
Von Müll zum Rucksack: Vier Franzosen schreiben die Geschichte ausgedienter Outdoor-Ausrüstung neu. Die ganze Gründer-Story.




Alles hat ein Ende…Ist das wirklich so oder besser gesagt: Muss das so sein? Geht es nach Benoît Gourlet, Matthias Goulard, Nathan Douillard und Maxime Labat, so steckt in dieser Aussage viel Unwahres. Vor allem, wenn es um Outdoor-Equipment geht, dem die vielen Abenteuer in den Bergen, auf dem Wasser und auf Reisen anzusehen sind. Während die meisten denken, weg damit, schließlich ist es kaputt und erfüllt nicht mehr seinen Zweck – Ende der Abenteuergeschichte – sehen die vier Franzosen dafür eigentlich keinen Grund. Sie selbst sind leidenschaftliche Sportler, Abenteurer und Liebhaber der Weite und verbringen Wochenenden, Urlaube und so viel freie Zeit wie möglich in der Natur. Dass diese unter den Exzessen von Industrie und Handel leidet, nahmen sie zum Anlass, die Art wie wir konsumieren, produzieren und verkaufen zu überdenken. Sie erkannten das Potenzial, das in ausrangiertem Outdoor-Equipment steckt – eine Geschichte, die weitergeschrieben werden sollte, wobei die Hauptcharaktere die gleichen bleiben.
Eine bestehende Ressource
Materialien folgen in unserer Gesellschaft aus Sicht der Franzosen dem ewig gleichen Kreislauf. Ressourcen werden geformt, in ein Zelt, eine Isomatte, ein Kajak oder ein Crashpad verwandelt, ausgiebig genutzt, nach einiger Zeit weggeworfen und bestenfalls recycelt. Diesen Kreislauf zu durchbrechen, war die Initialzündung für La Virgule (Französisch für „das Komma“). So ist „La Virgule“ wie eine Pause, ein tiefer Atemzug, um Dinge mit mehr Bewusstsein zu tun, damit nach dem Komma eine neue Geschichte beginnen kann.
Ende 2018, nach drei Jahren in der Produktentwicklung bei einem großen französischen Sportartikelhändler, war Benoît entschlossen, eine neue Herausforderung anzunehmen: allen Outdoor-Produkten am Ende ihres Lebens ein weiteres zu geben. Zu ihm gesellte sich Maxime, ein ehemaliger Profi-Windsurfer in seinem letzten Jahr an der EDHEC Business School in Lille. Auch Matthias Goulard, Designer beim gleichen Sportartikelhändler wie Benoît, war von der Idee überzeugt und mit von der Partie. Zusammen wollten die drei etwas schaffen, das für jeden praktisch ist, dauerhaft, reparierbar, stilvoll und dessen Auswirkungen auf Klima und Biodiversität so gering wie möglich sind. Ihnen war klar, dass sie aus ihrem Equipment mehr machen wollten, als es später einmal in die Tonne zu werfen. Müssen abgenutzte Zelte verbrannt werden? Muss ein beschädigtes Kajak verschrottet werden? Nicht wirklich, doch der Aufwand, die bestehenden Komponenten zu isolieren und ihnen ein neues Leben zu geben, ist den meisten Unternehmen zu aufwändig. Genau hier setzte La Virgule an.

Vom Crowdfunding zur Expansion
Die Herausforderung für die Gründer: Aus einem in die Jahre gekommenen Produkt ein neues machen, dem die Spuren der Vergangenheit nicht anzusehen sind. Dabei lange Transportwege vermeiden sowie die Materialien in Europa sammeln. Und den hohen Anforderungen der Gründer und Kund:innen gerecht werden. Viele Hürden, von denen sich die Jungs nicht abhalten ließen. Im Juni 2019 riefen sie eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben, um La Virgule zu gründen – mit großem Erfolg und hoher Nachfrage. Im Oktober desselben Jahres registrierten sie ihre Marke. Das erste Produkt wurde im Dezember 2019 veröffentlicht: Ein Rucksack gefertigt aus einem aufblasbaren Kajak. Im Jahr 2020 schloss sich Nathan dem Abenteuer an und übernahm das Web-Marketing. Denn La Virgule expandierte weiter mit der Markteinführung ihrer Duffle Bag und den Rahmenfahrradtaschen. Zudem entstanden wichtige Kooperationen mit großen Herstellern, deren Anliegen es ebenfalls war, überflüssige Ressourcen und Abfälle aus der Produktion zu reduzieren bzw. sinnvoll zu nutzen.

Altes neu geschaffen
In den Büros in der GARAGE, einem Innovations-Zentrum im Herzen des nordfranzösischen Lille, entwerfen die vier Franzosen Rucksäcke, Fahrradtaschen und Duffles. Durch die kreative Idee und lokale Umsetzung entstehen aus alten Sachen hochwertige Produkte. Damit leisten die Erfinder einen wichtigen Beitrag, um wertvolle Ressourcen zu schonen und zeigen auf, dass ausgedientes Equipment sehr viel mehr ist als Müll. Doch aus einem Kajak wird nicht in einem Handgriff ein stylisher und langlebiger Wanderrucksack. Dahinter steckt ein aufwändiger Prozess aus Reinigung sowie Zuschneiden des Materials.
Das alles passiert in anspruchsvoller Handarbeit sowie mit fachkundigem Know-how. Aus diesem Grund arbeitet La Virgule mit Werkstätten und Partnern in Portugal, Deutschland, Nordfrankreich und der Slowakei zusammen, die die gleichen menschlichen und ökologischen Werte vertreten wie das Start-up. Hier fertigen fachkundige Hände an geeigneten (Näh-)Maschinen aus den ausgedienten Produkten neue Artikel, die die hohen Anforderungen der Nutzer:innen erfüllen und höchsten Outdoor-Ansprüchen gerecht werden. Getestet werden die Produkte vom La Virgule Team und Botschaftern in ganz Frankreich.

Dass die innovative Wiederbelebung und die stylishen Upcycling-Produkte von La Virgule großen Anklang und eine hohe Nachfrage finden, verdeutlichen die Zusammenarbeiten u. a. mit Sea Shepherd, Triban und ZAG Skis. Gesammelt, verarbeitet und vertrieben in Europa sind die Rucksäcke und Duffles für Outdoor und Alltag sowie die Fahrradtaschen fürs Bikepacking und Citybiken genauso einzigartig wie die Geschichte, die sie erzählen. Eine Geschichte, die zeigt, dass es eine Alternative zum linearen Entsorgen von Produkten gibt – und die von Neuem beginnen kann.



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