Nacho Pellejero ist Radprofi. Allerdings nicht im klassischen Sinne. Er ist vielmehr Radreise-Profi. Sein Spielplatz ist die Welt und seine Touren führen durch ganze Kontinente und darüber hinaus. In unserem Interview wollten wir wissen wer Nacho so ist und was ihn an- und umtreibt.
Kann es abgeschieden genug sein? Für Ignacio Pellejero (kurz Nacho) eher nicht. Geboren in Venezuela als Sohn argentinischer Eltern und aufgewachsen in Spanien, trieb ihn sein Herz hinaus in die Welt. Zuerst nach Südamerika, aber irgendwie dann… ach… fragen wir ihn einfach selbst.
Nacho, du und das Radreisen – wann begann diese große Geschichte?
Ich war eigentlich immer auf dem Rad unterwegs, fuhr einfach nur durch die Stadt, am Wochenende in die Berge oder machte Wheelies auf dem großen Platz nebenan. Aber 2017 brach ich mit meinem besten Freund Simon nach Südamerika auf und hier packte mich eine Fahrrad-Leidenschaft, die mich nie wieder losließ. Wir verließen damals Spanien, ließen alles zurück. Verkauften, was wir hatten, kündigten unsere Jobs, bauten uns wirklich schwere Fahrräder, packten eine Menge Zeug daran und machten uns auf den Weg. Geplant war zunächst eine Radreise von El Calafate in Argentinien nach Cusco in Peru. Ich sage »zunächst«, denn in der ersten Woche änderten sich die Pläne bereits. Wir fuhren 500 km nach Süden statt nach Norden, und beschlossen, dass unsere Reise bis nach Alaska führen wird, also doch etwas länger dauern würde. Das Projekt hieß @260litros und dauerte fast drei Jahre, bis wir es in Ecuador aufgrund der Corona-Pandemie unterbrechen mussten. Ja, wir haben tatsächlich fast drei Jahre gebraucht, um von Argentinien nach Ecuador zu gelangen (lacht).
Beruf: Bikepacker – ist das bei dir so?
Nun, es stimmt schon, dass ich (obwohl ich in den letzten Jahren beruflich auch als Filmer und Fotograf gearbeitet habe) meinen Lebensunterhalt heute tatsächlich vorwiegend mit dem Radfahren verdiene. Allerdings nicht als professioneller Radfahrer und nicht beim »allein um die Welt reisen«, sondern mit Pa-Cycling, einem Fahrradreisebüro, bei dem ich seit 2022 Menschen auf weltweiten Fahrradreisen begleite und Touren plane. Die Idee kam eines Tages, als ich gerade durch Amerika reiste. Mir wurde bewusst, wie sehr das alles mein Leben verändert hat. Ich wünschte mir, auch anderen zu zeigen, wie schön es ist mit dem Fahrrad um die Welt zu reisen und natürlich auch, worauf sie dabei achten müssen. Ich bin überzeugt: Immer, wenn man eine Reise beginnt und sollte sie auch nur zwei Wochen dauern, wird sie etwas in einem verändern.
Was war der überwältigendste Moment, den du auf Tour erlebt hast?
Puh, schwierig, mich nur für einen Moment zu entscheiden, für mich hatte natürlich jeder Ort etwas Besonderes und wir erlebten unterwegs eine Menge besonderer Momente. Aber eines zog sich durch alle Touren: Etwas, das wirklich überwältigte, war die Freundlichkeit der Menschen auf unseren Wegen.
Gab es kritische Situationen?
Zum Glück hatten wir auf Tour nur wenige kritische Momente, aber ja, es gab welche. Als wir das peruanische Amazonasgebiet durchquerten und durch wirklich abgelegene Gebiete kamen, waren ein paar Menschen aus einheimischen Siedlungen sehr abweisend und aggressiv. Es baute sich eine ziemliche Spannung auf. Durch geduldige Gespräche konnten wir aber schließlich alles klären. Auf YouTube gibt es einen Film über dieses Erlebnis mit dem Titel »La tierra de los shirampari«.
