Mit Kindern in den Bergen unterwegs

Gemeinsam draußen

Wie kann ein Familienausflug ins Gebirge für alle zum Erlebnis werden?
Der Bergführer und vierfache Vater Julian Bückers kennt die Herausforderungen – und zeigt, wie gemeinsame Bergabenteuer gelingen können.


TEXT + FOTOS: Julian Bückers

Eine gute Zeit miteinander

Was braucht es, damit alle auf ihre Kosten kommen, wenn es als Familie in die Berge geht? Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es nicht – zu verschieden sind die Wünsche und Bedürfnisse, mit denen man unterwegs ist. Was für den einen Freiheit und Genuss bedeutet, kann für die anderen das Gegenteil sein. Und dennoch gibt es sie: die Momente, in denen alle zufrieden sind und das Miteinander reibungslos funktioniert. Der vierfache Vater, Bergführer, Fotograf und Kameramann Julian Bückers kennt diese Herausforderung aus nächster Nähe – und erzählt, wie man sie meistern kann.

»Meine Eltern und Großeltern haben mir diese Welt gezeigt – nicht aufgedrängt, sondern ganz natürlich nahegebracht.«

Ich erinnere mich gut an meine ersten Erfahrungen in den Bergen. Als Kind war ich oft mit meinen Eltern und Großeltern draußen unterwegs. Sie haben mir diese Welt gezeigt – nicht aufgedrängt, sondern ganz natürlich nahegebracht. Was ich dort erlebt habe, hat mich sehr geprägt. Es war der Anfang einer Leidenschaft, die bis heute anhält. Die alpine Natur gibt mir unglaublich viel Kraft und ich verspüre eine kindliche, nicht enden wollende Freude und Begeisterung, wenn ich mich in diesem Raum aufhalten darf. Für mich sind die Berge ein Ort von kreativer Entfaltung und sportlicher Herausforderung. Heute bin ich selbst Vater von vier Kindern und versuche gemeinsam mit meiner Frau, ihnen dieselbe Begeisterung für die Natur und die Berge weiterzugeben.

Wer stur dem Plan folgt, wird Frust ernten

Für uns als Familie ist das Gebirge ein Ort der Verbindung – mit der Natur und miteinander. Aber gleichzeitig wissen wir, wie herausfordernd es sein kann, mit Kindern draußen unterwegs zu sein. Denn gerade in der Familie treffen ganz unterschiedliche Erwartungen und Bedürfnisse aufeinander. Während Erwachsene oft ein konkretes Ziel im Kopf haben – den Gipfel, die Hütte, die Rundtour – leben Kinder viel stärker im Moment. Sie sehen den Bach, den Käfer, den Kletterbaum und möchten genau da verweilen. Auf langweiliges, monotones Dahingelatsche haben sie keinen Bock! Was also tun? Wer sich darauf einlässt, kann unglaublich viel entdecken. Wer stur seinem Plan folgt, wird unterwegs vor allem Frust ernten.

Als Familie waren wir im Sommerurlaub in der Dauphiné unterwegs, einer wilden und wunderschönen Region in den französischen Alpen. Die Gegend rund um Briançon bietet alles, was wir lieben: wilde Bäche, spektakuläre Berggipfel, schroffe Felsflanken und charmante Städtchen. Wir hatten unser Lager auf einem Campingplatz aufgeschlagen, der schnell zum Zentrum des Urlaubs wurde. Dort gab es andere Familien, ein Lagerfeuer am Abend und viel freie Zeit. Und drumherum: schier grenzenlose Möglichkeiten, draußen unterwegs zu sein. Mal war ich mit dem ältesten Sohn auf einer Mehrseillänge unterwegs, mal meine Frau mit den sieben- und zwölfjährigen auf einem Klettersteig. Auch elterliche Runden ohne Kinder durften im Sommerurlaub nicht fehlen. Und natürlich waren wir auch gemeinsam wandern, durch den sagenhaften Parc National des Écrins, vorbei an Murmeltieren, Wasserfällen und kargen Gipfeln.

