Pilotreise: Mit dem Hausboot durch den Kongo
Eine Fluss-Expedition ins Kongobecken ist auch heute noch ein veritables Abenteuer. Der Franzose Nicolas Ducret hat hoch gepokert und im »Herz der Finsternis« ein schmuckes Schiff an den Start gebracht.
TEXT: Günther Kast
FOTOS: Kast, Ehrlich, Ducret
Die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für die Zentralafrikanische Republik (ZAR) liest sich wie die Packungsbeilage eines Medikaments mit besonders schweren Risiken und Nebenwirkungen. Doch die Region um Bayanga am Ufer des Sangha, einem rechten Nebenfluss des Kongo im Dreiländereck ZAR, Kamerun und Republik Kongo (RK), präsentiert sich eher als harmloser Hustensaft: Männer in schlanken, wackeligen Holzkanus werfen ihre Netze nach Fischen aus. Frauen waschen am Ufer Kleidung. Kinder baden im braun-trüben Wasser, während Graupapageien in strammer Formation zu ihren Nachtquartieren im dichten Regenwald fliegen. Die Kindersoldaten der Milizen, die Wagner-Söldner, die in der ZAR Angst und Schrecken verbreiten – sie sind hier gefühlt Lichtjahre entfernt. Und obwohl es eine trügerische Ruhe ist, lässt sie sich genießen. Schon jetzt ist klar: Sich dem schwarzen Herz Afrikas auf dem Wasser zu nähern, ist nicht nur sicherer sondern auch viel bequemer als über Lehmpisten mit Schlaglöchern groß wie Vulkankrater zu rumpeln und Wegelagerern alle paar Kilometer Geldscheine in die Hand zu drücken.
Mit Motorbooten geht es anderntags weiter flussaufwärts ins Dzanga-Sangha-Schutzgebiet. Die Strohhütten der am Ufer lebenden Ba Aka, despektierlich Pygmäen genannt, fliegen an uns vorbei. In den verrußten Töpfen über dem offenen Feuer garen Kochbananen und Maniokknollen. Nahe der Doli-Lodge, einer von nur zwei Unterkünften im Reservat, beginnt die kurze Wanderung zur Dzanga Bai. Diese große Lichtung im Regenwald ist weltberühmt, denn nirgendwo lassen sich Waldelefanten besser beobachten. »Etwa die Hälfte der 2.500 bis 3.000 Dickhäuter im Park kommt regelmäßig zur Bai«, erklärt die deutsch-argentinische Biologin Ivonne Kienast, die hier lebt und forscht. »Die Tiere finden Mineralstoffe, Wasser und proteinreiche Vegetation, die es im Wald nicht gibt.« Schon bei der Ankunft an der auf langen Holzpfählen thronenden Aussichtsplattform, auf der wir in kleinen Zelten campieren werden, sehen wir nicht nur mehrere Dutzend der Rüsselträger, sondern auch eine ganze Herde Bongos, eine seltene Waldantilopenart. Mit ihrem gestreiften Fell, den großen Kulleraugen und den riesigen Ohren stehlen sie den Elefanten die Schau, ehe sie der geheimnisvolle Wald, der wie der Vorhang einer Opernbühne wirkt, wieder verschluckt.
Und laust der Affe
Die Bongos entschädigen dafür, dass die Visite bei unseren engen Verwandten, den Westlichen Flachland-Gorillas, ausfallen muss. Zwar leben im Dzanga-Sangha-Reservat, im benachbarten Nouabalé-Ndoki-Nationalpark in der RK und dem Lobéké-Nationalpark in Kamerun, die zusammen das Trinationale Schutzgebiet am Sangha bilden, noch mehrere Tausend der sanften Riesen. Doch in den an Menschen gewohnten Gruppen hat es kürzlich Unfälle und Revierkämpfe gegeben, so dass aktuell keine der Affen-Familien von Touristen besucht werden kann. Die Tracker der Ba Aka führen uns stattdessen zu Olivmangaben. Allein: Die silber-grauen Äffchen hangeln sich mit ihren Greifschwänzen und langen Gliedmaßen so flink von Baumkrone zu Baumkrone, dass es uns schwer fällt, ihnen auf den Fersen zu bleiben.
