Frühling, ich komme!

Der Göttinger Gunnar Fehlau ist seit Anfang des Jahres mit seinem gesamten Hausstand auf einem E-Cargobike unterwegs und macht »Workpacking«. Unterwegs besucht er Kunden, hält Vorträge und schreibt Artikel in der Zeltapside. Nun, da die Tage länger und die Launen der Natür erträglicher werden, ist es Zeit für einen ersten Zwischenbericht …

Moin Gunnar, wo bist du gerade unterwegs?

Im Moment bin ich von Hannover Richtung Düsseldorf zu einer Radmesse unterwegs. Das Wetter ist mit zwei bis fünf Grad und Regen, der sich nachts mit Schnee vermischt, eher ungastlich. Dennochist die Stimmung blendend, denn man hört morgens im Zelt bereits, dass die Vögelstimmen immer zahlreicher und lauter werden – der Frühling klopft an. Darauf freue ich mich in diesem Jahr wie wahrscheinlich nie in meinem Leben zuvor.

Wieviele Kilometer hast du schon auf dem Tacho?

Anfang März habe ich die 2.000 Kilometermarke überschritten. Die längste Etappe bin ich Mitte Februar beim feinstem Rückenwind von Karlsruhe nach Offenbach gefahren: 146 Kilometer mit einem fantastischen Schnitt von 23,9 km/h. Manches Mal kommt halt doch noch der Sportler in mir durch.

Insgesamt ist der Winter ja recht fahrradfreundlich. Hat dich Frau Holle wenigstens einmal erwischt?

In der Schweiz und im Schwarzwald hatte ich ein wenig Schnee und es war mit teils -7°C recht zapfig. Im Ganzen war es aber nicht so wild, wie ich erwartet hätte. Dennoch hat mir diese Dauerkälte, die oft mit sehr feuchter Luft und Regen einherging, schon zugesetzt. Vor allem hat sie gezeigt, dass die Idee, im Zelt zu arbeiten schlicht nicht praktikabel ist. Zu kalt, zu zugig, zu wenig planbar und keine verlässliche Internetverbindung.

Jüngst warst du bei Globetrotter in Frankfurt und hast neue Ausrüstung übernommen. War was kaputt?

Ne, kaputt war nichts. Hätte mich auch überrascht, denn ich hatte zusammen mit den FachberaterInnen bei Globetrotter die einzelnen Ausrüstungsgegenstände sehr bewusst ausgewählt. Mein Kocher hat einen Service bekommen, weil ich ihn in einem sehr flusigen Beutel transportiert hatte und sich so die Düsen zugesetzt hatten. Hauptgrund für den Boxenstopp bei Globetrotter war, dass ich die Konsequenzen aus der Erkenntnis, nicht im Zelt zu arbeiten, ziehen wollte. Statt eines großen Tippis mit Innenzelt, über 25 Heringen und massiver Zentralstange habe ich mir in Frankfurt ein kompaktes Kuppelzelt abgeholt. Das Kep Dome 2 von Fjällräven hat reichlich Platz für mich zum Schlafen und für alle Ausrüstung unter den beiden Apsiden. Nach einem »Schotterplatz-Drama« in der Schweiz, bei dem ich im Schneetreiben eine gefühlte Ewigkeit brauchte, um Halt für die Heringe zu finden, finde ich die freistehende Konstruktion des Zeltes extrem nützlich.

Aber ohne Jurte auch kein Holzofen, oder?

Ja, der Ofen ist seit dem Zeltwechsel auch nicht mehr dabei. Alleine der spart mit seinem Zubehör und seiner Verpackung vier Kilogramm.

Gibt es weitere Ausrüstungsteile auf der Abschussliste?

Nun, aber ich hatte bereits Mitte Januar ein wenig Kleidung, einige Kochutensilien, die zweite Kamera und ein paar Kleinigkeiten mit einem Gesamtgewicht von acht Kilogramm nach Hause geschickt. Jetzt kamen mit Zelt, Innenzelt, Ofen, großem Topf, Zeltlampe und Beil nochmals gute 16 Kilogramm weg. Dafür summieren sich das neue Zelt, eine Pfanne und zwei T-Shirts auf kaum fünf Kilogramm. Also satte elf Kilogramm abgespeckt.

Was in deinen Packtaschen gefällt dir ausnahmslos gut?

