Gefühlt seid ihr zu gleichen Teilen wissbegierige Journalisten und abenteuerlustiges Outdoor-Paar. Ein »perfect match« für erstklassigen Content?
Kim: Erstklassig ist ein großes Wort, aber wir versuchen stets, das Beste aus der Aufgabenstellung herauszuholen. Am wichtigsten sind die Personen vor der Kamera. Wenn man den Leuten unvoreingenommen und interessiert begegnet, ist das ein guter Anfang.
Letzten Herbst seid ihr auf dem relativ unbekannten Israel National Trail (INT) gewandert und habt darüber eine Doku für den NDR gedreht. Wie kam das?
Eike: Israel ist ein spannendes, aber auch kompliziertes Land, das es wohl oder übel oft in unsere Nachrichten schafft. Wir wollten uns selbst ein Bild machen.
Kim: Auch historisch ist Israel relevant für uns Deutsche, doch bis vor einem Jahr hatten wir beide keinen Bezug zu diesem Land, das ja nicht mal weit weg ist. In Familie und Freundeskreis gibt es leider auch keine Berührungspunkte mit dem Judentum.
Eike: Der NDR etabliert gerade ein neues Format, für das junge Leute durch die Welt reisen: »Young Adventurers«. Wir bekamen den Auftrag für eine Israel-Reportage.
Habt ihr den Journalismus so richtig von der Pike auf gelernt oder seid ihr Quereinsteiger?
Kim: Beide haben wir nach dem Studium eine journalistische Ausbildung, ein sogenanntes Volontariat, beim NDR absolviert – und uns dort erst kennengelernt. Travel und Outdoorsport interessierte uns beide. Wir kamen als Paar zusammen und sind gemeinsam in den Urlaub gefahren: zum Paddeln nach Norwegen. Die Kamera hatten wir dabei.
Eike: Diese Tour war ursprünglich nur für uns gedacht. Am Ende ist daraus ein Beitrag für »STRG_F« geworden, ein Youtube-Format von ARD und ZDF. Die »Outdoor-Liebe«, so der Titel, hat bis jetzt fast eine Million Views.
Kim kristin Mauch (28) und Eike Köhler (29)
Aufgewachsen in Kiel, nur wenige Kilometer voneinander entfernt, haben sich die zwei Nordlichter erst beim Volontariat im Süden kennengelernt – in Hannover. Heute arbeiten sie als freie Journalisten, oft für den NDR. Am schönsten ist der Job, wenn sie ihn mit ihrer Outdoor-Leidenschaft verbinden können.
Was sollte man mitbringen für solche Reportage-Jobs?
Kim: Interesse für ein breites Themenspektrum und viel Empathie, um einen Draht zu seinen Gegenübern aufzubauen – sei es eine Interviewpartnerin oder der Museumsdirektor, der die Drehgenehmigungen vergibt. Alles andere kann man lernen. Journalist:in ist kein geschützter Berufsbegriff, theoretisch kann sich jeder so nennen. Aber es macht schon Sinn, wenn man in einer Redaktion das Handwerk und die journalistischen Grundregeln lernt. Und dann gehst du mit der größtmöglichen Neutralität raus und suchst Geschichten, die du unverfälscht wiedergibst.
Wenn ihr mit dem Rucksack auf Outdoor-Reportage loszieht, wie schwer wiegt da die Filmausrüstung?
Eike: Bei der Planung für Israel habe ich die Küchenwaage zweckentfremdet, alles durchgewogen und überlegt, wo Reduktion möglich ist. Zuerst mussten überschüssige T-Shirts und Unterhosen dran glauben. Dann wurden die alten Isomatten durch leichtere ersetzt.
An der Filmausrüstung haben wir dagegen nicht gespart: zwei Kameras, eine Drohne, Actioncam, ein Stativ und jede Menge Zubehör, insgesamt vier Kilo Zusatzgewicht pro Nase. Dazu etwa neun Kilo normales Outdoor-Equipment, also 13 Kilo pro Rucksack – und obendrauf für jede Etappe der Proviant und jede Menge Wasser …
Kim: Oh je, das Wasser. Je nach Etappe und Region haben wir bis zu neun Liter Wasser geschleppt. Und zwar jeder. So summierte sich das Gesamtgewicht auf weit über 20 Kilo, da war ich echt an der Schmerzgrenze. Mehr als ein Drittel meines Körpergewichts kann ich kaum schleppen.
Eike: Zum Glück sind wir den INT von Nord nach Süd gelaufen – so kommt die Wüste erst zum Schluss. Dort muss man mitunter zweieinhalb Tage ohne Möglichkeit zum Nachtanken überbrücken. Durch die leichteren Etappen am Anfang waren wir darauf besser vorbereitet.
