Interview

Bergführerin, Kletterin, Mama:
11 Fragen an Rab-Athletin Nina Schlesener

Mehr als 100 Mal auf dem Watzmann, 13 Jahre Erfahrung als Bergführerin und unzählige Höhenmeter im Klettern: Nina Schlesener (42) wuchs in den Berchtesgadener Bergen auf, wo ihre Eltern einige Jahrzehnte als Hüttenwirte arbeiteten, und ist eine der wenigen Frauen unter deutschen Bergführer:innen. Im Eis- und Seilklettern hat sie an vielen Wettkämpfen teilgenommen und ist die steilsten Wände überall in der Welt hinaufgeklettert. 2024 bekam sie mit ihrem Mann, der ebenfalls Bergführer ist, ihren Sohn Laurenz.

Wir haben mit der Rab-Athletin über ihre Kunden, ihr Mama-Dasein und die persönliche Bergsport-Bucketlist gesprochen.

  • Nina Schlesener Interview mit der RAB-Athletin
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  • Nina Schlesener Interview mit der RAB-Athletin, Eisklettern
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Nina, du bist vor knapp einem Jahr Mama geworden. Wie geht es dir damit?

»Ich war gespannt, wie die Schwangerschaft verläuft, und hatte schon etwas Bammel, denn als selbstständige Bergführerin bin ich ja auf meinen Beruf angewiesen. Aber es verlief alles bestens. Drei Tage vor der Geburt war ich das letzte Mal beim Klettern und habe auch sonst bis zum Schluss ziemlich alles machen können. Bereits zwei Wochen nach der Geburt konnte ich direkt wieder klettern. Zwar gemütlich, aber es ging.«

Ende April bist du dann wieder bei deinem ersten Wettkampf gestartet.

»Genau, ich bin mit einer Gruppe von anderen Rab-Athleten beim Rab Gapa Trail gelaufen. Das waren 26 Kilometer und 1.000 Höhenmeter. Drei Monate zuvor konnte ich noch keinen Kilometer laufen, da war alles noch zu instabil. Dann ging es aber wieder besser und ich war guter Dinge, dass ich die 26 Kilometer ohne Inkontinenzeinlagen schaffe (lacht).«

Und als Bergführerin hast du auch direkt weitergemacht?

»Ja, ich habe im Mai entbunden und im Juni meine erste Führung gehabt. Aber nichts technisch Schwieriges, sondern ich war zunächst mit Wandergruppen auf gemütlichem Terrain unterwegs. Ich hatte dann bald meine erste Drei-Tages-Führung. Aber auch wenn ich eine gute Infrastruktur aus Eltern, Tanten und meinem Partner habe, ist es schon eine Challenge, das zu organisieren. Das war auch mit ein Grund, warum ich erst so spät Mama geworden bin. Ich wollte noch nicht so früh in die Verantwortung als Mutter hineinschlüpfen und mich voll auf das Bergführen konzentrieren.«

Du hast ja auch Sponsoren wie Rab, die wahrscheinlich eine gewisse Leistung von dir erwarten.

»Da bin ich echt froh, da war überhaupt kein Druck da. Die haben das eher gefeiert, dass ich trotz Schwangerschaft und Geburt weitergemacht habe. Da hilft mir wahrscheinlich auch meine mediale Präsenz im Bayerischen Fernsehen, die da etwas Druck rausnimmt. Aber auch sonst ist das bei Rab alles entspannt. Bei öffentlichen Auftritten soll ich die Marke repräsentieren, aber in keiner Weise aggressiv. Das schätze ich sehr. Es geht einfach darum, draußen schöne Erlebnisse in den Klamotten und mit der Ausrüstung der Marke zu haben.«

Wirst du den Fokus dieser Erlebnisse nun verändern oder so weitermachen wie zuvor?

»In diesem Jahr liegt der Fokus auf einem Buchprojekt, das sowieso leichtere Wanderungen in Bayern beinhaltet. Daher sind in diesem Sommer die Touren auch alle ein bisschen einfacher. Was ich derzeit nicht mehr mache, sind Mehrtagestouren mit Hütten. Ich konzentriere mich eher auf Tagestouren wie auf den Watzmann, also schon auch anspruchsvoll.«

Du führst nun seit mehr als 13 Jahren Menschen durch die Berge. Hat sich denn – abgesehen von deiner neuen Rolle als Mama – in deiner Tätigkeit etwas verändert?