Das Singi-Baselayer-Shirt von Fjällräven. Seine kuschelige Wärme, die sich quasi sekündlich – nachdem ich es überziehe – entfaltet, hat mir manchen Morgen versüßt. Das wird jetzt eine echte Ode, denn genau so wie das Singi müssen Workpacking-Ausrüstungsgegenstände sein: universell, funktionell, chic, servicearm und emotional. Ich habe im Singi geschlafen, ich bin mit ihm bei Saukälte Berge herunter geradelt, ich habe Zoom-Sessions mit 50 Teilnehmenden darin moderiert und es kleidete mich gut bei Geschäftsgesprächen. Dabei stinkt es nicht und nach dem Waschen sind stets alle Flecken verschwunden. Ich bin verliebt in dieses Shirt, so viel ist mal klar!

Gehen wir es sachlicher an. Das Langarmshirt besteht aus Merinowolle, die für eine verbesserte Stabilität mit Polymid gemischt wurde. Laut Globetrotter handelt es sich um rückverfolgbare Merinowolle, die temperaturregulierend, feuchtigkeitsleitenend und geruchshemmend ist. Die Flatlock-Nähte wirken unangenehmer Reibung im Schichtsystem entgegen.

Und dann wären da noch die Rack-Pack-Taschen von Ortlieb. Früher konnte ich mit denen wenig anfangen. Mir erschienen sie immer zu umständlich in der Montage auf dem Bike und generell unnötig, da ja die Packtaschen darunter bereits ausreichend Packvolumen bieten. Aber das war vor dem Cargo-Bike mit seiner großen Ladefläche. Vom Rad entnommen, stelle ich sie einfach in meinem Zelt der Reihe nach auf, öffne die Rollverschlüsse und schon ist meine Wohnung binnen Sekunden eingerichtet …

Gunnar Equipment Update: Das neue Zelt, eine Pfanne und zwei Shirts.

Schonmal alle Akkus leergefahren?

Das Akku-Management funktioniert sehr gut. Im Schwarzwald bei Minusgraden, schlechter Fitness und den steilen Anstiegen habe ich mal alle drei Akkus verballert. Der Brose-Antrieb hat auch eine Watt-Anzeige für die Eigenleistung des Fahrers. Bei mir stehen da meist zwischen 180 und 250 Watt. Das zeigt mir, dass ich nach wie vor »echt« radfahre und deshalb auch klar ist, warum ich trotz des Systemgewichts von gut 180 Kilogramm satte 60 Kilometer mit einem Akku fahre.

Ist dein Konzept Workpacking bisher aufgegangen?

Ja, es geht auf. Sicher war der Start im Winter und manches andere nicht perfekt, aber im Februar hatte ich einen sonnigen Sonntag, an dem ich mittags drei Stunden auf einer Parkbank am Hang saß, meinen Rechner aufgeklappt hatte, dank Handy mit Internet versorgt war und entspannt gearbeitet habe. Unterbrochen von frischem Kaffee aus meiner Aeropress. Das hat mir einen zarten Vorgeschmack davon gegeben, wie super die kommende Zeit noch wird. Deshalb darf der Frühling für mich umgehend kommen. 

Viele deutsche Minister führen keine wichtigen Gespräche aus dem Auto aufgrund mangelnder Netzabdeckung. Hattest du überall 5G?

Beim Radfahren bist du langsamer unterwegs, das scheint beim Parzellenwechsel besser zu sein, so dass ich in Sachen Telefon von einigen eingeschnittenen Tälern im Schwarzwald und sporadischem Datenhusten mal abgesehen nur Gutes über die Telefon- und Internet-Verbindung sagen kann. Und sind wir mal ehrlich, eine gewisse Dosis Unerreichbarkeit ist im Leben doch auch wichtig und richtig. Da macht Workpacking keine Ausnahme.

Was sind deine nächsten Landmarken?

Von Düsseldorf aus geht es zu einem kleinen Abstecher nach Holland auf einen Branchen-Thinktank-Austausch und dann nach Köln. Anschließend fahre ich in Bergische Land und dann beginnt endlich die Saison der Trekking-Campinplätze, von denen ich einige im Sauerland gebucht habe und mich sehr auf das aus einsamere und dennoch legale Zelten freue. Weiter übers Wendland ist die VELO Berlin Messe dann mein Fernziel Anfang Mai in Berlin.

Text: Globetrotter Magazin