Apropos nachtanken – wie löst man bei so langen Trekkings das Problem mit den Akkus für Kameras und Drohne? Ist euch mal der Strom ausgegangen?
Eike: Das Equipment lässt sich via USB per Powerbank aufladen. Wir hatten genug Saft für fünf Tage ohne Steckdose. Das war deutlich einfacher als die Wasserversorgung …
Kim: Manchmal konnten wir auch bei »Trail Angels« übernachten. Das sind Menschen, bei denen INT-Wanderer für eine Nacht unterkommen können. Dort gab es nicht nur Strom, sondern auch Einblicke in die israelische Lebensart. Das war ebenso interessant wie das Wandern.
Gab es noch ein Filmteam, das euch begleitet hat?
Eike: Nein. Wir haben alles selbst gedreht und geschnitten. Nur bei Farbkorrektur und der Aufnahme des Voice-over-Tons haben wir nachträglich Support bekommen.
Ihr habt schon kurz erwähnt, dass eure Doku bei »Young Adventurers« erscheint. Was ist das genau?
Kim: Es geht um junge Reisende, die die Welt aus eigener Perspektive entdecken. Die Reisekasse ist – wie im echten Traveller-Leben – nicht gerade üppig gefüllt. Dafür hat man relativ viel Zeit und kann seiner Neugier freien Lauf lassen. Man ist primär abseits ausgetretener Pfade unterwegs und versucht, ins Leben der Einheimischen einzutauchen. Und wenn unterwegs noch ein Abenteuer wartet – umso besser! Neben uns gibt es weitere Protagonisten: Samuel Häde, der alleine erst um Jamaika und dann quer durch Mauretanien gereist ist. Und die Brüder Patrick und Dennis Weinert, die in Nepal waren. Für die nächste Staffel wäre es toll, wenn noch mehr Mädels mit der Kamera losziehen. Wer sich das zutraut, kann sich gern bei uns persönlich melden, unsere Social-Media-Profile sind leicht zu finden.
»Video Killed the Radio Star« – macht nun das Internet das klassische Fernsehen obsolet?
Kim: Ich glaube nicht. Lineares Fernsehen hat seine Berechtigung, schon weil man oft vom Programm überrascht wird und auf Themen stößt, die man sonst nicht auf dem Schirm hat. Nimm als Beispiel unser Format: In der ARD-Mediathek findest du die »Young Adventurers« natürlich, aber wenn das auch im klassischen Programm ausgestrahlt wird, erreicht man zusätzlich sehr viele Leute, die eben nicht gezielt gesucht haben – von denen bleiben einige interessiert hängen. Das kennt man ja als Traveller: Die besten Reisen nehmen oft beim Schmökern oder Zappen ihren Anfang.
Eike: Aber klar, auch beim Öffentlich-Rechtlichen ist das Streamen via Mediathek die Zukunft. Schauen, wann und wo immer man will. Lagerfeuer-Erlebnisse wie etwa das gemeinsame Schauen einer Fußball-WM werden jedoch immer eine Domäne des Fernsehens bleiben.
Arbeit oder Spaß?
»Im Film sieht es aus wie Urlaub. Aber es besteht die ganze Zeit Druck, du kannst nie wirklich abschalten.«
Zurück zu eurer Fernwanderung. Könnt ihr den Israel National Trail (INT) empfehlen? Der Weg ist ja über 1000 Kilometer lang und keine Anfängertour.
Eike: Unbedingt. Wir sind allerdings »nur« etwa 500 Kilometer gegangen, einige Etappen wurden zugunsten der Dreharbeiten übersprungen. Neben der Natur fand ich die Menschen spannend, die wir unterwegs trafen.
Wem begegnet man denn so auf dem INT?
Eike: Erstaunlich wenig anderen Leuten aus dem Ausland. Ein guter Teil sind fitte junge Israelis, Männer und Frauen, die den INT als Urlaub nach Abschluss ihres Militärdiensts gehen, oft in langen Etappen. Die Ausrüstung ist meistens puristisch, übernachtet wird im Schlafsack ohne Zelt.
Kim: Dann gibt es israelische Rentnerinnen und Rentner, die den Trail in Einzeletappen laufen und sich jedes Wochenende an einem anderen Startpunkt aussetzen lassen.
Und die ganze Zeit herrscht Wüstenhitze?