»Zum einen das Buchungsverhalten. Ich kümmere mich auch um den E-Mail-Verteiler beim Bergführerverein in Berchtesgaden und merke, dass die Anfragen viel spontaner werden. Nun kommen die meisten Buchungen in einer Schönwetterphase und Anfragen sind auch nicht mehr so verbindlich. Zum anderen geht es den Menschen mittlerweile weniger um eine reine Bucketlist, die man als Alpinist früher eben abgearbeitet hat, sondern um Grenzerfahrungen. Die Kunde wollen einen Schritt weitergehen, suchen eine gewisse Ausgesetztheit und wollen sich mit ihren Ängsten konfrontieren – aber eben in einem professionellen Rahmen.«

Und wie sieht es bei dir aus – hast du eine Bucketlist?

»Absolut. Ich bin total gerne Mama und liebe mein Kind, aber als Freunde von uns jetzt in Amerika die Touren gemacht haben, die wir auch geplant hatten, weine ich schon ein bisschen. Zum Glück habe ich in den vergangenen 20 Jahren die Welt bereist und konnte an vielen Orten klettern. Aber auf meiner Liste stehen auf jeden Fall noch einige Touren in Amerika. Die Wände im Yosemite-Valley, wie der El Capitan, ziehen mich einfach magisch an. Ich bin dort schon einiges geklettert, aber ein paar Routen will ich noch machen. Das ist einfach mein Traumgebiet.«

Da ist der Watzmann nach mehr als 100 Besteigungen wahrscheinlich eher langweilig.

»Tatsächlich hat sich das nach dem Kind nun etwas verändert. Zuvor war es schon so, dass es sich jedes Jahr wiederholt hat und ich irgendwie darauf gewartet habe, dass etwas anderes passiert. Nun merke ich wieder, was es für ein Geschenk ist, diese Touren zu machen.«

Du führst auch viele Frauen dort hinauf, oder?

»Ja, es sind mittlerweile viele gemischte Gruppen. Es gibt zahlreiche sportliche Frauen, die keine Hemmung mehr haben, sich einer Männergruppe anzuschließen. Das war zu meiner Anfangszeit anders. Männer wollten Frauen oft nicht dabeihaben und wenn eine mitgegangen ist, wurde die Tour abgewertet. Ich habe selbst viel darum kämpfen müssen, dass ich mitgenommen werde. Das ist jetzt aber völlig weggefallen. Auch bei der Bergführer-Ausbildung ist es ganz normal, dass Frauen auf einem sehr hohen Niveau dabei sind.«

Machen denn mittlerweile mehr Frauen die Ausbildung?

»Etwas, aber sie sind immer noch eine Minderheit. Wenn du als Frau hauptberuflich Bergführerin werden willst, musst du viele andere Themen wie Familie hintenanstellen. Als Mama fallen entscheidende Berufsjahre weg und ich merke selbst, wie schwierig der Wiedereinstieg ist. Du musst dich ständig neu motivieren und fit bleiben, du musst auch nach einer schlechten Nacht früh aufstehen und schwere Touren machen, du musst dich den objektiven Gefahren aussetzen oder nach einem anstrengenden Tag noch klettern gehen. Das ist alles eine Willpower.«

Was gibt dir diese Kraft?

»Die schönen Erlebnisse und die Einfachheit dahinter. Wenn man in die Berge geht, beschäftigt man sich nur mit einer Sache und das finde ich total befreiend und für den Kopf entspannend. Das ist etwas ganz Seltenes in unserem Alltag. Es ist eben einfach. Und das macht das Erlebnis so nachhaltig. Aber natürlich will ich auch meinen Körper spüren. Im Alltag verliert man oft das Gefühl für sich selbst.«


INTERVIEW: Nina Probst

FOTOS: Klaus Fengler, Archiv Nina Schlesener, Bernd Ritschel, Daniel Bartsch, Rab

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