Schweißgebadet und ziemlich zerstochen kehren wir zu den Motorbooten zurück. Wir genießen die Brise, die uns während der achtstündigen Rückfahrt nach Ouesso in der RK um die Nase weht, wo die 52 Meter lange Princess Ngalessa am Ufer des Sangha vertäut ist. In Ouesso hatte uns eine aus der Hauptstadt Brazzaville kommende Propellermaschine vor einer Woche ausgespuckt. Keine halbe Stunde später saßen wir auf dem holzgetäfelten Oberdeck des Schiffes und sahen zu, wie ein Tropengewitter aufzog: Wie eine Walze schob sich die Regenwand heran. Verdunkelte die Szenerie. Hüllte alles in eine Wolke aus Wasserstaub, die die Container und Lastwagen, die auf der Fähre über den Sangha gezogen wurden, verschwimmen ließ. Blitze zuckten über dem Regenwald, über dem Wasser. Wir wunderten uns, wie erstaunlich gelassen die Einheimischen in ihren Kanus blieben. Afrika dreht sich nicht schneller, nur weil ein Sturm aufzieht.
Als der Regen heftiger wurde, flohen wir in den Speisesaal, wo eine Karte an der Wand eine geografische Standortbestimmung erlaubte. Reist man auf dem Sangha flussabwärts, ist da über Hunderte von Kilometern nichts als Regenwald zu beiden Seiten des Ufers: keine Straße, keine größere Stadt, kein Funkmast, keine Stromleitung. Bei Mossaka mündet der Sangha in den Kongo, den mit fast 4.400 Kilometern zweitlängsten Strom Afrikas nach dem Nil. Auf der Karte sieht man, dass der legendäre Fluss, den Henry Morton Stanley im Auftrag des belgischen Königs erkundete, im Süden der Demokratischen Republik Kongo (DRK) westlich von Lumumbashi entspringt. Er wendet sich nach Norden, bildet bei Kinsangani einen Knick, stürzt bei Boyoma als Wasserfall in die Tiefe und sucht sich als Grenzfluss zwischen DRK und RK seinen Weg bis zu den sich gegenüberliegenden Hauptstädten Brazzaville (RK) und Kinshasa (DRK), um sich dann in einem breitgefächerten Delta in den Atlantik zu ergießen.
Nicolas Ducret kam 1980 in Nantes zur Welt. Seine Mutter arbeitete für einen Radiosender und stellte in ihrer Sendung Reisebücher vor. »Zuhause lagen stets Rezensionsexemplare auf dem Tisch. Gierig verschlang ich die Erzählungen aus aller Welt«, erinnert sich Ducret. Er beendete zwar das Wirtschafts-Studium in Dijon mit einem Diplom, stieg aber mit 22 auf sein Rad und fuhr ein Jahr lang durch 26 Länder. Später überquerte er den Atlantik in einem Segelboot, arbeitete für eine NGO in Darfur (Sudan) und ritt mehr als 3.000 Kilometer durch Zentralasien.
Mit 31 heuerte er bei der französischen Außenhandelskammer in Moskau an, deren Vize-Chef er war, als er 2020, mitten in der Pandemie, die Kündigung einreichte. Er wollte einen Neustart, träumte von einem kleinen Schiff mit maximal 25 Passagieren, mit dem er Gästen die Polarregionen Russlands zeigen würde. Der russische Angriff auf die Ukraine machte ihm einen Strich durch die Rechnung – und in Spitzbergen und Grönland gab es solche Boutique-Schiffe bereits. Also streckte er die Fühler nach Zentralafrika aus. Reiseveranstalter signalisierten ihm, dass er mit einer Flussreise auf dem Kongo in eine Marktlücke stoßen könnte.