Kim: Das Klima im Norden war mediterran, wie man es aus Spanien oder Italien kennt, der Süden fühlte sich allerdings wie Ägypten an. Der INT ist wirklich abwechslungsreich. Sehr cool fand ich, dass der Trail viele Orte und Gebiete berührt, wo man sonst als Touri nicht unbedingt hinkommt.
Habt ihr vorher speziell trainiert, um den Strapazen in der Wüste gewachsen zu sein?
Eike: Wir sind ein bisschen Joggen gegangen vorher.
Kim: Okay, als ich gleich am ersten Tag schlappgemacht habe, kamen mir an unserem Trainingskonzept doch ein paar Zweifel. Wir waren anfangs etwas überfordert mit den Temperaturen. Man muss erst mal lernen, wie viel Trinkwasser der Körper braucht, um nicht zu dehydrieren. Und wir hatten einige echt lange Etappen. Einmal waren es sogar 33 Kilometer inklusive ordentlich Höhenmetern und auch Kraxelpassagen. Alles, um einen bestimmten Biwakplatz zu erreichen. Ich war absolut am Limit. Aber trotz all dieser Strapazen war es eine fantastische Trekkingtour.
Mal ehrlich: Ist so eine Tour eher Arbeit oder Urlaub?
Eike: Im Film sieht es natürlich wie Urlaub aus. Und das wäre es ja auch gewesen, hätten wir nicht nebenbei noch – genau! – einen Film gedreht. So besteht die ganze Zeit ein gewisser Druck, du kannst nie wirklich abschalten. Und am Pausentag kümmerst du dich erstmal um deine Aufnahmen und die Back-ups, statt mal gemütlich zu entspannen …
Kim: Wenn man dreht, fragt man sich in jeder Situation: Brauchen wir das oder brauchen wir das nicht? Das macht einen auf Dauer ein bisschen kirre und hält einen davon ab, einfach mal den Moment zu genießen. Ich konnte mich zumindest bei den Interviews und Gesprächen ein bisschen fallen lassen, doch Eike hat gefühlt die halbe Reise mit einem Bildschirm zwischen sich und der Realität erlebt.
Gibt es typische Gefahren auf dem Trail?
Eike: Respekt hatten wir vor Flash Floods, das sind Sturzfluten, die nach plötzlichen Regenfällen ein eben noch trockenes Bachbett fluten – welches zugleich der Wanderweg ist. Einmal kamen wir ins Gewitter und sind sofort raus aus der kleinen Schlucht, in der wir uns befanden.
In eurer Doku ist das angespannte Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern immer wieder ein Thema. Wie tief hat man euch blicken lassen?
Kim: Wir möchten möglichst viele Perspektiven zeigen. Beispielsweise sind wir sowohl mit Leuten in den völkerrechtswidrigen Siedlungen im Westjordanland ins Gespräch gekommen als auch mit vielen Palästinensern. Das sind für uns ungewohnte Lebensrealitäten. In Israel ist nichts unpolitisch. Schon wo du deinen Hummus kaufst, kann als Statement gedeutet werden. Wir haben eine sehr persönliche Lösung gefunden und beleuchten das, was wir erleben. Das ist natürlich eine subjektive Sicht auf diesen Konflikt, aber eine, die stellvertretend dafür sein kann, was man erlebt, wenn man als Deutsche nach Israel und Palästina reist. Wir hoffen, das im Film gut zu vermitteln.
Von der Wüste auf den Balkan: Vor zwei Jahren habt ihr hier im Globetrotter Magazin über den bedrohten Fluss Vjosa in Albanien berichtet. Soeben wurde das Gebiet zum geschützten Nationalpark erklärt. Ein Erfolg, den ihr mit ermöglicht habt?
Kim: Das wäre ein bisschen anmaßend. Den Großteil der Arbeit haben Naturschutzorganisationen geleistet. Und die Menschen vor Ort, die mit ihnen kooperiert haben.
Eike: Wir sind ja keine Aktivisten. Wir können aber Stimmen verstärken, die schon da sind, und diesen noch mehr Gehör verschaffen.
Gehört eine Tour auf der nun geretteten Vjosa auf die Bucketlist für reiselustige Paddler?
Eike: Absolut. Wir waren dort seinerzeit praktisch allein unterwegs. Es ist sicher noch Platz für mehr Paddler. Aber es ist auch wichtig, dass wir Maß halten und die Vjosa nicht zu Tode lieben. Idealerweise etabliert der Nationalpark ein Permitsystem für die Vjosa, das Regeln schafft und auch die Anzahl der Befahrungen limitiert.
Ist ein Staudamm zur Erzeugung von Wasserkraft, wie er an der Vjosa geplant war, grundsätzlich schlecht?
