In seinem Buch »Gravelpacking Schweiz« präsentiert Rainer Bühler eine gut 1500 Kilometer lange Runde quer durch sein Heimatland, aufgeteilt in 20 Etappen. Der Fokus: Landschaftlich besonders reizvolle Touren mit hohem Gravel-Anteil. Die Abschnitte sind problemlos per Zug und Bus erreichbar, übernachtet wird in Unterkünften. Hier verrät der Autor, warum Etappe 17 von Val Formazza nach Brig sein Liebling ist.
Mit historischer Militärstraße, Traumsee und gut fahrbaren, alpinen Singletrails ist bereits der erste Abschnitt der Etappe 17 ein echter Höhepunkt. Die »Zugaben« Nufenenpass und Goms-Durchquerung halten anschließend aber mehr als gut mit. Außerdem übt die unmittelbare Dopplung von einem einsamen Natur- (San Giacomo) und einem gut bevölkerten Straßenpass (Nufenen) – zumindest auf mich – einen großen Reiz aus.
Val Formazza – Brig
Über den Passo San Giacomo von Italien in die Schweiz zu »graveln«, ist im Grunde nicht besonders exotisch, sondern sehr gut machbar. Dennoch ist der Pass wenig befahren – was ihn zu einem außergewöhnlichen Alpenübergang und meiner ganz persönlichen Lieblingsetappe auf den insgesamt zwanzig Abschnitten von «Gravelpacking Schweiz» macht.
Kaum hat man gefrühstückt – wir haben das an unserem Übernachtungsort in Riale weit hinten im Val Formazza getan – muss man ran an die Höhenmeter. Allerdings vergleichsweise sanft. Und schon bald mit einer Aussicht und Atmosphäre, bei der die Beine fast im Alleingang kurbeln. Wurde die fast hundertjährige Fahrstraße hinauf zum Passo San Giacomo in ihren Entstehungsjahren noch rege für den Tourismus genutzt, ist davon – ausser der gut mach- und fahrbaren Steigung – heute überhaupt nichts mehr zu spüren. Zumindest im Herbst (wir waren Ende September dort) gehören einem Straße, Pass und Stausee ganz alleine.
Oben, an der weithin sichtbaren Kapelle Oratorio Nicolao angekommen, hat man einen hervorragenden Blick auf die zweite Tagessteigung: die letzten acht Kilometer der Nufenen-Passstraße. Die damit verbundenen 600 Straßen-Höhenmeter haben wir im Herbst 2023 etwas zu sehr auf die leichte Schulter genommen und waren deshalb froh, dass das typische Pass-Restaurant (grantiges Personal, großartiger Ausblick) ein ebenso typisches Angebot hatte (Teigwaren, Gerstensuppe, Wähen). Gleich nach der Türschwelle wird man in die 80er- und 90er-Jahre des letzten Jahrtausends katapultiert. Einrichtung, Selbstbedienungs- Tresen, Tagesmenü – alles scheint ein bisschen aus der Zeit gefallen. Wahrscheinlich haben uns Spaghetti und Aprikosenwähe aber nicht trotzdem, sondern gerade deshalb gut geschmeckt.
In Richtung Brig geht es im Anschluss erst sehr rasant (bis Ulrichen) und dann gemächlich im Rhonetal bergab. Kurze, aber knackige Gegensteigungen erinnern einen dort daran, dass bei «Gravelpacking Schweiz» das Landschaftserlebnis zwar im Vordergrund steht, der sportliche Aspekt aber nicht zu kurz kommt.
Startort Riale: Albergo Ristorante Aalts Dorf (28863 Riale, Italien)
Zielort Brig: Hotel de Londres (Bahnhofstraße 17, 3900 Brig-Glis, Schweiz)
Lunch (nach Fahrzeit ungefähr bei Etappenmitte): Restaurant Nufenenpass (Nufenenpasshöhe, 3988 Ulrichen, Schweiz)
«Gravelpacking Schweiz» ist ein neues Fahrradreise-Buch mit zugehöriger Komoot-Collection und YouTube-Playlist von Rainer Bühler und Roland Tännler (Fotografie).
In unserem Buch fahren wir einmal durch (fast) das ganze Land. Mit den 20 einzeln oder kombiniert fahrbaren Etappen von Lausanne bis Lausanne wollen wir alle Aufbruchsfreudigen gleichermassen für einen Trip durch die Schweiz inspirieren und bei der konkreten Planung unterstützen.
TEXT: Rainer Bühler
FOTOS: Roland Tännler