»Mir war klar, dass ein solches Abenteuer in Brazzaville beginnen muss«, erzählt Ducret. »Die Republik Kongo ist politisch stabil und es gibt keine Reisewarnungen, während das auf der anderen Flussseite gelegene Kinshasa als eine der gefährlichsten Metropolen der Welt gilt.« Allein: Die Banken gaben ihm kein Geld, um den Bau eines Schiffes zu finanzieren. Per Zufall entdeckte er »sein« Schiff, das 2017 von einer belgischen Reederei in Kinshasa für den Innenminister der RK Kongo als Party-Boot gebaut worden war und die meiste Zeit bei Brazzaville vor Anker lag, bewacht von einer gelangweilten Crew. Es folgten zweieinhalb Jahre zäher Verhandlungen, bis Ducret einen acht Jahre laufenden Pachtvertrag in der Tasche hatte. Die Details spart er sich, aber dass es für ein solches Geschäft in einem Land, in dem wenig ohne Schmiergeld und nichts ohne Beziehungen läuft, Nerven wie Drahtseile braucht, versteht sich von selbst. Allein die Registrierung der Princess Ngalessa, die damals noch anders hieß, dauerte ein ganzes Jahr. »Zeitweise war der Minister ein halbes Jahr von der Bildfläche verschwunden und gar nicht zu erreichen«, sagt Ducret. »Nur, um dann eines frühen Morgens anzurufen, so als ob nichts gewesen wäre.«
Mehr als eine halbe Million Euro investierte Ducret in sein Baby und dessen Generalüberholung. Im Mai 2024 war die Renovierung abgeschlossen, die »Prinzessin« ist jetzt ein Vier-Sterne-Schiff mit 14 Kabinen – nicht übertrieben luxuriös, aber doch komfortabel und auf einem Niveau, wie es dieser Teil der Welt noch nicht gesehen hat. Ein Koch, der in Frankreich Erfahrungen sammelte, sorgt für Abwechslung auf dem Teller und serviert schon mal frech Froschschenkel, schließlich fühlt man sich in der ehemals französischen Kolonie der Grande Nation noch immer verbunden. Drei Alu-Boote mit Außenborder-Motoren stehen für Ausflüge bereit, stabile Kajaks für Paddeltouren in Seitenarme der Flüsse. Am wichtigsten findet Nicolas jedoch: »Die Republik Kongo ist ein sehr sicheres Reiseland.« Leider würden die beiden Kongos allzu oft in einen Topf geworfen. »Da braucht es noch Aufklärungsarbeit.«
Dazu beitragen möchte auch Jörg Ehrlich, einer der Gründer des Dresdner Veranstalters Diamir Erlebnisreisen. Ehrlich hatte Ducret auf einer Fachmesse in Kapstadt kennengelernt und war sofort angefixt von der Expedition ins Herz Afrikas. Er erweiterte das Programm sogar noch um spannende Abstecher wie den Ausflug zu den Bonobos in der DRK.
Mehr Infos unter www.expeditions-ducret.com
Kreuzfahrt mit Hindernissen
Bei der Ankunft in Brazzaville hatten wir die Stromschnellen gesehen, die vom Atlantik kommenden Kähnen den Weiterweg stromaufwärts versperren. Fluss-Reisen mit klassischen Kreuzfahrt-Reedereien wie etwa auf dem Amazonas gibt es deshalb nicht. Und es gäbe vermutlich auch kein großes Publikum dafür. Der Kongo, der zwei Ländern den Namen gibt, ist wilder und gefährlicher als sein Pendant in Südamerika. Er schlängelt sich als braunes Band durch das grüne, aber auch das dunkle, das gebrochene Herz Afrikas. Die DRK, einst Privatbesitz des größenwahnsinnigen belgischen Königs, hat sich von der brutalen Ausbeutung während der Kolonialzeit nie erholt, ist heute die viertärmste Nation der Erde – ein gescheiterter Staat, 60-mal so groß wie Belgien, aber mit nur 3.000 Straßenkilometern. Deshalb ist der Kongo als Transportweg so wichtig: für Händler, aber auch für Schmuggler und marodierende Banden und Rebellen.
