Wenn ich an Lappland denke, dann denke ich an Einsamkeit. An endlose Weiten, unberührte Landschaften und an die raue Natur, die so viel größer ist als wir Menschen. Und an den Weihnachtsmann. Es gibt Orte, die einen zu den Ursprüngen zurückholen – Lappland ist einer dieser Orte. Genau hier beginnt mein Abenteuer. Doch von vorn.
Es ist Samstagabend. Wir treffen uns am Stockholmer Flughafen Arlanda. Ein wuseliger Ort, viele neue Gesichter. Wir sind eine bunt gemischte Truppe aus verschiedenen Ecken der Welt: Polen, Frankreich, den USA, Italien und natürlich Schweden. Außerdem noch zwei Globetrotter-Kollegen aus Hamburg: Carl und Scott. Einige sind erfahrene Outdoor-Hasen, die mit allen Wassern gewaschen sind. Andere – wie ich – wagen sich zum ersten Mal auf eine Tour durch Lapplands Wildnis. Die Gespräche plätschern noch etwas unsicher dahin, man tastet sich vorsichtig heran. Es gibt ja noch genug Zeit, sich kennenzulernen. Was uns bislang eint: Wir alle sind auf Einladung von Fjällräven Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Camp Bergtagen. Im Alt-Schwedischen bedeutet Bergtagen so viel wie „vom Berg ergriffen“ oder „von den Bergen eingenommen“. Und auch wenn das Wort aus Schweden stammt, ist das Gefühl, von der Natur oberhalb der Baumgrenze fasziniert, begeistert und herausgefordert zu werden, sicher universell. Doch ob das am Ende auch für mich, als Gewächs der Norddeutschen Tiefebene, gilt?
Norden der Welt
Am Sonntagmorgen wird es ernst. Früh raus aus den Federn, denn um 8 Uhr hebt unser Flieger gen Norden ab. Zu meiner Überraschung ein vollbesetzter Airbus statt einer kleinen Propellermaschine, wie ich eigentlich erwartet habe. Kaum geht es los, döse ich ein.
Die Ankunft in Kiruna ist wie ein Weckruf – es ist frisch, die Luft nasskalt, und irgendwie riecht alles nach Abenteuer. Die ganze Gegend verbreitet eine Art Wildwest-Gefühl. Kiruna, die Stadt im äußersten Norden von Schwedisch-Lappland, beherbergt die größte unterirdische Eisenerzmine der Welt und fördert jährlich Millionen Tonnen des wertvollen Gesteins zutage. Ewig lange Güterzüge rumpeln lautstark durch die Landschaft. „The sound of money“, wie einer unserer schwedischen Kollegen treffend formuliert.
Die Straßen sind gesäumt von Matsch, Kipplastern und großen Pickup-Trucks, und irgendwie verspüre ich den starken Wunsch, mir diese spezielle Stadt einmal richtig anzusehen. Doch das muss ich auf ein anderes Mal verschieben. Mit dem Bus geht es vom Flughafen direkt nach Nikkaluokta. Knapp 60 Kilometer durch karge Landschaften mit wenig Verkehr, dafür umso mehr Rentieren, die den Bus einmal zu einer heftigen Vollbremsung zwingen. Unsere Reise endet abrupt am sogenannten End of the Road. Passender könnte ein Name nicht sein. Hier ist Schluss für alles, was Räder hat. Von nun an geht es nur noch zu Fuß oder per Hubschrauber weiter. Nach einer kurzen Stärkung – Rentier mit Kartoffelbrei und Preiselbeeren, wie es sich für Lappland gehört – packen wir unsere Rucksäcke. Die Aussicht auf knapp 13 Kilometer Marsch am ersten Tag lässt die Füße schon kribbeln. Jeder schultert seinen Rucksack und los geht’s – der Beginn unseres Abenteuers. Das Ziel: Ein Zeltplatz irgendwo in der Nähe der legendären Kebnekaise Fjällstation.
Das Wetter meint es gut mit uns, zumindest vorerst. Wir wandern durch diese unendlich wirkende Landschaft, vorbei an kleinen Bächen, moosbedeckten Hügeln, über Holzplanken und durch lichte Birkenwälder. Die ersten Kilometer laufen sich fast wie von selbst, und ab und zu kommt sogar die Sonne raus. Doch Lappland wäre nicht Lappland, wenn es nicht auch seine Launen hätte. Am Nachmittag ziehen dunkle Wolken auf, und der Regen erwischt uns eiskalt. Innerhalb von Minuten sind wir durchnässt. Der Weg wird rutschig, jeder Schritt fühlt sich schwerer an. Aber wir sind ja hier, um Abenteuer zu erleben – und dazu gehört eben auch die Unberechenbarkeit des Wetters. Als wir unseren Zeltplatz erreichen, sind wir durch, aber glücklich. Schnell wird alles in den Zelten verstaut, das Dryfood-Abendessen schmeckt wie ein Drei-Sterne-Menü, und anschließend sacken wir alle satt und müde in die Schlafsäcke. Das Prasseln des Regens wiegt uns sanft in den Schlaf. Hach.
It’s a Long Way to the Top (If You Wanna Bergtagen)
Der Montagmorgen beginnt leider viel zu früh – 5:30 Uhr aufstehen, 7 Uhr Abmarsch. Noch etwas verschlafen stehe ich da, während ich das heiße Wasser in mein Blaubeermüsli gieße und in die endlose Landschaft blicke. Der Plan für heute? Eine Klettertour auf den Tuolpagorni, einen vorgelagerten Berg im Schatten des großen Kebnekaise, Schwedens höchstem Gipfel. Der Name klingt harmlos, doch aus der Ferne erinnert mich der wolkenverhangene Berg mit seinem dunklen Fels und der unheimlichen Einkerbung am Gipfel irgendwie an Mordor.
