Berauschende Waldeinsamkeit, wogende Weinreben, wahnsinnige Sonnenaufgänge in der Rheinebene. In der Pfalz erlebst du allerhand besondere Momente. Wo sich diese am besten einfangen lassen, verraten wir dir in unseren sommerlichen Wandertipps.
Von Ingo Hübner Fotos Fachenbach Medien
Erst gelblich, dann glühend orange klettert die Sonne hinter der Bergkette des Odenwaldes empor. Überzieht die Rheinebene mit goldenem Glanz. Ihre wärmenden Strahlen und die Feuchtigkeit, die über dem Fluss aufsteigt, hüllen alles in diffuses weiches Licht. Sonnenaufgänge an der Deutschen Weinstraße sind definitiv magische Momente. Vor allem an Orten mit totaler Weitsicht, wie etwa auf dem Flaggenturm bei Bad Dürkheim. Südlich der Stadt überragt er auf einer knapp 225 Meter hohen Kuppe die Dürkheimer Weinlage Fuchsmantel. Bei guter Sicht in Richtung Rhein sind weit im Süden der Schwarzwald und hoch im Norden der Taunus zu erkennen. Zudem offenbart sich hier der besondere Charakter der Kulturlandschaft, nämlich der fließende Übergang zwischen Weinbergen und Wald, der zwischen Bockenheim und Schweigen-Rechtenbach die Deutsche Weinstraße prägt.
Zahlreiche Wanderwege erschließen diese Region und machen gleichermaßen Pfälzerwald und Weinland erlebbar. So liegt der Flaggenturm direkt am »Pfälzer Weinsteig«, mit 172 Kilometern hier der längste Fernwanderweg und das Musterbeispiel für besagtes Wechselspiel aus tiefem Wald und sonnendurchfluteten Rebenmeeren. Diese Kombination ist ebenso prägend für Rundwege in Bad Dürkheim oder Touren in der nördlich angrenzenden Urlaubsregion Freinsheim. Vor allem im Sommer gibt es das typische »Pfälzer-Wander-Wein-Erlebnis«: So gut wie immer, wenn ein Wanderweg aus dem Wald herausführt, landet man auf einem Weinfest.
Der Aufstieg zum knapp 500 Meter hohen Peterskopf bietet vom Bismarckturm abermals ein grandioses 360-Grad-Panorama. Besonders der Blick Richtung Westen wähnt einen in einzigartiger, beinahe urtümlicher Natur: So gut wie lückenlos wellt sich der Pfälzerwald bis an den Horizont. Es ist das größte zusammenhängende Waldgebiet Deutschlands und in Verbindung mit den Nordvogesen das einzige grenzüberschreitende UNESCO-Biosphärenreservat. 2023 feiert es übrigens sein 25-jähriges Jubiläum.
Weitaus beschaulicher ist es wieder direkt im Wald. Eine durchaus beeindruckende Felsformation, gekrönt von alten Buchen und Eichen, entpuppt sich sogar als mystischer Ort: der Heidenfels. Er war wohl eine keltische Opferstätte, was auch die volkstümliche Überlieferung erklärt. Über Treppenstufen und schmale Pfade lassen sich zudem Felskammern und Grotten erkunden. Ins Reich der Sagen entführt die Wandertour »Sieben Waldwunder«. Zwei Felsen, das Portemonnaie und der Briefkasten, besitzen besonders fantasievoll weitreichende Geschichten: Wer einen Stein in den Felsspalt am Portemonnaie wirft, wird angeblich reich. Natürlich ist dieser ziemlich gut gefüllt. Eine andere Legende berichtet davon, dass einsame Jungfrauen, die ein Blatt Laub in den Briefkasten am Wegesrand einwerfen, endlich einen Freier finden. Wer reich werden oder den richtigen Partner finden will, ist auf dieser Wanderung also absolut richtig.
Einen wesentlichen Teil zu dieser besonderen Kulturlandschaft trägt auch ihre besondere kulinarische Prägung bei und so sorgen in bewirtschafteten Forsthäusern, Hütten des Pfälzerwald-Vereins oder in Weinstuben regionale Spezialitäten für Stärkung. Damit lässt sich leicht die Nacht zum Tag machen und der nächste Sonnenaufgang erleben.
Intensives Grün ziert das Dach des Waldes, so dicht, dass nur vereinzelt Sonnenstrahlen hindurchblitzen. Kräftige Stämme recken sich in die Höhe, stützen es scheinbar. Ich berühre die raue Rinde eines Stammes und fühle die Verbindung. Leichter Wind streift den nahezu geschlossenen Teppich aus Farn, durch den der Pfad führt und mich gefühlt im Grün verschwinden lässt. Wieder einer dieser kleinen Momente, die einen in eine ganz eigene Welt eintauchen lassen und alles andere vergessen machen. Die Wanderung auf dem Leininger Klosterweg führt mich definitiv in Richtung meiner inneren Mitte.