»Seinem Lauf zu folgen, ist eines der letzten großen Abenteuer Afrikas«, schwärmt Nicolas Ducret. Der Franzose ist Gastgeber auf der Princess Ngalessa. Und allein die Tatsache, dass er diesen komfortablen Kahn gegen viele Widerstände an den Start gebracht hat, ist schon ein kleines Wunder (siehe Textkasten). Jetzt soll es von Ouesso fast 900 Kilometer lang flussabwärts gehen, bis Brazzaville, dem Ausgangspunkt unserer Reise; zuerst auf dem Sangha, dann auf dem Kongo. Allerdings blickt Ducret sorgenvoll. Erstens bauen die Chinesen einige Kilometer stromabwärts von Ouesso eine Brücke, die so niedrig ist, dass die Princess Ngalessa nicht hindurch passt. Künftige Fahrten werden deshalb hier enden. Und zweitens haben bereits die Ausflüge mit den Alu-Booten vor Augen geführt, dass der Sangha viel zu wenig Wasser führt. Ständig mussten die Bootsführer um ausgedehnte Sandbänke herumkurven. »Wir haben zwar Trockenzeit. Aber der Wasserstand ist außergewöhnlich niedrig«, befindet Ducret.
Noch macht uns das keine großen Sorgen. Wir besuchen ein Denkmal für Gefallene im Ersten Weltkrieg, als sich hier – buchstäblich am Allerwertesten der Welt – Franzosen und Deutsche (aus Kamerun anrückend) gegenüberstanden. Plötzlich ein dumpfer Schlag. Der Mann, der das Denkmal bewacht und pflegt, hält eine Schlange in die Höhe, der er mit einer Hacke gerade den Kopf abgeschlagen hat. Seine Erklärung für das Massaker klingt einleuchtend: Die sei giftig und deshalb gefährlich. Man merkt mal wieder: Ein Ausflug in den Kongo ist eben doch etwas aufregender als ein Besuch des Kriegerdenkmals an Allerheiligen zuhause. Das gilt auch für den Gang über den Markt in Ouesso, wo statt veganer Brotaufstriche meterlange Krokodile aus dem Sangha mit zusammengebundener Schnauze angeboten werden und auf ihr Ende im Kochtopf warten.
Keine Handbreit Wasser unterm Kiel
Am nächsten Morgen weckt uns das Rumoren der Dieselmotoren. Es geht los! Wir lassen die ZAR und Kamerun hinter uns. Vor uns: ganz viel Wald, ganz wenig Mensch und noch weniger sogenannte Zivilisation. Anfang der Nullerjahre befuhr der englische Kriegsreporter Tim Butcher den Kongo nahezu auf seiner ganzen Länge. Die Achttausender im Himalaja und Touren zu den Polkappen konnte man da längst als Pauschalreise buchen. Doch Butchers Odyssee mit dem Titel »Blood River« faszinierte das Publikum und wurde schnell zum Bestseller, weil die wenigsten erwartet hatten, dass eine Reise auf dem legendären Fluss auch heute noch ein echtes Abenteuer ist.
Und manchmal auch ein unkalkulierbares. Mit einem Mal sitzt die »Prinzessin« fest. Das Gesicht des Kapitäns wird blass und blasser. Und auch die tiefen Falten auf seiner Stirn verheißen nichts Gutes. Wir sind auf einer Sandbank aufgelaufen. Ganz ohne Vorwarnung geschah das nicht. Bereits bei der Jungfernfahrt von Brazzaville nach Ouesso war das passiert, wissen wir von Ducret, allerdings viel weiter flussabwärts und bei nicht ganz so niedrigem Wasserstand. Die fortschreitende Trockenzeit ließ den Pegel zwischenzeitlich weiter fallen.
