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​​Race to Zero:
5 Outdoor-Marken mit Vorbildfunktion im Klimaschutz

Das Jahr 2030 rückt näher – und mit ihm der Druck auf die Outdoor-Branche, ihre Klimaziele einzuhalten. Viele Unternehmen stehen vor der Frage: Reichen unsere Maßnahmen aus? Wir haben mit Branchenexperten gesprochen und stellen fünf Marken vor, die bereits konkrete Fortschritte machen – und die Strategien, mit denen sie erfolgreich sind.

Das Pariser Klimaabkommen von 2015 markierte den Startschuss für eines der wichtigsten Rennen der Menschheit: das Rennen um die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau. Das Ziel? Netto-Null-Emissionen bis spätestens 2050. Auch viele Unternehmen der Outdoor-Branche haben seither ihre CO₂-Bilanzen erfasst und sich wissenschaftlich fundierte Klimaziele gesetzt – im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel. Viele sind früh verschiedenen Initiativen beigetreten, um gemeinsam neue Wege zu gehen.

So engagieren sich etwa Globetrotter und neun weitere große europäische Händler im Netzwerk Outdoor Retailer Climate Commitment (ORCC). Globetrotter ist Gründungsmitglied des ORCC, einer branchenweiten Initiative, die von europäischen Outdoor-Händlern ins Leben gerufen wurde, um die Einhaltung des 1,5 °C-Klimaziels gemäß dem Pariser Abkommen voranzutreiben.

Führende Akteure der Skiindustrie haben sich im Winter Sports Industry Climate Pact zusammengeschlossen. Und die European Outdoor Group fordert ihre Mitglieder aktiv zur Teilnahme an der UN-Initiative Race to Zero auf.

Doch während eine Selbstverpflichtung schnell ausgesprochen ist, zeigt sich der wahre Wandel erst in der Umsetzung. Michael Schragger, Mitbegründer und Direktor der Scandinavian Textile Initiative for Climate Action (STICA), kennt die Herausforderungen genau. STICA vereint fast 60 Unterzeichner – darunter Outdoor-Marken wie Helly Hansen, Norrøna, Reima und Peak Performance. „Wir verfolgen die jährlichen Fortschritte unserer Mitglieder“, sagt Schragger. „Um ehrlich zu sein: Viele haben noch keine Ziele, die mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sind. Und selbst die gesetzten Ziele werden oft nicht eingehalten. Es gibt aber auch Unternehmen, die zeigen, dass es geht – mit konkreten Strategien und messbarem Erfolg.“

Im Folgenden stellen wir die zentralen Erfolgsfaktoren vor, die Michael Schragger identifiziert hat – und fünf Outdoor-Unternehmen, die diese Prinzipien bereits heute umsetzen.

Brian La Plante, Senior Sustainability Manager bei YKK

Erfolgsfaktor 1: Öffentliche Verpflichtung

„Klimaführende Unternehmen bekennen sich öffentlich dazu, ihre Treibhausgasemissionen nach wissenschaftlich fundierten Zielen zu senken.“

Fallbeispiel YKK:

Schau dir den Reißverschluss deiner Jacke mal genauer an – die Chancen stehen gut, dass er von YKK stammt. Der Zulieferer aus Tokio hält fast die Hälfte des weltweiten Reißverschlussmarkts. Und obwohl Reißverschlüsse klein sind, können ihre Emissionen in Summe ziemlich ins Gewicht fallen.

YKK hat 2020 öffentlich erklärt, seine Scope-1- und Scope-2-Emissionen bis 2030 um 50 % und die Scope-3-Emissionen um 30 % zu senken. Bis 2050 will das Unternehmen klimaneutral sein. Seither veröffentlicht YKK regelmäßig aktuelle Daten auf einem öffentlich zugänglichen Fortschrittsdashboard – mit erfreulichen Ergebnissen: Zum Zeitpunkt dieses Artikels hatte das Unternehmen seine 2030-Ziele bereits übertroffen. Die Scope-1- und Scope-2-Emissionen wurden um 56,2 %, die Scope-3-Emissionen um 32,7 % im Vergleich zu 2018 gesenkt.

