Eine ganz besondere Zugreise

Von roten Elefanten und anderen Begegnungen – Unterwegs auf den Schienen Kenias

Ein Abenteuerbericht aus der Globetrotter-Community
von Lynn Benda

Während der Zug mit seinen charakteristischen orangen, roten und gelben Streifen stoisch durch die Landschaft zieht, entsteht ein gemütliches Klack-Klack bei jeder Überfahrt der Schienenschwellen. Die Reisenden im Inneren der Waggons werden sanft hin und her geschuckelt, während am Fenster zunächst Palmen und später Baobabs (afrikanische Affenbrotbäume) vorbeiziehen und sich irgendwann auch die roten Elefanten des Tsavos in einem der vielen Wasserlöcher abkühlen. Verzückt lasse ich mich in meinen Sitz zurückfallen und genieße diese einmalige Aussicht, die man wohl auf keiner anderen Zugfahrt der Welt genießen kann.

Mit dem Zug auf Safari

Kenia bezaubert Reisende mit diversen Naturlandschaften, einem hohen Artenreichtum, gastfreundlichen Menschen und sehenswerten Städten. Damit sollte es auf jeder Bucketlist ganz weit oben stehen, wenngleich das ostafrikanische Land nur bedingt auf Individualreisende eingestellt ist. Zum Glück jedoch verbindet ein Zug die so ganz unterschiedlichen Millionenstädte Nairobi und Mombasa. So wird das Reisen zwischen dem Inland und der Küste zu einem ganz eigenen Vergnügen, welches nicht nur deutlich nachhaltiger als das Fliegen ist, sondern auch die Möglichkeit bietet, vom Zug aus mit etwas Glück Giraffen, Elefanten und Co. zu beobachten. Denn die Zugstrecke führt weite Strecken entlang des Tsavo-Ost-Nationalparks, und wer mag, kann sogar auf halber Strecke aussteigen und einige Tage auf Safari gehen. Begleitest du mich auf eine spannende Reise durch Kenias Süden?

Die Zugreise kann starten!

Ein Land mit ganz besonderer Bedeutung für mich

Mit Kenia habe ich eine ganz besondere Verbindung, denn im Alter von 16 Jahren habe ich in diesem Land das erste Mal afrikanischen Boden betreten, nichts ahnend, dass ich rund zwölf Jahre später beruflich eine ganz neue Verbindung dorthin aufbauen sollte. Dieser Besuch hat sicherlich damals meine Faszination für den Kontinent entfacht und dafür gesorgt, dass ich mittlerweile auf eine lange Liste an bereisten Ländern, einen wahren Schatz an tollen Erinnerungen und vor allem einige tiefe Freundschaften blicken kann. Nicht nur damals war meine Mama meine liebe Reisebegleitung, sondern auch über die Jahre haben wir viele gemeinsame Reisen gemacht. Als wir beide nun vor einem runden Jubiläum standen – sie vor ihrem 60. Und ich vor meinem 30. Geburtstag – fiel die Wahl schnell auf Kenia für unsere „Jubiläumsreise“.

Nach ein paar entspannten Tagen an der Küste mit ihren palmengesäumten Stränden hieß es für uns Abschied nehmen vom Kokosnussschlürfen, Baden im Indischen Ozean und dem Beobachten von frechen Affen sowie frisch geschlüpften Meeresschildkröten.

Weiße Sandstrände und frische Kokosnuss schlürfen – was will man mehr?

Nach einem letzten Frühstück mit Blick aufs im Sonnenlicht glitzernde Wasser wurden wir von einem Fahrer zum Bahnhof von Mombasa gebracht. Mittlerweile gibt es dort eine Umgehungsstraße, die bei unserem Besuch allerdings noch nicht fertig war, und so nahmen wir zunächst die berühmt-berüchtigte Linkoni-Fähre und bahnten uns unseren Weg durch die quirligen Gassen Mombasas. Die Fähre verbindet die Südküste Kenias mit der Halbinsel, auf welcher Mombasa liegt.

Alltägliche Eindrücke in Mombasa.

Da vor dem Bau der Umgehungsstraße der gesamte Personen- und Güterverkehr von den Fähren abhängig war, kannst du dir vielleicht vorstellen, was für ein trubeliges Nadelöhr das war! Hupende Autos, Händler*innen, die – von Kokosnüssen über Fisch bis hin zu kalten Getränken – alles Mögliche feilboten, und unzählige Menschen überall. Auch im Mombasa selbst geht es nicht weniger trubelig zu. Dennoch oder gerade deshalb ist ein Besuch in der Stadt aber absolut empfehlenswert, auch, um die historischen Gebäude zu bestaunen und später den Kontrast zu Nairobi noch eindrücklicher zu spüren. Besonders empfehlenswert ist eine Food-Tour, denn durch die jahrhundertealten Handelsbeziehungen zu Indien, der arabischen Halbinsel und anderen afrikanischen Ländern ist die Küste ein wahrer Schmelztiegel an Geschmäckern.

