Bonjour! Salut! Comment ça va?« Der Weg ist flach. Da hat man Puste. Da grüßt man gerne. Überhaupt gehen wir es ruhig an. Wir haben Zeit. Genau wie der Doubs. Gesprochen »Du«, wir sagen jedoch Dupps. Wir finden, das klingt freundlich. So freundlich wie der Fluss und die Gegend und die Menschen, denen wir begegnen. Zwischen Quelle und Einmündung in die Saône liegen nur 90 Kilometer Luftlinie. Tatsächlich aber legt der Fluss über 453 Kilometer zurück. Mäandert mal rauschend, zumeist jedoch gemächlich in Seelenruhe in Hunderten Schleifen durch die ehemalige württembergische Freigrafschaft Burgund. Wechselt permanent die Richtung. Ist mal 100 Meter breit und wird zum Badesee oder durchquert Engstellen mit mächtigen, Schatten spendenden Felswänden rechts und links des Tals.
Wir wollen ihn ein Stück begleiten und fahren mit dem Rad auf der Route EuroVelo 6 von Dole nach Belfort. Wir sagen übrigens nicht nur Dupps, sondern auch Mömpelgard. Wenn man so durchs Tal genussradelt, kann man sich vorzüglich unterhalten und Faxen machen. Mömpelgard jedenfalls war etwa 400 Jahre Teil des Hauses Württemberg, bevor es zum französischen Montbéliard wurde. Da kann man doch nur froh sein, dass diese durch die Jahrhunderte immer wieder umkämpfte Gegend am Ende zu Frankreich gehören sollte. Wer will schon im schnöden Mömpelgard leben? Montbéliard klingt da doch einladender!
Globetrotter Ausrüstungstipps
für dein nächstes Bikepacking-Abenteuer
Stadt, Land, Fluss
Das ist etwas, was uns immer wieder staunen lässt: wie alles Militärische, wenn man nur lange genug in Frieden leben darf, am Ende zu einer touristischen Sehenswürdigkeit wird. Die Zitadellen in Belfort und Besançon sind wahrlich beeindruckend. Wie schön, dass sie jetzt Museen beherbergen und man sie als Freund besucht. Die sogenannte burgundische Pforte Montbéliard war die erste französische Stadt, mit der es ab 1950 eine deutsch-französische Städtepartnerschaft gab. Überhaupt scheinen die Städte, die wir passieren, in einem Freundlichkeitswettstreit zu liegen. Über und über mit Blumen geschmückt sind sie alle.
Für Besançon haben wir von Anfang an Zeit eingeplant. Wir steuern passenderweise als Erstes das »Musée de temps«, das Zeit-Museum an. Es beschäftigt sich mit der Geschichte der Zeitmessung und dem unergründlichen Thema Zeit an sich. Überall tickt und klackt und gongt es. Während wir über winzige Taschenuhren und riesige Sonnenuhren staunen und uns in philosophischen Gedanken über das Wesen der Zeit verlieren, scheint dieselbe draußen in einem anderen Tempo zu verstreichen. Als wir wieder ins Tageslicht treten, hat sich die Szenerie verändert. Die Stadt brummt vor Leben. Der Feierabend wird zelebriert. Die zahlreichen Restaurants und Bars füllen sich. Am Doubs, der die Altstadt väterlich umarmt, flanieren Liebespaare. An manchen Stellen wird der Fluss verbotenerweise als innerstädtisches Planschbecken zweckentfremdet. Wir genießen das französische Stimmengewirr und beschließen den Tag mit einer Flasche Burgunder.
Auf Höhe von Baume-les-Dames wird die Gegend bergiger. Die Höhen des Jura rücken näher. Immer wieder begegnen uns Kletterer, die die perfekt präparierten Routen durch das wilde, in der Sonne strahlende Karstgestein kraxeln wollen. Wir aber bleiben schön unten. Die Räder rollen einfach zu gut auf dem Asphalt. Der Weg ist prima ausgebaut. Es läuft und läuft.
Nur einmal zwingen wir uns – der Aussicht wegen – den Weg im Tal zu verlassen. Extra früh aufgestanden, marschieren wir die Serpentinen durch den Wald zu einem Aussichtspunkt auf einem Plateau. Die Aussicht ist magisch. Dünner Nebel liegt über dem Fluss. Die Sonne, gerade aufgegangen, taucht die Szenerie in goldenes Licht. Die Zeit scheint für einen Moment stillzustehen. Die Luft ist erfüllt vom morgendlichen, würzigen Duft des Waldes. Ein Moment, ganz zeitlos. Stille. Innehalten. Dann geht es wieder auf die EuroVelo 6, die wir auf unserer letzten Etappe verlassen, um noch Belfort zu besuchen.
Dort geraten wir in den größten Flohmarkt der Region und können nicht widerstehen. Was hatten wir über die Zeit gelernt? Alles relativ. Wir hängen kurzerhand einen Tag in der Stadt dran. Ich verliebe mich auf Anhieb in einen antiken Sekretär, eine komplette Kutsche (ohne Pferde), diverse Stiche mit Stadtansichten von Montbéliard (mit der Titulierung Mömpelgard am Bildrand) und ein antikes Fahrrad. Leider, oder zum Glück, kann nichts von alledem mit. Aber das Schlendern über den riesigen Markt macht Laune und wir haben – so wie auf der ganzen Tour schon – einfach eine gute Zeit.