Brian La Plante, Senior Sustainability Manager bei YKK, erklärt, wie das gelungen ist: „Wir haben stark in Solarenergie investiert und betreiben inzwischen 34 Werke mit eigenen Photovoltaikanlagen“, sagt er. „Insgesamt werden 36 Standorte heute zu 100 % mit erneuerbaren Energien versorgt. Und wo wir keinen direkten Zugang zu grünem Strom haben, kaufen wir I-RECs – also international anerkannte Herkunftsnachweise für erneuerbare Energien.“ 

Wenn du tiefer einsteigen willst, lohnt sich ein Blick auf die Website von YKK.

Erfolgsfaktor 2: Ehrliche Berichterstattung

„Klimavorreiter berichten offen über ihre Fortschritte – und über das, was (noch) nicht klappt.“

Fallbeispiel: Ortovox

Transparenz schafft Vertrauen – und erhöht gleichzeitig den Druck, die eigenen Ziele auch wirklich einzuhalten. Wenn ein Unternehmen regelmäßig über seine Klimabilanz berichtet, wird aus einem Ziel ein messbares Versprechen. Ein Druck, es auch zu erfüllen. Ortovox gehört zu den transparentesten Akteuren der Branche. Jedes Jahr veröffentlicht das bayerische Unternehmen zwei ausführliche, aber gut lesbare Nachhaltigkeitsberichte: den People Report und den Planet Report.

„Ortovox hat sich verpflichtet, seine Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen bis 2030 um 42 % gegenüber dem Basisjahr 2022 zu senken“, sagt Andreas Wolf, Sustainability Manager Environment bei Ortovox. „Und aktuell erzielen wir einige große ‚Quick Wins‘.“
Im Planet Report 2024 legt Ortovox offen, dass die Gesamtemissionen bereits um 37,4 % gesenkt wurden – und um 24,5 % in Relation zum Umsatz (siehe dazu auch Erfolgsfaktor 5). Das ist ein starkes Signal – und ein echter Gewinn fürs Klima.

Aber Ortovox macht auch kein Geheimnis aus Rückschlägen: Auf der folgenden Seite im Report gibt das Unternehmen offen zu, dass durch vermehrte Luftfracht in der Logistik 41,5 % mehr CO₂ ausgestoßen wurden – ein klar definierter Handlungsbereich für die Zukunft.

Wer wissen will, wie glaubwürdige Klimaberichterstattung aussieht, sollte sich den aktuellen Ortovox Planet Report ansehen.

 Andreas Wolf, Sustainability Manager Environment bei Ortovox
Maria Venus, Sustainability Environmental Manager bei Fenix Outdoo

Erfolgsfaktor 3: Organisatorische Akzeptanz und Integration ins Kerngeschäft

„Klimaführerschaft funktioniert nur, wenn der Klimaplan nicht bloß auf dem Papier steht, sondern die Strategie mitgeprägt, Investitionen steuert – und von ganz oben aktiv unterstützt wird.“

Fallbeispiel Fjällräven:

Seit 2019 hat Fjällräven seine absoluten Nettoemissionen um 24 % gesenkt. Und auch die Kohlenstoffintensität pro Produkt ist stark gefallen – um 22 %, von 6,16 kg CO₂e auf 4,77 kg. Möglich gemacht haben das vor allem drei Hebel: die Beschaffung kohlenstoffarmer Materialien, CO₂-ärmerer Transport und der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien in der Lieferkette.

