­pause und die Bein­arbeit mit den Flosse­n ist eine wunderbare Abwechslung zur täglichen Paddelei.

      Paddeln durch den Dschungel in Raja Ampat

      Die Zwei-Tages-Tour in den Dschungel ist ein perfekter Kontrast zu Strand und Palmen.

      Zum Ende der Reise zieht Guide Nick seine finale Trumpfkarte. Schluss mit Strand und Palmen, jetzt geht es in den Dschungel. Mit dem Motorboot tuckern wir zunächst ein paar Kilometer einen breiten Fluss hinauf. Doch dieser splittet sich schnell in viele Nebenarme auf und so müssen wir schon bald sämtliches Gepäck auf die Kajaks verladen. Mit deutlich weniger Tiefgang paddeln wir noch rund zwei Kilometer stromauf, bis aus dem Nebenbach ein Rinnsal wird. Hier haben die ­Guide­­s zu Saison­beginn einen kleinen Zeltplatz mit der Machet­e ins Dickicht geschlagen. Schnell sind die Zelte aufgebaut und wir hocken uns in der Lagermitte zusammen. Nach der obli­gaten Tüte Trockenfutter sitzen wir einfach nur da und lauschen. Das Konzer­­t der Vögel ist einfach unglaublich und zu jeder Stunde des Tages scheint eine andere Spezies den Ton anzugeben. Nur der Vogel, der klingt wie der Wecker eines iPhones, sollte noch mal zum Sounddesigner gehen.
      Am neunten Tag schließt sich der Kreis und wir fahren zurück Richtung Yellu. Es ist an der Zeit, dem Paradies »Auf Wieder­sehen« zu sagen. In einem nahen Homestay beziehen wir unser letztes Quartier. Da die Fähre am nächsten Tag erst gegen Abend kommt, paddeln wir in der Früh die drei Kilometer nach Yellu rüber und erkunden das zu drei Viertel auf Stelzen errichtete Dorf per Kajak. Yellu als Venedig Indonesiens zu bezeichnen, ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen, aber ein würdiger Abschluss einer fantastischen Reise ist es allemal.

      Unser Abenteuer als Film


      TEXT, FOTOS, VIDEO: Michael Neumann

      Dieser Beitrag ist Teil des

      Globetrotter Magazin #33, Frühjahr/Sommer 2024

      Das Globetrotter Magazin #33 ist da: Auf Bikes nach Afrika? Campen in Schweden? Paddeln in Raja Ampat? Wohin auch immer, hier geht es los.
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