Good Night Gülpe

Overnighter am dunkelsten Ort Deutschlands

Gülpe, ein kleines Dorf mitten in Brandenburg. Dank der geringen Lichtverschmutzung sind die Nächte hier besonders dunkel. Anreiz für unsere Redakteurinnen Susanne und Antonia, sich Sea to Summit Isomatte und Schlafsäcke zu schnappen und eine Nacht unter freiem Himmel zu verbringen. Den schönsten Sternenhimmel Deutschlands inklusive, so zumindest der Plan …


TEXT: Antonia Kern

FOTOS: Susanne Mader

»Wann hast du eigentlich das letzte mal die Milchstraße gesehen?«, fragt mich meine Kollegin Susanne. Gemeinsam blicken wir auf ein Nasa-Bild unserer Erde bei Nacht. Ich muss kurz überlegen, kann mich nicht genau erinnern. Wir sind uns einig: Es ist viel zu lange her. Und tatsächlich: In Europa sehen nur noch ungefähr 40 Prozent der Menschen bei Nacht die Ansammlung der funkelnden Sterne am Himmel. Grund dafür ist die stetig wachsende Lichtverschmutzung. Auf einem Großteil unserer Welt wird es nicht mehr richtig dunkel. Statt echter Nacht wechseln sich Tag und Dämmerung ab. Das hat nicht nur negative Auswirkung auf uns Menschen, sondern bringt auch ganze Ökosysteme durcheinander. Wir beschließen, eine Nacht vor dem Licht zu fliehen, vielleicht die Milchstraße zu sehen, oder zumindest mal wieder viele Sterne. Unser Ziel: Gülpe im Havelland. Ein kleiner Ort, an dem sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Aufgrund der geringen Besiedlung sollen die Nächte hier die dunkelsten in Deutschland sein.

Früh morgens brechen wir in Berlin auf. Zunächst mit dem Zug, denn unser Ziel liegt 100 Kilometer westlich. Bequem bringt uns der Regio ins Havelland. Von dort aus nehmen wir den Bus, bis die Großstadt nur noch zu erahnen ist und wir unsere Tour zu Fuß fortsetzten.

Die Havelländer Gelassenheit beginnt schon im Regio Richtung Stendal. Kurz hinter Berlin, in Buschow, steht der Zug so lange, dass ich bezweifle, ob wir überhaupt noch weiterfahren. Beim Aussteigen könnte der urbane Dschungel nicht weiter weg erscheinen: Der Bahnhof aus der Zeit gefallen, die Luft angenehm kühl, die Menschen nicken uns freundlich zu. Als wir auf unsere Handys starren, um die Entfernung zum nächsten Bäcker zu vergleichen, hilft uns die vorbeikommende Postbotin: »Der einzige geöffnete Bäcker ist gleich ums Eck.« Ich entscheide mich für den Havelländer Brocken (süß mit Rhabarberfüllung), lokalen Spezialitäten sollte man ja stets eine Chance geben. Mehr als satt wasche ich mir den Zucker von den Händen und auch die letzten Anzeichen der Großstadt: Statt Aesop Koriander gibt es jetzt Seife aus dem Wandspender, Duftmischung rosa.

Ein älterer Herr, der uns beobachtet, erkundigt sich freundlich nach unseren Plänen. Als wir ihm erzählen, dass wir heute mit unseren Rucksäcken inklusive Zelt und Schlafausrüstung nach Gülpe laufen wollen, meine ich in seinem Gesicht eine Mischung aus Unverständnis und Mitleid zu erkennen. Sein Angebot, uns Richtung Gülpe mitzunehmen, gibt mir Recht. Dankbar lehnen wir ab, grinsen in uns hinein und freuen uns noch mehr auf die nächsten Stunden.

Die letzten Meter bis zu unserem Startpunkt unserer Wanderung am äußersten Zipfel des Hohenauener Sees legen wir mit dem Bus zurück. Der Busfahrer verabschiedet uns mit einem freundlichen »Tschüssi« – daran muss ich mich als Süddeutsche doch erst gewöhnen. Wir laufen los. Zehn Stunden bis zur Dunkelheit, fünf Laufstunden bis zum Biwakplatz. Auf geht’s.

