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Invasive Arten auf dem Vormarsch:
Was Outdoor-Fans wissen müssen

Invasive Arten sind eine wachsende Bedrohung für die Artenvielfalt – aber was genau bedeutet „invasiv” und welche Rolle spielen Outdoor-Aktivitäten bei ihrer Ausbreitung? Diese und viele weitere Fragen beantworten wir in unserem „Deep Dive“.

Für Touristen aus aller Welt sind sie ein Symbol für den schwedischen Sommer, für Einheimische jedoch ein echtes Ärgernis: Lupinen. So schön die bunten Blumenfelder entlang der Straßen auch sind, sie gehören eigentlich nicht in diese Landschaft. Lupinus polyphyllus stammt ursprünglich aus Nordamerika. Mittlerweile hat sich die Pflanze jedoch in weiten Teilen Nordeuropas ausgebreitet und verdrängt einheimische Arten.

Eine weitere Art sorgt derzeit für Angst und Panik unter europäischen Landwirten und Gärtnern: Obama nungara. Diese aus Südamerika stammende Plattwurmart jagt Regenwürmer, die wiederum für eine gute Bodenqualität wichtig sind und eine wichtige Nahrungsquelle für andere Tiere darstellen. Da der Wurm hier keine natürlichen Feinde hat, stellt er eine ernsthafte Bedrohung für die Artenvielfalt und die Bodenökologie dar. Beide Beispiele zeigen eindrücklich, wie sehr invasive Arten schon heute in unserem Alltag präsent sind. Doch was bedeutet „invasiv“ eigentlich?

Invasive Arten: auch Outdoor-Sportler können unbeabsichtigt zu ihrer Verbreitung beitragen.

Was sind invasive Arten?

Pflanzen, Pilze, Tiere oder Mikroorganismen, die in einer bestimmten Region nicht heimisch sind, werden oft als invasiv bezeichnet. Diese Einteilung ist jedoch nicht immer korrekt, da nicht alle fremden Arten auch invasiv sind. Arten, die in einem bestimmten Gebiet vorkommen, werden im Allgemeinen in heimische und nicht-heimische Arten unterteilt.

Letztere wurden durch menschlichen Einfluss in ein neues Ökosystem eingeführt – mal absichtlich, mal unabsichtlich. Nicht-heimische Arten werden wiederum anhand ihrer Geschichte in „Archaeobiota“ und „Neobiota“ unterteilt. 

Archaeobiota wurden vor der Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 eingeführt – beispielsweise mit Beginn der Landwirtschaft in der Jungsteinzeit oder durch die Römer in der Antike.

Neobiota sind alle Pflanzen, Tiere, Pilze oder Mikroorganismen, die nach 1492 vom Menschen in Regionen eingeführt wurden, in denen sie sich nicht auf natürliche Weise hätten ansiedeln können. Dies gilt beispielsweise auch für einige Nutzpflanzen, die heute aus der europäischen Ernährung nicht mehr wegzudenken sind: Die Kartoffel stammt ursprünglich aus Südamerika. Sie kam wahrscheinlich im 16. Jahrhundert nach Europa – und hat seitdem zahlreiche Hungersnöte verhindert.

Sind invasive Arten immer eine Bedrohung?

Es gibt jedoch auch nicht-heimische Arten, die eine Gefahr für Ökosysteme, Tiere, Pflanzen und Menschen darstellen. Sie werden als invasive Arten bezeichnet.

Laut einem Bericht der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) aus dem Jahr 2023 gibt es weltweit mehr als 37.000 gebietsfremde Arten. Über 3.500 davon sind als invasiv eingestuft. In Deutschland zählt das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mindestens 900 gebietsfremde Arten, von denen rund 90 als invasiv gelten. Die tatsächliche Zahl könnte jedoch höher sein. Nach Angaben der schwedischen Umweltschutzbehörde stellen 257 gebietsfremde Arten ein hohes Risiko für die Biodiversität in Schweden dar.

