DIE INSEL JERSEY – MAL EHRLICH – IST KAUM BEKANNT, ODER? DAS IST ABER NUR EINE UNBEDEUTENDE BESONDERHEIT DIESER AUSSERGEWÖHNLICHEN INSEL. TAUCH EIN INS INSELFEELING!

Das Lachen übertrumpft sogar die anschwellende Brandung, dann stimmen Gitarre und Gesang ein und verbinden sich mit der gelblich-orangen spätnachmittäglichen Sehnsuchtsstimmung zu einem kurzen Gänsehaut-Moment. Die zwei Pärchen ein paar Meter weiter am Strand versinken mit ihrem Song in die Gegenwart des Augenblicks. Draußen auf dem Meer gleitet eine Surfersilhouette durch die Szenerie. An dem gewaltigen Strand namens St. Ouen’s Bay, der sich sichelmondförmig beinahe an die komplette Westküste Jerseys schmiegt, bricht die Insel wieder einmal mit der vagen Vorstellung, die man von ihr im Kopf hatte. Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Das passt irgendwie gut zu Jersey.

Wohlfühltemperaturen im Frühjahr, Sommer und Herbst. Diese Sonnenuntergänge, die ein Ereignis für sich sind, während man die Füße in den noch warmen Sand gräbt. Überhaupt ein sportlich-lässiger Lifestyle, der das Draußensein zelebriert. Das fügt sich nur bedingt zum schmalen Bild vom Pflanzenliebhaber, der Jersey vor allem wegen seiner prächtigen, teils exotischen Gärten auf der inneren Landkarte hat. Und schon drängt sich unwillkürlich die Frage auf, wie weit südlich von uns dieses Jersey mit seinen üppigen Gärten eigentlich liegt.

EXOTIK IM ÄRMELKANAL

Im Ärmelkanal. Ja, richtig gehört, also gar nicht wirklich südlich. Aber immerhin vor der  Südküste Englands und eigentlich noch näher vor der Normandie. Deren Lichter sieht man sogar nachts, wenn man genauer schaut, etwa beim Sternegucken vielleicht. Die französische Küste ist nur 20 Kilometer entfernt, aber wie das bei Inseln öfter so ist, entfaltet sich auf Jersey eine beinahe komplett eigene Welt.

Und das hat mehrere Ursachen. Einmal ist da der milde Golfstrom, der entgegen der geografischen Lage dafür sorgt, dass man mit den genannten Wohlfühltemperaturen rechnen kann, und der Jersey zudem eine wirklich üppige Pflanzenvielfalt beschert. So können die Briten ihrer Leidenschaft für die Gartenkultur ausgiebig frönen und die Inselbesucher palmengesäumte Strandpromenaden entlangspazieren.

Ebenso weckt die Lage, die sich auch als strategisch bedeutsam interpretieren lässt, seit Jahrhunderten die Begehrlichkeiten verschiedener Mächte. So rangen Briten und Franzosen – während des Zweiten Weltkriegs zusätzlich die Deutschen – immer um Einfluss und Vorherrschaft auf Jersey. Die Oberhand behielten schließlich die Briten, Jersey ist heute direkt der Krone unterstellt.

KLEINE INSEL, GROSSE NATUR

Doch erst mal zurück zur Natur, die ist nämlich wirklich groß und vor allem großartig. Und das obwohl Jersey nur etwa 120 Quadratkilometer auf die Waage bringt. Eindrucksvoll unter Beweis mit Kinnlade-Herunterklapp-Garantie stellt das der über 75 Kilometer lange Coastal Path. Er wartet mit allem auf, was eine Küste so hermachen kann: im Osten reizende Hafenorte, im Süden und Westen grandios weite Strände und im Norden waghalsige Klippen und unberührte, versteckte Buchten.