Zügig lassen wir die letzten Häuser hinter uns und sind umgeben von weiten Feldern und Windrädern. Von der angenehmen Kühle des Morgens ist inzwischen nur noch wenig zu spüren. Stattdessen strahlen die Feldwege schwül-warme Luft ab. Wir verfallen unserem Trott, der Einsamkeit und den endlos geraden Feldwegen. Susanne stellt fest: Der Weg heute wird wohl eher eine mentale als eine körperliche Herausforderung.

Je mehr Kilometer wir hinter uns bringen, desto kleiner werden die Wege. Wir schlängeln uns zwischen Sumpfgebieten und Wiesen durch die fast steppenartige Landschaft. Ich lasse meinen Blick am Horizont entlang schweifen. Jetzt einen Wasserbüffel an einem der kleinen Seen zu erspähen, würde mich nicht wundern. Über uns dreht stattdessen ein Greifvogel seine Runden und das Zirpen der Grillen wird nur durch den regelmäßig wiederkehrenden Ruf eines Kuckucks unterbrochen. Der Naturpark Westhavelland zeigt sich von seiner besten Seite.

Ein Radfahrer, der uns gleich dreimal begegnet, ist der einzige Zeuge unserer Tour. Die Abwesenheit jeglicher Zivilisation überrascht uns so kurz hinter Berlin dann doch und lässt die kommende Dunkelheit langsam erahnen.

Wir blicken auf die Wetter-App. Die Wolken auf dem Regenradar werfen einen trüben Schatten auf unsere Pläne. Für den Abend sind Gewitter und starke Regenfälle gemeldet. In mir macht sich ein mulmiges Gefühl breit: Bei Blitz und Donner die Nacht im Zelt zu verbringen, erscheint mir wenig reizvoll. Mit einem »Schauen wir mal, was kommt!« stecken wir die Handys zurück zu Matten und Schlafsack und hoffen auf das Beste.

Um unsere Füße herum summen die Wildbienen. Am Horizont erspähen wir eine alte Windmühle. Dahinter, das wissen wir, liegt das Ufer des Gülper Sees. Naturparadies und Hotspot für Ornithologen. Für die Feststellung, dass die Natur hier noch mehr als in Ordnung ist, muss man allerdings kein Profi sein. Es scheint fast so, als würden die unzähligen Vögel und Insekten um unsere Aufmerksamkeit buhlen. Fasziniert lauschen wir eine Weile der Geräuschkulisse. Die einzigen, die hier still sind, sind wir.

So voll unsere Köpfe mit Natureindrücken sind, so schwer sind auch unsere Beine. Die 20 Kilometer und die pralle Sonne lassen unsere Körper das Ziel herbeisehnen. Eine letzte Wiese und wir erreichen Gülpe. Unsere Schritte werden schneller, als wir die flachen grau-rot-beigen Häuser erreichen. Gemeinsam malen wir uns aus, wer wohl hinter den mal gardinenverhangenen Fenstern, mal hippiesken Vorgärten wohnt.

Unser Biwakplatz liegt zwischen dem Hof der Stille, ein wunderschöner alter Vier-Seiten-Hof, und der Kirche, direkt an der Havel. Als wir ankommen, streiten sich zwei Biber im Wasser, und auch die Stechmücken heißen uns willkommen. Schnell ist klar: Auch hier sind wir lediglich Besucher im Naturparadies.

Die dunklen Wolken am Himmel kommen immer näher. Zügig muss eine Behausung her. Wie gut, dass unser Zelt im Nu steht. Wir richten es uns gemütlich ein, blasen unsere Matten auf und breiten die Schlafsäcke aus. Zur Belohnung unserer Arbeit erscheint unser Lager im glamourösen Gewitterlicht. Freuen können wir uns darüber nur ein bisschen. Die Tage mitten im Juni sind lang, und lange nicht dunkel. Bis Sonnenuntergang sind es immer noch vier Stunden, die wir am liebsten unter freiem Himmel verbringen wollen.

