Kurztrip in den Süden Luxemburgs
Luxemburg ist klein, doch seine Kontraste sind groß: oben UNESCO-Altstadt, unten Flusstäler. Im Süden rostrote Landschaften, daneben eine junge Universitätsstadt zwischen Hochöfen. Ideal für ein Wochenende, an dem ihr viel erlebt und wenig organisiert: Der öffentliche Nahverkehr ist landesweit kostenlos – Bus, Bahn, Tram. Perfekt, um ohne Parkplatzsuche von der Hauptstadt in den Minett zu springen.
»Von den Gängen der Kasematten bis zum Staub der roten Erde sind es in Luxemburg nur ein paar Haltestellen. City und Minett: zwei Gegensätze, ganz nah beieinander.«
Hauptstadt zwischen Kasematten und Park
Luxemburg-Stadt ist ein komprimiertes Europa. Wir beginnen die Tour auf dem Bockfelsen über den Bock-Kasematten: einem Netz aus unterirdischen Gängen und Treppen, das die Stadt über Jahrhunderte zum „Gibraltar des Nordens“ machte. Teile sind begehbar, Ausblicke fallen durch Scharten hinab ins Alzette-Tal. Die Festungsreste gehören zum UNESCO-Welterbe-Ensemble von Altstadt und Fortifikationen – Geschichte zum Anfassen in angenehm kühler Luft. Danach hinab in den Grund: Zwischen Fluss, Brücken und Kopfsteinpflaster liegt das Kulturzentrum „neimënster“ in einer ehemaligen Abtei. Drumherum Cafés, kleine Plätze, Luxemburgisches und Internationales – von Bouchée à la Reine bis portugiesischen Pastéis. Wer die grüne Seite der Stadt sucht, folgt der Alzette zur Petruss. Das Tal wirkt wie ein Park, der in die Festungslandschaft hineingewachsen ist: Wiesen, Schatten, Bastionskanten. Hier liegt auch der „Skatepark Péitruss“ – rund 3.400 m² Gesamtfläche, davon etwa 2.500 m² Skating-Zone, elegant in historische Mauern eingebettet. Selbst als Zuschauer: ein Hingucker. Für den perfekten Bogen nehmt ihr zum Schluss den Panorama-Aufzug Pfaffenthal (gratis) zurück in die Oberstadt – etwa 71 Höhenmeter hinter Glas, die die Topografie der Stadt in Sekunden sichtbar machen. Route für Tag 1: Corniche – Treppen in den Grund – Petruss – Skatepark – Panorama-Aufzug – Oberstadt. Wer laufen mag, dreht hier einen 5-km-Loop mit kleinen Anstiegen.
Ausrüstungstipp: Low-Cut-Trailschuhe reichen, in den Kasematten ist eine dünne Softshell angenehm. Stirnlampe optional – das Handylicht genügt meist.
Südlich der Hauptstadt beginnt das Minett, das „Land der roten Erde“. Sahnestück: das Naturschutzgebiet Haard-Hesselsbierg-Staebierg zwischen Dudelange, Kayl und Rumelange. Etwa 600 Hektar, seit 1994 geschützt und Teil von Natura 2000, dem größten Naturschutzgebiet des Landes. Viele Wege führen über ehemalige Tagebauflächen: rostrotes Erzgeröll, Halden, lichte Birken, weite Halbtrockenrasen. Hier zeigt sich Renaturierung als Prozess: Pionierwälder aus Hängebirken, artenreiche Magerwiesen mit Orchideen, warme Kiesflächen als Reptilienhabitat, Abbruchkanten als Nischen für Vögel. Ein Naturwaldreservat bewahrt seltene Kalk-Buchenwälder. Wer aufmerksam schaut, sieht Eidechsen beim Sonnen oder hört die Heidelerche. Beste Lichtstimmung: spätes Nachmittags- und Abendlicht, wenn die Minette kupfern glüht. Einstiegspunkte liegen unter anderem an Waldparkplätzen rund um Kayl, Rumelange und Dudelange. Je nach Lust plant ihr kurze 4- bis 6-km-Schleifen oder längere Runden. Die Beschilderung ist ordentlich, die Wege streckenweise offen und sonnig. Wer noch mehr Kontext möchte, verknüpft die Haard mit dem Natur- und Waldzentrum im Ellergronn bei Esch – ein Beispiel dafür, wie aus Abbaulandschaft wieder Mosaike aus Teichen, Erlen-Eschen-Säumen und Trockenrasen werden. Übergeordnet hält die Auszeichnung der Region als „Minett UNESCO Biosphere“ seit 2020 den Rahmen zusammen: Natur, Wissenschaft, Kultur und Alltagsleben greifen hier bewusst ineinander. Für Mehrtageswanderer führt der Minett Trail auf rund 90 Kilometern quer durch die Biosphäre – mit elf außergewöhnlichen „Kabaisercher“ (vom Eisenbahnwaggon bis zur Dorfschule) als einfache, charaktervolle Unterkünfte.