Fünf bis sieben Tage dauert die Wanderung. Geht man unterwegs noch durch Burgen, erklimmt Verteidigungstürme und hüpft ab und zu mal zum Schwimmen ins Meer, sind zwei Wochen schnell vorbei. Wandern lässt es sich auf Jersey überhaupt recht viel, und das zudem im schier endlos scheinenden Watt zwischen den Gezeiten – den zweitgrößten weltweit. Wenn das Meer weit zurückweicht, eröffnet sich eine wirklich einmalige Gelegenheit: Wanderungen zum Icho Tower oder zum Seymour Tower. Zwei trutzige Küstenverteidigungstürme etwa zwei Kilometer vor der Küste, die bei Ebbe wie in eine Mondlandschaft hineingestellt wirken. Noch eine Spur ikonischer ist das La Corbière Lighthouse im Südwesten, das auch nur bei Ebbe zugänglich ist. Besonders fotogen wirkt der sich auf eine Felsspitze krallende weiße Turm mit glühender Sonne im Rücken, während sie gerade im Meer versinkt.

ZWEI KULTUREN VEREINT

Radfahren zählt auf Jersey ganz und gar zu den aktiv-meditativen Erlebnissen, in denen man voll und ganz aufgehen kann. Viele der ohnehin schmalen Straßen sind sogenannte Green Lanes. Auf diesen gilt eine Geschwindigkeit von höchstens 25 Stundenkilometern, und sie sind gesäumt von dichter Vegetation, was mitunter einen tunnelartigen Eindruck vermittelt. Unterwegs verstärkt sich mit jeder Minute der Eindruck britischer Countryside-Idylle.

Prächtige Herrenhäuser mit den obligatorischen Gärten, verwinkelte Dörfer, Pubs mit dunklen Bieren und Einheimischenanschluss. Und durch diese ganze einlullende Decke britischen Stils und britischer Kaminfeuer-Heimeligkeit bricht sich immer wieder französisches Savoir-vivre Bahn. Es liegt mehr in der salzigen Luft, als dass es greifbar wäre, aber es lässt sich ganz sicher handfest genießen. In einem der zahlreichen Restaurants, Cafés oder sogar in einem Pub. Jerseys Küche besitzt einen hervorragenden Ruf und ist inspiriert von Lebensgenuss. Einen ersten prägenden Eindruck von diesem wunderbaren britisch-französischen Mix und Jerseys Köstlichkeiten hinterlässt bereits der Central Market am Halkett Place in der Inselhauptstadt Saint Helier. In der nach Pariser Vorbild gebauten Markthalle mit verzierten gusseisernen Pfeilern und einem Springbrunnen werden Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Blumen und Antiquitäten verkauft.

GESCHICHTE ZUM ANFASSEN

In Saint Helier manifestiert sich eindrucksvoll ebenso die bewegte Geschichte Jerseys. Dem Hafen vorgelagert nimmt Elizabeth Castle einen ziemlich großen Felsen ein. Natürlich wurde die im 16. Jahrhundert erbaute Burg als Verteidigungsbollwerk gegen die Franzosen angelegt. Auf der ganzen Insel lässt sich sehr tief in die Vergangenheit vordringen, mit ihrer Vielzahl an historischen Stätten mutet sie wie ein Geschichte atmendes Freilichtmuseum an. Vermutlich 5500 Jahre alt ist die überaus bedeutende Megalithanlage La Hougue Bie. Ihre Kammern, Grab und Kultstätte zugleich, flüstern mit geheimnisvoller Stimme.

Baywatch-Feeling mit Mittelalterflair entfaltet sich entlang der recht gut mit Verteidigungstürmen bebauten Ostküste. Dann die Jersey War Tunnels: Hier haben die Deutschen im Untergrund ihre Narben hinterlassen – das Tunnelsystem mussten Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkriegs anlegen. Mystischer und mythischer Kristallisationspunkt ist die Ruine von Grosnez Castle, besonders wirkungsvoll vor einem klaren Sternenhimmel.

Und tagsüber jetzt noch einen obendrauf setzen? Mit dem Seekajak die nördliche Klippenküste unsicher machen und eine geheime Bucht entern. Dort im Sand alle viere von sich strecken und den Wolken beim Wandern zusehen. Sich langsam wie Robinson Crusoe fühlen. Aber Moment, der war doch auf einer ganz anderen Insel!

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