Trotzdem müssen wir diesen Schock erst einmal verdauen. Ist der Kongo nicht stellenweise bis zu 13 Kilometer breit? Ein beängstigend großer Strom, in dem eineinhalb Meter lange Tigerfische mit messerscharfen Zähnen leben, die es sogar mit einem Krokodil aufnehmen? Nennen die Einheimischen den Kongo nicht Nzadi – Strom, der alle und alles schluckt? Ja, breit ist auch der Sangha, aber eben nicht tief. Und bis zur Mündung in den Kongo sind es Hunderte von Kilometern. Blondschopf Ducret erinnert jetzt ein wenig an Klaus Kinski in Werner Herzogs monumentalem Film »Fitzcarraldo«. Kinski spielt darin den exzentrischen Abenteurer und Opernliebhaber Brian Sweeney Fitzgerald, der im Regenwald des Amazonasbeckens ein Opernhaus bauen will und dafür sogar ein Schiff über einen Berg ziehen lässt, um einen anderen Wasserweg zu erreichen. Allein: Hier gibt es weit und breit keinen zweiten Fluss hinter einem Bergrücken, der einen Ausweg bieten könnte. Da ist nur eine schier unendliche, grüne Hölle. Und das Risiko, weiter flussabwärts zu stranden, ist einfach zu groß – Ende einer Dienstfahrt sozusagen.
Ducret wäre jedoch nicht so weit gekommen, wenn er sofort aufgeben würde. Die Entscheidung fällt schnell: Für einige Tage soll sein Schiff als schwimmendes, stationäres Basislager dienen. Dann geht es über Land weiter, auf der einzigen Straße, die Ouesso mit Brazzaville verbindet. »Von den Kongolesen habe ich das Improvisieren gelernt«, verkündet der Franzose mit einem Augenzwinkern.
Zu Besuch bei den Ba Benzele
Spätestens bei der Ankunft im Dorf Tokou – 90 Kilometer und drei Motorboot-Stunden flussabwärts von Ouesso – ist sämtliche Enttäuschung vergessen. Die hier lebenden Ba Benzele gehören wie die Ba Aka zur Volksgruppe der Pygmäen. Früher lebten sie als Halbnomaden im Wald. Inzwischen sind sie teilweise sesshaft geworden und empfangen uns am Fluss mit großer Herzlichkeit. Das liegt zum einen daran, dass sie von Ducret Geld bekommen. Zum anderen aber auch daran, dass sie nur selten Weiße sehen und selbst neugierig auf die Besucher sind. Bei einem Frage- und Antwortspiel wollen sie wissen, wie wir zuhause Waldbüffel jagen. Tja, was sagt man da? Wie wär’s mit einer Gegenfrage nach ihrer Leibspeise. Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: Affe, Krokodil, Wildschwein, in dieser Reihenfolge. Später sehen wir ihnen zu, wie sie den Waldgeist-Tanz aufführen; wie sie aus Zweigen und Blättern Hütten bauen; aus getrockneten Palmfasern Körbe flechten.
Ausgesprochen klein sind die Ba Benzele übrigens nicht, auch wenn sie zu den Pygmäen zählen. Einige Teenager sind so hoch gewachsen, dass sie sich sogar in einem Volleyball-Team gut machen würden. Nur haben sie eben noch nie ein Netz oder einen Ball gesehen. Genauso wenig wie eine Straße, ein Auto. Nicht einmal Räder sieht man. Die Menschen hier wissen aber, dass es solche Dinge außerhalb ihrer Welt gibt. Es entwurzelt sie, lässt sie ratlos zurück. Einige Ältere haben bereits vormittags einen in der Krone sitzen. Alkoholismus ist wie bei vielen anderen indigenen Völkern ein ernstes Problem. Dennoch verläuft der Besuch entspannt. Wir erfahren, dass die Ba Benzele gern eine eigene Schule hätten, damit sie nicht die der Bantu im direkt angrenzenden Nachbardorf besuchen müssen. Die Bantu halten die Waldbewohner für Menschen zweiter Klasse, lassen sie oftmals für einen Hungerlohn auf ihren Feldern schuften.