Eike: In der Schule wurde uns ja immer erzählt, dass Wasserkraft grüne Energie ist. Dem würde ich nach unserer Reise auf der Vjosa widersprechen, denn der »Ökostrom« ist auf Kosten der Biodiversität teuer erkauft. Ein dicker Staudamm, der ganze Landstriche auf Nimmerwiedersehen überflutet, ist nicht mehr zeitgemäß.
Öffentlichkeit
»Wir sind keine Aktivisten, aber können Stimmen verstärken und diesen mehr Gehör verschaffen.«
Eike, du bist leidenschaftlicher Seekajakfahrer und hast darüber einige Filme gedreht. Was reizt dich daran?
Eike: Ein Seekajak ist das perfekte Transportmittel, da man darin, anders als beim Wandern, nahezu alles mitnehmen kann, was man will. Zudem kommt man an Orte, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad nicht erreichbar sind – und mit dem Auto schon gar nicht. Seekajaks brauchen keine Wege, man nutzt nur, was die Natur ohnehin bietet. Gerade auf dem Meer kann ich frei meinen Kurs bestimmen und dabei wunderbar abschalten. Und: Man hat immer Wasser um sich herum. Okay, Meerwasser kann man nicht trinken, aber damit Töpfe spülen und darin baden. Seekajakfahrer riechen meist besser als Wanderer 😉
In eurem gemeinsamen Debütfilm »Outdoor-Liebe« paddelt ihr an der verregneten Küste Norwegens. Kim, das war damals deine erste Seekajaktour?
Kim: Ja. Und beinahe auch die letzte. Zumindest in dieser Länge und Intensität. Letztes Jahr waren wir in Island paddeln, da war das Wetter ähnlich rau. Ich weiß nicht, ob ich noch die große Seekajak-Fahrerin werde.
Eike: Sagen wir mal, du magst Wasser nicht ganz so gerne wie ich – zumindest nicht, wenn es von oben kommt.
Kim, hast du für andere Seekajak-Einsteiger:innen Tipps, wie man Muskelkater und Kenterung vermeidet?
Kim: Gegen Muskelkater habe ich keine Tipps, weil ich immer gleich am nächsten Tag weiterpaddeln musste. Es wurde also nur schlimmer … Gekentert und ausgestiegen bin ich zum Glück nur zu Übungszwecken. Das sollte man unbedingt mal im Sommer im warmen Baggersee durchexerzieren, bevor der Ernstfall auf der Nordsee eintritt. Eike hat auch früh versucht, mir die Eskimorolle beizubringen, die klappt aber mehr schlecht als recht.
Habt ihr beide neue Pläne für Seekajaktouren?
Eike: Ich habe genügend Pläne. Die Frage ist nur, wie viel Überzeugungsarbeit ich leisten muss, damit Kim mitkommt.
Kim: Es gibt ja zum Glück noch andere Leute, mit denen du paddeln gehen kannst.
Eike: Also mir fehlt auf jeden Fall noch ein Stück der norwegischen Küste von Bodo bis nach Kirkenes.
Kim: Das ist mir zu kalt.
Traumpaar
Der erste gemeinsame Film »Outdoor-Liebe« hat fast eine Million Views.
Ein Stück weit habt ihr beide eure Hobbys zum Beruf gemacht, zudem teilt ihr als Paar auch eure Freizeit miteinander. Wo bleibt der persönliche Freiraum?
Kim: Den haben wir uns gerade gesucht, indem wir mal getrennt in Urlaub waren. Ich bin auf Sizilien gewesen, zum Kitesurfen. Allein, das habe ich total genossen. Eike war mit einem Kumpel auf dem Kungsleden unterwegs.
Welchen Film würdet ihr gern drehen, wenn ihr unbegrenzt Budget hättet?
Eike: Wir machen ohnehin keine Luxusreisen. Viel Budget würden wir daher in viel Zeit investieren. Je länger man unterwegs ist, desto besser kommt man an die Menschen heran.
Kim: Mein persönlicher Traum wäre ein langer Segeltörn, um dabei unterschiedlichste Orte anzulaufen und die Nomaden des Wassers kennenzulernen.
Und gibt es schon ein neues TV-Reiseprojekt?
Eike: Ja, wir fahren im Sommer nach Sumatra, drehen dort »Young Adventurers Indonesien«, sechs Wochen lang.
Kim: Dürfen wir das schon sagen? Okay, zu spät …
Inspiration
»Die besten Reisen nehmen oft beim Schmökern oder beim Zappen ihren Anfang.«