»Oft geht es nicht um das Ziel,
sondern um das Erleben.«

Wichtig war dabei nicht nur die Auswahl der richtigen Touren, sondern vor allem die Haltung, mit der wir unterwegs waren. Denn oft geht es nicht um das Ziel, sondern um das Erleben. Darum, ob alle das Gefühl haben, gesehen zu werden. Gehört zu werden. Ob auch mal jemand sagen darf: Ich kann nicht mehr. Oder: Ich will hier noch bleiben. Wer es schafft, nicht nur als Organisator:in oder Animateur:in unterwegs zu sein, sondern als Teil einer kleinen Gruppe von Entdecker:innen, erlebt Berge auf eine ganz neue Weise. Mit den Jahren habe ich gelernt, dass es ein paar Dinge gibt, die Familien dabei helfen, ihre gemeinsame Zeit in den Bergen bewusst zu gestalten. 

Hier meine wichtigsten Erkenntnisse:

  • Grundlagen schaffen

    Wer Kinder mit in die Berge nimmt, sollte sich mit alpinem Risiko-Management und Tourenplanung gut auskennen. Es braucht Wissen über Wetter, die aktuellen Verhältnisse, Notfallstrategien und vieles mehr. Denn Kinder vertrauen uns Eltern. Und wir tragen die Verantwortung.

  • Flexibel bleiben

    Auch wenn man sich viel Mühe mit der Planung gemacht hat: Nicht der Plan ist heilig, sondern das Miteinander. Wer seine eigenen Bedürfnisse und die der Kinder immer wieder neu abgleicht, hat mehr vom Tag.

  • Kleine Dinge groß machen

    Die Welt steckt voller Entdeckungen. Wer mit offenen Augen unterwegs ist, sieht mehr: den Schwammerl am Wegesrand, das Vogelnest, den kühlen Stein. Oft reicht ein Perspektivenwechsel, um aus einem »langweiligen Weg« ein echtes Abenteuer zu machen.

  • Fantasie zulassen

    Kinder lieben Geschichten. Wenn aus einem Pfad ein Drachenweg wird, aus einer Höhle ein Schloss, wird die Wanderung zum Spiel. Das kostet nichts, braucht kaum Vorbereitung und wirkt Wunder.

  • Realistisch bleiben

    Was kann man sich als Familie zutrauen? Und wovon sollte man lieber Abstand nehmen? Das einzuschätzen, ist manchmal schwer. Aber es lohnt sich, ehrlich zu sich selbst zu sein – und lieber kleine Schritte zu machen, die allen guttun.

  • Ruhe zulassen

    Die Berge bieten nicht nur Bewegung, sondern auch Stille. Einen selten gewordenen Raum, in dem man ganz bei sich sein kann. Ohne Termine, ohne Medien, ohne Druck. Wer diese Qualität teilt, schenkt seinen Kindern etwas, das bleibt.

Ich bin sehr dankbar, dass meine Eltern und Großeltern mir diesen Raum bereits in jungen Jahren gezeigt haben. Dass ich heute dieselbe Erfahrung weitergeben darf, empfinde ich als großes Glück. Die Berge haben mir so viel geschenkt: Freude, Kreativität und Freiheit. Und sie tun es noch immer.

Julian Brückers

Über Julian Bückers

… ist Kameramann, Bergführer, Papa von vier Kids und Ehemann einer wunderbaren Frau, die dem Gleitschirmfliegen verfallen ist. Am liebsten hat er die frühen Morgenstunden, wenn die Bialetti röchelt und das erste Licht das Bröselchaos under dem Küchentisch perfekt in Szene setzt. Dies ist die Zeit, in der er neue, alpine Scharmützel erspinnt. Ganz egal ob allein, mit Freunden, mit seinen Gästen oder mit der ganzen Familie.
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