Der 16 Kilometer lange Prädikatsweg verläuft ebenso durch ausgedehnte stille Wälder wie offene Ackerflächen mit weiten Ausblicken. Schon die Kelten und Römer betrieben in der Region Ackerbau und drängten den Wald zurück. Es wäre sicherlich zu hoch gegriffen, gleich von einer Pilgerreise zu sprechen, doch der Weg verbindet auch die beiden ehemaligen Klosterdörfer Hertlingshausen und Höningen. Dadurch liegt schon fast eine gewisse Spiritualität in der Luft.
In Altleiningen gibt die Burg Einblick in die mittelalterliche Regionalgeschichte und die Namensherkunft des Leininger Klosterwegs. Ihre ältesten Reste datieren etwa auf den Zeitraum um 1100 und sie diente wohl dazu, eine wichtige Ost-West-Fernstraße militärisch zu schützen. Die dafür eingesetzten Grafen machten sich die Burg schnell als Lehen zu eigen. So entstand das im Hochmittelalter sehr einflussreiche Geschlecht der Leininger, auf dessen Spuren man vielerorts stößt. Graf Emich II. und seine Gattin Albrat stifteten 1120 das Augustiner-Chorherrenkloster Höningen. Etwa 40 Jahre später kam als Pendant das Frauenkloster Hertlingshausen hinzu, von dem heute aber leider kein Stein mehr steht.
In Höningen, etwa auf der Hälfte der Wanderung gelegen, ist dies anders: Durch ein 900 Jahre altes Rundbogentor aus Sandsteinquadern läuft der Weg auf zwei hohe Sandsteingiebelwände zu – imposante Zeugen jener Zeit. Ein Giebel stammt vom Hauptportal der Klosterkirche, der andere bildet den Westteil des Konvents, in dem sich noch der Eingang zu einem gut erhaltenen Keller befindet.
Spätestens hier findet sich ein sehr schöner Ort zur inneren und äußeren Einkehr: die Klosterschänke. Und nach ausgiebiger Besinnung führt mich gegenüber der Schänke eine steile Treppe aus rotem Sandstein hinauf zum Friedhof. Hier erhebt sich die St. Jakobskirche, die noch älter als das Höninger Kloster ist. Gebaut wurde das Kirchlein eventuell als Pilgerkapelle und sie gilt als eines der ältesten romanischen Bauwerke der Pfalz. Über die Jahrhunderte gab es viele bauliche Veränderungen, so dass ich in der Kirche gotische Fenster und Reste mittelalterlicher Freskomalereien finde. Und auch hier stoße ich auf die Leininger Grafen, die in der Kirche ihre Gruft anlegten. Mittlerweile sind ihre Gebeine in die Grünstadter Martinskirche umgebettet worden, doch ihre Grabplatten an der Wand erinnern an sie.
Wieder im Wald entdecke ich einen weiteren seltenen Hinweis auf das einstige Kloster Höningen: In einen Grenzstein ist ein Petrusschlüssel, das Symbol des Klosters, gemeißelt. Die Steine grenzten damals den Klosterbesitz vom Garnerbenwald ab. Welche Mühe und Aufmerksamkeit doch manchmal kleinen Dingen zuteil wird. Der Schlüsselstein sozusagen als weiteres Schlüsselerlebnis und besonderer Moment. Wenig später öffnet sich der Wald wieder und es geht an in kräftigem Gelb leuchtenden Sonnenblumenfeldern vorbei, bis ich unversehens wieder am Ausgangspunkt der Rundwanderung, dem Naturfreundehaus Rahnenhof, stehe. Und da fällt mir auf, wie versunken ich tatsächlich war – in all diesen kleinen besonderen Momenten.
Viele Halbtages-, Tages- und Mehrtagestouren sowie drei Fernwanderwege eröffnen die Vielfalt des UNESCO-Biosphärenreservats Pfälzerwald. Neben dem kurz vorgestellten Weinsteig sind es der Höhenweg und der Waldpfad. Der Weinsteig ist mit rund 172 Kilometern der längste und anspruchsvollste. Den Höhenweg (114 km) zeichnet der Wechsel von immensen Weitsichten und dem Eintauchen in Wald aus. Der Waldpfad (143 km) ist direkt mit dem ICE (Hbf Kaiserslautern) zu erreichen. Seine Charakterzüge sind grandiose Felsen, Burgruinen, tief eingeschnittene Täler und Waldeinsamkeit pur. Infos über die Fernwanderwege – für die es auch buchbare Arrangements mit Gepäcktransport gibt – findest du hier.
Interessant ist überdies die Pfalzcard, die kostenlose Gästekarte der Pfalz, mit der der ÖPNV kostenlos nutzbar ist, sowie über 130 Freizeiteinrichtungen.
Allgemeine Infos zu allen Touren, etwa zum Leininger Klosterweg, findest du im Wandermenü Pfalz.
Für alle Rausgeher hat die Pfalz die »Uffbasse-Kampagne« ins Leben gerufen, die für gegenseitige Rücksicht und Naturschutz bei Outdooraktivitäten sensibilisieren möchte.