In seinem Bericht stellte der Weltrat für Biodiversität fest, dass invasive Neobiota weltweit massive Schäden verursachen: In rund 60 Prozent der Fälle waren sie ein wesentlicher Faktor für das Aussterben einzelner Tier- oder Pflanzenarten. In 16 Prozent der Fälle waren sie sogar die einzige Ursache.

Die Folgen dieser neuen Konkurrenz sind nicht immer so drastisch. Dennoch beeinflussen invasive Arten Stoffflüsse, Nahrungsnetze und biologische Wechselwirkungen und können so bestehende Ökosysteme und Kreisläufe verändern.

Invasive Arten wie der Riesen-Bärenklau haben sich bereits am Polarkreis ausgebreitet, wie hier auf den Vesterålen-Inseln.

Ökologische Veränderungen mit hohen Kosten

Auch wir Menschen spüren die Auswirkungen dieser Veränderungen: wirtschaftlich durch Ertragsverluste in der Land- und Forstwirtschaft oder durch steigende Gesundheitsrisiken wie Allergien. Wie ein internationales Forscherteam 2023 herausfand, verursachen invasive Arten bereits heute mehr Schäden als die meisten Naturkatastrophen: Zwischen 1980 und 2019 kosteten sie die Weltgemeinschaft 1.208 Milliarden US-Dollar. Seit der Jahrtausendwende sind die Schäden um 700 Prozent gestiegen. Die Daten zeigen: Invasive Arten sind ein wachsendes Problem.

Ein Beispiel für die Gesundheitsgefahr durch invasive Arten ist Heracleum mantegazzianum, allgemein bekannt als Riesen-Bärenklau. Sein Saft ist phototoxisch und verursacht schmerzhafte Hautreaktionen, seine Pollen können zudem Allergien auslösen. Eine weitere invasive Pflanze, die Beifußblättrige Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia), verursacht ebenfalls Heuschnupfen und Asthma. Bereits 2003 wurden die Kosten für das deutsche Gesundheitssystem durch die Ambrosie auf rund 32 Millionen Euro pro Jahr geschätzt.

Im Jahr 2015 haben sich alle EU-Mitgliedstaaten zur Prävention und Bekämpfung invasiver Arten verpflichtet. Da viele dieser Tier- und Pflanzenarten sich besser an den Klimawandel anpassen können, wird befürchtet, dass sie sich in Zukunft noch weiter ausbreiten werden.

Wie verbreiten sich invasive Arten?

Invasive Arten verbreiten sich auf vielfältige Weise: Einige gelangen als blinde Passagiere im internationalen Güterverkehr in ihre neue Heimat, andere werden bewusst eingeschleppt. Wieder andere Arten haben sich aufgrund des Klimawandels oder Veränderungen ihres Lebensraums in neue Gebiete ausgebreitet.

Auch Tourismus und Outdoor-Sportarten tragen zu ihrer Verbreitung bei. Obwohl die meisten durch die Handelsschifffahrt eingeschleppt werden, können Motor- und Segelboote, Kajaks und Kanus bewusst oder unbewusst zur Verbreitung invasiver Wasserpflanzen beitragen, indem sie Teile der Pflanzen abbrechen. 

Wassersportler sollten daher nach Möglichkeit das Befahren von Bereichen mit vielen Wasserpflanzen vermeiden und regelmäßig überprüfen, ob sich Pflanzenteile im Boot verfangen haben. Diese sollten im Abfallbehälter und nicht im Wasser entsorgt werden. Darüber hinaus sollten Kanus, Kajaks und ähnliche Ausrüstungsgegenstände regelmäßig gereinigt werden, insbesondere wenn sie in verschiedenen Seen und Flüssen verwendet werden.

Angler sollten ebenfalls ihre Ausrüstung regelmäßig reinigen, trocknen lassen und nur mit Ködern fischen, die aus denselben Gewässern stammen. Wenn Boote und Ausrüstung aus Gewässern mit Signalkrebsen in Gewässer mit Europäischen Flusskrebsen transportiert werden, besteht ein hohes Risiko, die Krebspest zu übertragen.