Was von unserem Besuch hängen bleiben wird, wissen wir nicht so genau. Wie wird es sein, wenn alle zwei Wochen Weiße kommen? Man weiß nicht, ob es ihnen gefällt, oder ob sie es sich gefallen lassen. Die Ba Benzele kennen kein Geburtsjahr, das aus Ziffern besteht. Sie sind zum Beispiel im Jahr der großen Überschwemmungen geboren. Vielleicht werden sie künftig sagen: im Jahr, als die Touristen kamen.
Die nächste Station lässt uns etwas wehmütig werden: Wir blicken auf den Kongo, den wir seit Brazzaville nicht mehr gesehen haben. Eigentlich wollten wir mit dem Schiff kommen. Stattdessen bringen uns Allradautos ans Ufer auf der Republik-Kongo-Seite. Wir wollen in einer großen Piroge übersetzen nach Tshumbiri in der DRK, um die Bonobos beim Dorf Nkala zu beobachten. Dort wurde erst vor 20 Jahren eine große Gruppe dieser nur in der DRK beheimateten Menschenaffen entdeckt. Während in anderen Teilen des Landes während des Bürgerkriegs die meisten Bonobos von den hungernden Menschen gejagt und verspeist wurden, haben sie hier überlebt, weil die Dorfbewohner in den Primaten enge Verwandte sehen, die es zu schützen gilt.
Leider sind die Tiere, die selten Besuch von Touristen erhalten, sehr scheu. Nur mit viel Glück und Geduld gelingen uns einige scharfe Fotos. Dennoch fühlen wir uns privilegiert. Die Princess Ngalessa wird hier, auf dem mächtigen und ausreichend tiefen Kongo, künftig auf jeden Fall unterwegs sein können. Und dann ist es nur ein Katzensprung zu den Bonobos mit ihrem zur Nachahmung wärmstens empfohlenen Sozialverhalten, bei dem Konflikte in der Gruppe durch ausschweifenden Sex gelöst werden.
Bei der Rückfahrt mit einer wackeligen Piroge in die Republik Kongo, auf die andere Seite des Stroms, sehen wir ein in eine Rußwolke gehülltes Schiff, das sich flussaufwärts quält. Es ist hoffnungslos überladen: mit vor sich hin rostenden Baumaschinen, mit Holzstämmen, mit Haustieren, mit Menschen. Als der Kahn näher kommt, erkennen wir schwitzende Körper in zerrissenen Kleidern, eng zusammengepfercht, einige mit apathischem Gesichtsausdruck. Die Leute nehmen die strapaziöse Fahrt auf sich, weil es immer noch besser, noch sicherer ist, als in der DRK über Land zu reisen.
Wir sitzen alle im selben Boot? – Man sagt das so dahin. Aber es stimmt einfach nicht.
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So geht’s ins Kongobecken
Anreise
Am schnellsten und bequemsten mit Air France via Paris nach Brazzaville: www.airfrance.de
Einreise
Deutsche Staatsbürger benötigen für die Republik Kongo einen mindestens noch sechs Monate gültigen Reisepass, den Nachweis einer Gelbfieberimpfung und ein Mehrfach-Touristen-Visum. Dieses muss bei der Botschaft der RK beantragt werden.
Visa für die DRK und für die ZAR werden vor Ort organisiert und müssen nicht vorab beantragt werden.
Veranstalter
Die hier beschriebene Fluss-Expedition ist ein absolutes Novum auf dem Markt für Abenteuerreisen. Sie bietet die Chance, in Regionen des Kongobeckens vorzudringen, die man auf dem Landweg besser nicht ansteuert, weil es unsicher und sehr beschwerlich wäre. Allerdings ist auch bei dieser Schiffsreise Flexibilität gefordert. Nicht alles, was im Programm steht, lässt sich 1:1 umsetzen. Und letztendlich hängen Route und Reiseverlauf vom Wasserstand ab. Diamir Erlebnisreisen (www.diamir.de) bietet die Expedition auch 2026 wieder an. Genaue Termine auf der Website.