Auf einem kleinen Dorfrundgang suchen wir uns eine Quelle für Trinkwasser. Schwieriger als gedacht, scheint das Dorf heute Abend doch fast ausgestorben. Am Friedhof werden wir fündig. Keine zehn Minuten später diktiert uns ein Wolkenbruch, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat, in unser Zelt. Uns bleibt nichts als abzuwarten. Wir vertreiben uns die Zeit mit Kniffel, kochen uns auf unserem kleinen Kocher warmen Tee und beobachten die Regentropfen, wie sie am Außenzelt herunterrinnen.

Gegen 23 Uhr strecken wir noch einmal unsere Köpfe aus dem Zelt. Zähneputzend stehe ich am Ufer der Havel und versuche, mehr als die Umrisse des Schilfs zu erkennen. Vergeblich. Es ist dunkel und zwar so richtig. Sterne? Fehlanzeige! Zu wolkenverhangen der Himmel. Auch die Geräuschkulisse ist verstummt. Wir beschließen, uns dem zu fügen, kriechen zurück in unsere warmen Schlafsäcke und schlummern müde ein.

Die ersten Sonnenstrahlen locken uns am Morgen aus unserem Zelt. Es nieselt nur noch leicht, dafür glitzern die Tropfen am Gras. Vielleicht war es heute nicht die dunkelste Nacht am dunkelsten Ort Deutschlands. Und dem Wetter geschuldet ganz sicher auch nicht die sternenreichste. Aber als ich an meinem heißen Kaffee schlürfe und höre, wie der Tag wieder erwacht, bin ich aber auch ganz ohne diese Superlative glücklich. Mit Blick auf unsere gepackten Rucksäcke erscheint mir die Vorstellung, in weniger als ein paar Stunden wieder mitten in der Großstadt zu stehen, fast unwirklich. Vielleicht auch aus diesem Grund sind wir uns bis zuletzt nicht sicher, ob die Gülper Bushaltestelle tatsächlich angefahren wird. Doch der Bus hält pünktlich. Kurz überlege ich, was das Äquivalent zu »Tschüssi« ist, begrüße den Busfahrer dann aber mit einem freundlichen Nicken und der Bitte nach zwei Tickets zurück in die Zivilisation.

Sea to Summit Sleeping System
Tested on Tour

Schlafsystem von Sea to Summit

Seit 1991 suchen die detailverliebten Outdoor-Enthusiasten von Sea to Summit nach der perfekten Balance aus Gewicht, Funktionalität und minimalem Packmaß. Benannt ist die Firma nach einer Expedition des Gründers Tim Macartney-Snape, die ihn von Meereshöhe bis auf den Gipfel des Mount Everest führte. In den vergangenen 30 Jahren hat Sea to Summit mit wegweisenden Innovationen immer wieder bewiesen, dass die Geschichte optimaler Outdoorausrüstung längst noch nicht auserzählt ist.

Besonders stolz sind die Australier auf ihr ausgekügeltes Schlafsystem: Matten, Kissen, Schlafsäcke und Inletts sind perfekt aufeinander abgestimmt und können – je nach Tour, Anforderung und persönlicher Vorliebe – beliebig kombiniert werden. So sind zum Beispiel seit 2019 alle Kissen und Schlafmatten mit dem »Pillow-Lock«-System ausgestattet, das das Kissen fest auf der Matte fixiert und so für deutlich mehr Schlafkomfort sorgt.

Auch die Schlafsäcke und Liner »matchen« perfekt – nicht nur, was die Form, sondern auch die Funktion betrifft: Einige Modelle haben zusätzliche Zipper bzw. Öffnungen an den Schulter und der Fußbox. So kannst du nach einer kalten Nacht im Schlafsack bleiben, während du schon die Hände frei hast, um Kaffee zu kochen oder kurz raus zum Pinkeln zu gehen.

Folgendes Setup hatten wir auf unserer Tour nach Gülpe dabei:

Unser Fazit: Handhabung, Komfort, Gewicht und Packmaß sind spitze. Aber das Wichtigste: Wir haben geschlafen wie die Steine!