Ausrüstungstipp: Hikingschuhe, 1-2 Liter Wasser, Sonnenschutz und eine leichte Windjacke. Fotofans profitieren von einem Polfilter – die Minette-Farben danken es.
Die Hochöfen von Belval
Belval ist Gegenwart und Erinnerung auf engem Raum. Zwischen Bibliothek, Studentenwohnungen und Cafés wachsen zwei stillgelegte Hochöfen in den Himmel – heute begehbar. Der Besuch beginnt in der Möllerei, dem ehemaligen Rohstofflager, wo Funktionsweise und Arbeitsabläufe erklärt werden. Danach führt ein Rundweg über Stege und Stahltreppen hinauf zur Plattform auf rund 40 Metern Höhe. Wer oben steht, versteht die Metamorphose der Region: unter euch die Cité des Sciences, drumherum ein Quartier im Umbau, dahinter die Dächer von Esch. Praktisch: Mit dem Direktzug erreicht ihr die Station Belval-Université. Von dort sind es nur wenige Minuten zu Fuß. Kulturanschluss? Gleich nebenan liegt die Rockhal, Luxemburgs wichtigste Konzertadresse. Tipp für die goldene Stunde: später Nachmittag – dann taucht die Sonne Rohre, Träger und Walkways in warmes Licht, und die Hochöfen werden zur Fotokathedrale. Es geht hoch hinaus: Bei Wind kann es auf den Treppen zugig werden.
Ausrüstungstipp: Leichte Jacke, rutschfeste Sohlen, Kamera mit Weitwinkel. Wer höhensensibel ist, plant kurze Pausen auf den Zwischenpodesten ein.
Es dampft und zischt im Fond-de-Gras
Im Fond-de-Gras wird Industriekultur lebendig. Der historische „Train 1900“ schnauft an Wochenenden und Feiertagen (Saison in der Regel Mai bis Ende September) auf der ehemaligen „Ligne des Minières“ zwischen Pétange und Fond-de-Gras. Pfeifen, Zischen, Kuppelstangen, ein kurzer Zeitsprung in die Frühphase der Industrialisierung. Ergänzt wird das Ensemble durch die „Minièresbunn“, eine Grubenbahn, die mit historischem Material vom Fond-de-Gras in Richtung Grube Doihl und weiter bis ins Grenzdorf Lasauvage fährt. Ein Abschnitt führt durch einen Tunnel von rund 1,4 Kilometern. Die Temperatur fällt, das Licht wird schwach. Ein Gänsehautmoment für Kinder und Erwachsene. Das Freilichtensemble ist ganzjährig frei zugänglich, die Fahrpläne der Museumsbahnen laufen saisonal, einzelne Aktionstage bringen Draisinenfahrten oder besondere Sonderzüge. In bequemer Distanz liegt der keltische Titelberg, eine bedeutende Siedlung der Treverer mit Wällen und Infotafeln – wer nach Dampf noch Energie hat, verknüpft Eisenzeit und Eisenbahn an einem Nachmittag.
Ausrüstungstipp: Robuste Schuhe und eine warme Schicht für die Stollen-Fahrt. Auch im Hochsommer ist unter Tage eine dünne Mütze oder ein Buff angenehm. Für Dampffans: ein Taschentuch gegen den Ruß – und um zu winken.
Kulinarische Vielfalt im Großherzogtum
Luxemburg is(s)t europäisch im Kleinen: Neben der eigenen Küche prägt vor allem Frankreich die Teller – dazu kommen zwei starke Einwanderungseinflüsse, die das Land geschmacklich verändert haben. Italiener:innen kamen ab Ende des 19. Jahrhunderts und in den 1920ern für Erzbergbau und Stahl in den Süden (Esch, Differdange, Dudelange, Rodange), Portugies:innen folgten ab den 1960/70er-Jahren.
Beide Communities wurzeln bis heute besonders im Minett, prägen aber längst die ganze Gastronomie: von Trattoria-Klassikern bis zu Pastelaria-Theken, vom Espressoduft bis zum Fischeintopf. Entdecken lässt sich das in allen Facetten: vegetarisch-weltläufig im Mesa Verde (Luxemburg-Stadt), levantinisch-mediterran mit Mezze und Sharing Plates im lebhaften Bazaar (Luxemburg-Stadt) und regional-mediterran mit Grillakzenten in der Brasserie Schäinerei (Differdange), die das Minett-Industrieflair fein aufgreift. So verbinden sich City und Süden auch kulinarisch: Geschichte auf dem Gaumen, Gegenwart auf der Karte.
Noch ein Wort zur Logistik
Dank kostenlosem öffentlichem Nahverkehr (!) lohnt es, das Auto stehen zu lassen: Hauptstadt ↔ Belval per Direktzug. Im Süden verbinden Regionalzüge und Busse die Startpunkte der Reservate, Museen und Hochöfen. Die nationale Mobilitäts-App hilft bei der Routenplanung in Echtzeit. Wer mit leichtem Gepäck reist, gewinnt Zeit und Nerven – und hat die Hände frei für Kamera, Imbiss, Kinderhand …
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TEXT: Tom Jutzler
FOTOS: André Schösser