An deinem Rad hängt mittlerweile sogar ein Packraft – auf welches Gewicht kommst du so richtig vollgepackt?
Ja (lacht), ein Packraft auf dem Fahrrad dabei zu haben, bietet völlig neue Möglichkeiten! Das Gepäck ist dadurch zwar schwerer, aber wir fahren ja kein Rennen. Mit einem Packraft sind einem (fast) keine Grenzen mehr gesetzt, daher lohnt es sich total. Ich habe das Fahrrad nie so richtig voll beladen gewogen, aber ich würde sagen, dass es zwischen 35 und 40 kg wiegt, inkl. Essen für ein paar Tage und Wasser.
Was war der überflüssigste Gegenstand, den du jemals eingepackt hast?
Oh, da gab es schon eine Menge! »Unnötig« ist natürlich immer Ansichtssache. Aber wir haben schon Klappstühle, Hängematten und sogar einen 5-Liter-Topf, zum Kochen für extra viele Leute transportiert!
Ortlieb und du – wann habt Ihr Euch gefunden?
Ortlieb war der erste Partner überhaupt! Bereits seit Südamerika 2017 ist er an unserer Seite.
Gibt es ein Ortlieb Lieblings-Ausrüstungsteil?
Ich hab da viele liebgewonnen, aber das kürzlich herausgekommene Fuel Pack für Riegel und Snacks und die Gabeltasche Fork Pack stehen ganz oben auf der Liste.
Welche Packtaschenkombination macht für dich am meisten Sinn?
Es hängt immer stark von der Reise ab. Ich verändere mich ständig und probiere gern neue Dinge aus, aber die häufigste Kombination am Rad ist folgende: Handlebar pack + Accessory Pack, Außentaschen, Fuel pack, TopTube Frame pack, Seat pack, Fork packs.
Gibt es bereits ein nächstes großes Abenteuer?
Ooooohhhh ja! Wahrscheinlich das Größte, das es je gab. Dieses Jahr starte ich ein Projekt namens „ROAD TO IDITAROD“, das 5 Jahre dauert. Es ist ein Projekt, das viele Disziplinen vereint: Ultraradfahren, Winterexpeditionen, Winterrennen, alles auf Gravelbikes und Fatbikes. Ziel ist, die 1600 km lange Strecke von Anchorage nach Nome in Alaska während des IDITAROD Trail Invitational im Jahr 2028 erstmals zu absolvieren. Das Iditarod Trail Invitational ist eines der extremsten Events der Welt, bei dem die Teilnehmer schier unmenschliche physische, umweltbedingte und mentale Hindernisse bewältigen müssen, während sie den historischen Iditarod Trail im Winter mit dem Fahrrad, zu Fuß oder auf Skiern zurücklegen. Bis zu 30 Tage und Nächte unter eisigen Bedingungen, größtenteils auf sich allein gestellt.
WOW! Sag mal, wenn ich mit dem Radreisen beginne – hast du einen Routentipp für mich in Deutschland/Europa?
Wir haben in Europa großes Glück, das Routennetz ist riesig und vielerorts länderübergreifend. Grenzen gibt es kaum. Für mich ist Spanien eines der schönsten Radreiseländer (die ich kenne), mit so vielen einfachen aber auch schwierigen und sehr abgelegenen Routen.
Ich selbst lebe in Girona und die gesamte Gegend – vom Meer bis zu den Pyrenäen – ist ein absolutes Paradies für Radfahrer!
Was würdest du einem Anfänger raten?
Mach es! Geh‘ einfach raus und erkunde die Welt. Es ist völlig normal, am Anfang Ängste zu haben, aber die verschwinden viel schneller als erwartet. Eh du dich versiehst fühlst du dich pudelwohl dabei, jeden Tag mit dem Fahrrad neue Orte zu entdecken, zu campen und viele großartige Menschen auf dem Weg zu treffen. Vergiss niemals: Es gibt viel mehr Gutes als Schlechtes da draußen.
Perfekt! Danke Nacho und alles Gute für die kommenden Abenteuer!
INTERVIEW: André Tappe
FOTOS: Ignacio Pellejero, Gonzalo Zamorano, Simon Mendizabal