Nach einer eineinhalbstündigen Wanderung durch unfassbar schöne Landschaften stehen wir schließlich am Fuß des Berges. Entlang eines kleinen Gebirgsbachs starten wir unseren immer steiler werdenden Aufstieg bis zu einem kleinen Plateau. Dort teilen uns unsere Guides in neun Seilschaften ein, wir schnüren unsere Gurte fest – und dann geht es los. Der Kletterteil des Aufstiegs ist steil, oft rutschig, und hier und da fragt man sich, wie man das nasse Gestein vernünftig greifen soll. Ich habe schon so manche Wanderung hinter mir, aber das hier ist etwas anderes. Ohne Stahlseil, ohne dauerhafte Sicherung am Fels. „Via ferrata without the ferrata“, wie unser Guide Isaac auf meine Frage, ob wir nun einen Klettersteig gehen, antwortet. Manchmal bleibt das Herz kurz stehen, wenn der nächste Schritt etwas zu wackelig ausfällt oder es keinen festen Halt zum Greifen gibt. Aber genau das macht es irgendwie auch aus: diese Mischung aus Adrenalin und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten – und natürlich in unsere hervorragenden Bergführer von den Svenska Bergsguideorganisationen (SBO).
Der Tuolpagorni erhebt sich auf eine Höhe von 1.662 Metern und zeichnet sich durch seine außergewöhnliche, kegelförmige Silhouette aus. Besonders auffällig ist die große schüsselförmige Mulde an seiner Nordseite, die dem Berg eine einzigartige Form verleiht.
»Oben auf dem Tuolpagorni fühle ich mich klein und groß zugleich. Klein angesichts dieser mächtigen Natur, die sich unter uns erstreckt. Groß, weil ich es als absoluter Noob hierher geschafft habe – trotz der Zweifel, trotz der Ängste.«
Nach mehreren Kletterpassagen und einem letzten steilen Anstieg erreichen wir den Gipfel. Der Ausblick? Fantastisch. Die Anstrengung? Vergessen. Oben auf dem Tuolpagorni fühle ich mich klein und groß zugleich. Klein angesichts dieser mächtigen Natur, die sich unter uns erstreckt. Groß, weil ich es als absoluter Noob hierher geschafft habe – trotz der Zweifel, trotz der Ängste.
Der Abstieg ist nicht weniger aufregend. Über lose Geröllfelder geht es bergab, jeder Schritt will wohlüberlegt sein. Auch der restliche Rückweg ist gesäumt von Geröll und Felsen, die das Laufen nach einiger Zeit zur Tortur machen. Die Füße schmerzen, und ein Ende der Steinwüste ist nicht in Sicht. Langsam resigniere ich. Lieber klettere ich den Berg wieder rückwärts herunter, als noch einen Meter über diese blöden Steine zu laufen. Meine Laune bessert sich schlagartig, als der Funkmast der Fjällstation in Sicht kommt. Nun ist es nicht mehr weit.
Nach 9 Stunden erreichen wir endlich das Camp. Ich bin erschöpft, aber unendlich stolz auf das, was wir heute geleistet haben. Der Abend wird gebührend gefeiert: Unsere Mountain Guides überraschen uns mit Käse, Rentierwurst und – kein Scherz – Champagner. Wer hätte gedacht, dass sich Luxus und Wildnis so gut vertragen?
Dienstag, der Tag der Rückkehr. Die Sonne strahlt, und doch liegt ein Hauch von Melancholie in der Luft. Wir wissen, dass unser Abenteuer langsam zu Ende geht. Knapp 13 Kilometer trennen uns noch von Nikkaluokta, und dieser Weg fühlt sich anders an als der Hinweg. Es ist ruhig, jeder hängt seinen Gedanken nach. Die Weite Lapplands hat uns geerdet.
Sechs Kilometer vor dem Ziel wird es noch einmal Zeit für eine letzte echte lappländische Pause: Es gibt – natürlich – Rentierburger bei „Lap Dånalds“. Und ich frage mich, ob es in diesem Teil Schwedens überhaupt so etwas wie Vegetarier oder gar Veganer gibt.
Als wir in Nikkaluokta ankommen, wartet bereits unser Bus. Ziel: Abisko. Hier treffen wir auf die freiwilligen Helfer der zeitgleich stattfindenden Fjällräven Classic und feiern diejenigen, die die Classic schon erfolgreich beendet haben. Mein Highlight des Tages? Eine Dusche und ein richtiges Bett. Der Abend klingt gemütlich aus. Bei gutem Essen sitzen wir zusammen, tauschen Geschichten aus und lassen das Erlebte Revue passieren.
Leaving On A Jet Plane
Am nächsten Morgen bringt uns der Flieger pünktlich zurück nach Stockholm. Die Rückreise fühlt sich fast surreal an. Vor ein paar Tagen haben wir uns noch über das Wetter beschwert, über rutschige Felsen gekämpft und in der Wildnis gezeltet – jetzt sitze ich wieder an einem internationalen Flughafen, esse einen Cheeseburger für 18 Euro und bin zurück in der Zivilisation. Doch Lappland lässt einen nicht los. Es hat sich in mein Herz gegraben, mit seiner rauen Schönheit und der majestätischen Natur, die mich ab und zu auch an meine Grenzen gebracht hat. Ich bin müde, aber erfüllt. Und eines ist sicher: Lappland hat mich nicht zum letzten Mal gesehen.
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