Maria Venus, Sustainability Environmental Manager bei Fenix Outdoor (Mutterkonzern von Fjällräven), sieht die Unternehmenskultur als Schlüssel zum Erfolg: Das war echte Teamarbeit – vergleichbar mit einer langen Wanderung. Man braucht einen klaren Plan und verteilt die schwere Ausrüstung fair im Team.“

Fjällräven setzt  auf eine Klimastrategie mit messbaren Zielen, kontinuierlicher Fortschrittskontrolle und regelmäßiger Anpassung. Diese Agilität erlaubt es, flexibel zu reagieren – je nachdem, was in der Praxis funktioniert. Unterstützt wird das Ganze durch vierteljährliche Strategiemeetings mit der Führungsriege, die den Kurs vorgibt. „Wir haben das Glück, ein Führungsteam zu haben, das Nachhaltigkeit wirklich lebt – und keine Scheu hat, neue Wege auszuprobieren.“

Trotz der bisherigen Erfolge bleibt Fjällräven selbstkritisch. Maria Venus macht deutlich: „Wir sind noch nicht ganz auf Kurs. Bis 2025 müssen wir noch mehr tun, um unser Ziel zu erreichen: eine Reduktion der Scope-3-Emissionen um 50 % pro Produkt.“ Um diese Lücke zu schließen, will Fjällräven die Umstellung auf erneuerbare Energien weiter vorantreiben, umweltfreundlichere Produktionsprozesse einführen und zirkuläre Geschäftsmodelle ausbauen.

Mehr dazu findest du im CSR-Bericht 2024 von Fenix Outdoor.

Erfolgsfaktor 4: Anreize für Lieferanten

„Es muss eine klare Strategie für die Zusammenarbeit mit Lieferanten und deren finanzielle Anreize zur Dekarbonisierung geben.“

Fallbeispiel: Icebug

Die Outdoor-Schuhmarke Icebug will ihre CO₂-Emissionen bis 2030 halbieren (Scopes 1–3) und strebt einen Durchschnittswert von 6 kg CO₂ pro Paar Schuhe an – gegenüber 12,9 kg im Jahr 2015.„Bisher läuft es gut“, sagt Icebug-Mitbegründer David Ekelund.„Wir bleiben innerhalb des CO₂-Budgets und liegen bei den Produkten bei etwa 25 %.“ Fünf Jahre vor dem Meilenstein 2030 setzt Icebug auf seine Tier-1-Fabriken in Vietnam, um seine Klimaziele zu erreichen. Durch den erleichterten Zugang zu Solarenergie ermöglicht das SOLROS-Programm Fabriken die Installation von Solaranlagen auf ihren Dächern ohne Vorabinvestitionen über Stromabnahmeverträge. Diese Umstellung kann die Emissionen um 20 bis 50 Prozent senken und gleichzeitig die Betriebskosten reduzieren. Alle Tier-1-Partner von Icebug befinden sich derzeit in Vertragsverhandlungen. Das Programm wird außerdem ausgeweitet, sodass andere Marken und Fabriken zu denselben optimierten und kostengünstigen Konditionen beitreten können.

„Wenn dies vollständig umgesetzt ist, wird es zu einem deutlichen Rückgang der Emissionen pro Produkt kommen, ohne dass Kompromisse eingegangen werden müssen“, erklärt David Ekelund und fasst zusammen: „Weniger fossile Brennstoffe zu verbrennen, wird immer eine Wirkung haben.“

Lese den aktuellen Icebug-Impact-Bericht.

Icebug-Mitbegründer David Ekelund
Hilke Patzwall, Leiterin der Abteilung für Unternehmensnachhaltigkeit bei Vaude

Erfolgsfaktor 5: Entkoppeltes Wachstum

„Die wahre Herausforderung, die Klimavorreiter von anderen unterscheiden wird, ist ihre Fähigkeit, Wachstum und Emissionen zu entkoppeln.“

Fallbeispiel Vaude:

Oftmals geben Unternehmen erhebliche Reduzierungen ihrer CO2-Emissionen an, doch alle Angaben zur CO2-Reduzierung sollten mit einer gesunden Portion Skepsis betrachtet werden. Ist dies auf die erfolgreichen Bemühungen des Unternehmens zurückzuführen? Oder einfach nur auf einen Rückgang der Verkaufszahlen?