Selbst Pflanzensamen, Sporen und Insekten können als blinde Passagiere an Wanderschuhen und Sportgeräten wie Mountainbikes mitreisen. Daher empfiehlt das Julius Kühn-Institut (JKI), die Bundesforschungsanstalt für Kulturpflanzen in Deutschland, alle Outdoor-Ausrüstungsgegenstände nach einem Urlaub gründlich zu reinigen.

Auch Kajaks und andere Boote können zur Verbreitung invasiver Arten beitragen.

Invasive Arten und Wassersport – das Beispiel Tranås in Schweden

In der schwedischen Gemeinde Tranås im nördlichen Småland bereitet Nymphoides peltata, auf Schwedisch „sjögull” genannt, besondere Probleme. Die Pflanze sieht aus wie eine kleine gelbe Seerose, stammt aber ursprünglich aus Süd- und Mitteleuropa sowie Teilen Asiens und gilt in Deutschland als seltene und geschützte Art. In Nordamerika und Nordeuropa wird sie jedoch als invasiv eingestuft.

Der Grund dafür wird am Bootshafen der Kleinstadt besonders deutlich: Hier, wo der Fluss Svartån in den See Sommen mündet, bedeckt die Pflanze mittlerweile große Teile der Wasseroberfläche. Das hat schwerwiegende Folgen für das Ökosystem – der dichte Pflanzenteppich verhindert, dass genügend Licht den Flussgrund erreicht. Leben ist dort nicht mehr möglich.

Um die Ausbreitung zu stoppen, hat die Gemeinde Teile der Wasserfläche des Svartån im Ortszentrum abgedeckt und setzt auf Aufklärung und Sensibilisierung der Freizeitsportler und Bootsbesitzer.

Bedrohung für die Biodiversität in hochalpinen Regionen

In den Alpen haben sich invasive Arten bislang vor allem in den Tälern ausgebreitet. Da die Höhenlagen der Berge mit ihren rauen klimatischen Bedingungen hochspezialisierte Lebensräume darstellen, fiel es vielen Arten schwer, sich dort anzusiedeln. 

Forscher gehen jedoch davon aus, dass sich dies aufgrund des Klimawandels und der zunehmenden menschlichen Aktivitäten bald ändern wird. Die Folge: Nicht nur steigende Temperaturen und der Verlust geeigneter Lebensräume, sondern auch die Ausbreitung invasiver Arten werden die heimische Flora und Fauna zunehmend bedrohen.

Schon heute breiten sich solche Arten über Straßen und Wanderwege in höhere Lagen aus. Pollen, Samen und Sporen können als blinde Passagiere an Fahrradreifen, Schuhen oder Kleidung mitgenommen werden. Aus diesem Grund untersucht die internationale Forschungsinitiative MIREN (Mountain Invasion Research Network), wie sich invasive Pflanzenarten in Bergregionen ausbreiten und welche Folgen dies hat. Seit 2005 führt sie regelmäßig Erhebungen an ausgewählten Standorten entlang von Straßen und Wegen in den Alpen und anderen Bergregionen durch.

Invasive Arten: Besonders gefährdet sind abgelegene Bergregionen.

Bewusstsein, Sorgfalt und Citizen Science

Wie können Outdoor-Fans einen positiven Beitrag leisten? Der erste Schritt ist immer Wissen, um mehr über die Umgebung zu erfahren, in der wir wandern, Rad fahren oder Kajak fahren. Auch die regelmäßige Überprüfung und Reinigung der Ausrüstung kann dazu beitragen, die Ausbreitung invasiver Arten zu stoppen.

Auch die sogenannte Bürgerwissenschaft (Citizen Science) kann einen wertvollen Beitrag zur Bekämpfung der Ausbreitung invasiver Arten leisten. Einige europäische Länder bitten bereits die Öffentlichkeit um Mithilfe. So ruft beispielsweise die Schwedische Universität für Agrarwissenschaften (SLU) dazu auf, Funde invasiver Arten zu melden. In Deutschland gibt es in den verschiedenen Bundesländern entsprechende Anlaufstellen. Mit einer App zur Artenbestimmung können diese direkt vor Ort erkannt und dann an die zuständige Behörde gemeldet werden.

Text & Fotos: Miriam Ersch-Arnolds


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