Ein Outdoor-Unternehmen hat gezeigt, dass es tatsächlich möglich ist, den Umsatz zu steigern und gleichzeitig die Emissionen im Einklang mit wissenschaftlich fundierten Klimazielen zu reduzieren. Im Jahr 2023 gab Vaude bekannt, dass es seine globalen Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2019 um 30 Prozent gesenkt und gleichzeitig den Unternehmensumsatz um 32 Prozent gesteigert hat. Und laut Hilke Patzwall, Leiterin der Abteilung für Unternehmensnachhaltigkeit bei Vaude, scheint dies kein einmaliger Erfolg zu sein: „Wir haben gerade unseren CO2-Fußabdruck für 2024 fertiggestellt und können mitteilen, dass wir die Emissionen im Vergleich zu 2019 um 40 % reduziert haben.“

Hilke Patzwall erklärt, dass der Großteil der Emissionsreduktionen durch die Abschaffung von Kohle in den Fabriken der Zulieferer in Zusammenarbeit mit dem Carbon Reduction Project der European Outdoor Group erreicht wurde. „Der zweitgrößte Anteil der Emissionen bei Vaude entsteht durch die Auswahl der in Vaude-Produkten verwendeten Rohstoffe“, so Hilke Patzwall.„Durch die Verwendung von recycelten oder nachwachsenden Rohstoffen vermeiden wir den Einsatz fossiler Ressourcen und reduzieren die CO2-Emissionen erheblich.“

Lese dazu den aktuellen Nachhaltigkeitsbericht von Vaude.

Reicht das aus, um die Klimaziele zu erreichen?

Der Erfolg dieser einzelnen Unternehmen ist zwar ermutigend – aber wird dies auf breiterer Ebene etwas bewirken? Hier ist Michael Schragger eindeutig: „Das wird nicht ausreichen. Die Fortschritte einer bedeutenden Anzahl von STICA-Unterzeichnern und der Branche sind noch zu langsam.“

Er weist darauf hin, dass selbst unter den STICA-Unterzeichnern viele noch keine Ziele haben, die mit dem 1,5 °C-Ziel vereinbar sind. Ebenso klar ist er sich über das seiner Meinung nach größte Hindernis für den Erfolg: „Die Forderungen der Aktionäre und Eigentümer nach kurzfristigem finanziellen Wachstum und das Fehlen ausreichender finanzieller Anreize werden eine absolute Reduzierung der Treibhausgasemissionen weiterhin erschweren.“

Laut Michael Schragger lässt sich dieses Hindernis nur durch klügere gesetzliche Rahmenbedingungen überwinden. Es braucht Regeln, die einerseits echte finanzielle Sanktionen bei ausbleibenden Emissionsminderungen vorsehen – und andererseits Unternehmen belohnen, die Treibhausgase senken und ihre Geschäftsmodelle nachhaltig umbauen. In diesem Zusammenhang nennt Michael Schragger eine weitere zentrale Eigenschaft, die Unternehmen auszeichnet, die beim Klimaschutz heute schon vorangehen – oder in Zukunft eine aktive Rolle spielen wollen: „Klimavorreiter engagieren sich aktiv in der politischen Lobbyarbeit, um eine fortschrittliche Klimagesetzgebung mitzugestalten.

Icebug-Mitbegründer David Ekelund

Was sind Scope 1, 2 und 3?

Die CO2-Berichterstattung orientiert sich in der Regel am GHG Protocol, das Treibhausgasemissionen in die folgenden drei „Scopes“ unterteilt:

Scope 1 – Direkte Emissionen aus unternehmenseigenen Anlagen, Betriebsstätten und Fahrzeugflotten

Scope 2 – Indirekte Emissionen, die aus dem Energieverbrauch und dem Einsatz von Hilfsstoffen eines Unternehmens resultieren.

Scope 3 – Alle indirekten Emissionen eines Unternehmens innerhalb seiner Wertschöpfungskette, die nicht in Scope 2 enthalten sind.

Text: Jonathan Eidse
Fotos: Fjällräven, Vaude, Icebug,
Ortovox (Max Draeger), STICA, YKK


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