Check-in im Madaraka-Express

Unser Ziel war jedoch der Mombasa-Terminus, welcher nicht unweit vom Flughafen und mit Blick auf den Port Reitz und einige Mangrovenwälder liegt. Ich hatte nun schon öfter das Vergnügen, mit dem Zug zwischen Nairobi und Mombasa und vice versa zu fahren, dennoch überrascht mich jedes Mal die schiere Größe der Bahnhofsgebäude. Mehrstöckig ragen sie in den Himmel von Mombasa bzw. Nairobi und lassen erahnen, wer für den Bau der Bahnlinie verantwortlich gezeichnet hat. Spätestens bei der Büste von Konfuzius, die im Inneren des Bahnhofs von Mombasa steht, wird die Verbindung in Richtung China deutlich. Leider gehört zur Wahrheit auch dazu, dass Kenia sich für den Bau ordentlich bei China verschuldet hat und es abzuwarten bleibt, ob von diesem ansonsten hervorragenden Infrastrukturprojekt auch irgendwann die kenianische Bevölkerung profitiert.

Der Blick auf Port Reitz vom Bahnhof in Mombasa.

Auf der Strecke verkehren unterschiedliche Züge, wobei der Madaraka-Express zwei Mal täglich fährt, nur einmal entlang der Strecke hält und somit etwas schneller am Ziel ist. So dauert die Fahrt zwischen den zwei Metropolen keine fünfeinhalb Stunden und ich habe auch noch nie eine Verspätung erlebt. Wir haben uns für die Abfahrt um 15 Uhr entschieden, die kurz nach 20 Uhr in Nairobi ankommen soll. So kann man entspannt in den Tag starten und dennoch weite Teile der Strecke im Hellen genießen. Unsere Ticketinformationen hatten wir schon vorab bekommen und mussten nur noch an einen der Schalter, um uns die Tickets ausdrucken zu lassen. Zuvor mussten wir jedoch durch Sicherheitskontrollen, die denen an Flughäfen in nichts nachstehen. Nicht nur, dass wir durch Scanner durchmussten, auch unser Gepäck wurde von Hunden beschnüffelt und unsere Pässe gleich zweimal gecheckt.

Da ich bisher nur die Economy-Class kannte, sind wir dieses Mal in der ersten Klasse gefahren. Das hatte den Vorteil, dass wir im Terminal in Empfang genommen und in einen extra Wartebereich gelotst wurden. Dort gab es nicht nur die Möglichkeit, Essen und Getränke zu kaufen, sondern auch einen schönen Blick über den Ozean und die mangrovengesäumten Ufer zu genießen. Prinzipiell unterscheiden sich die Klassen vor allem im Sitzabstand. Während man in der ersten Klasse mehr Privatsphäre genießt, sitzt man in der Economy dichter beieinander. Das hat aber auch den Vorteil, dass man schnell mit Menschen ins Gespräch kommt. So habe ich vor einigen Jahren Jacinta kennengelernt, eine Massai-Frau, mit welcher ich bis heute regelmäßig Kontakt habe. Ansonsten aber gibt es keine Unterschiede in puncto Sauberkeit, Freundlichkeit der Mitarbeiter*innen, dem Angebot an Speisen und Getränken und ehrlicherweise auch in den unbequemen Sitzen.

Sitzreihen in der First Class.

Zwar ist es deutlich günstiger, sich vorab mit Proviant einzudecken, man muss aber auch sagen, dass für unsere Verhältnisse die Preise im Zug sehr moderat sind. Ein kenianischer Bekannter hat mir allerdings auch gesagt, dass es für ihn unerschwinglich ist, im Zug auch noch Essen zu kaufen. Das rückt dann wieder mal in Perspektive, wie unterschiedlich doch die Lohnniveaus sind.

Eine Zugstrecke mit Historie

Ein absolutes Highlight ist natürlich die Fahrt parallel zum Tsavo-Ost-Nationalpark. Deshalb empfiehlt es sich, auf der rechten Seite zu sitzen, wenn man von Mombasa kommt und dementsprechend umgekehrt, von Nairobi kommend. Der Park ist aber auch durch eine blutige Vergangenheit mit dem Bau der Eisenbahn verbunden. Ursprünglich sollte die Strecke den Indischen Ozean mit Uganda verbinden. Sie wurde allerdings nur bis nach Kisumu gebaut, jedoch gibt es neuerdings Bestrebungen, den Ausbau bis nach Kampala wieder aufzunehmen. Eine vielversprechende Vorstellung für Zugenthusiast*innen wie mich!

Wir ziehen vorbei an Elefanten und Palmen.

Aber zurück zum Bau der Bahnlinie in Kenia. Denn zu den sowieso schon harten Arbeitsbedingungen der schlecht bezahlten indischen und kenianischstämmigen Arbeiter*innen kamen auch Attacken der so genannten „Tsavo Man-Eater“ hinzu. Zwei Löwen, welche dutzende Menschen getötet haben sollen, ehe sie erschossen wurden. Heute findet man sie ausgestopft im Field Museum of Natural History in Chicago. Und wenn wir schon mal beim Thema Geschichte sind: In dieser Gegend fanden auch Kämpfe im Ersten Weltkrieg statt, die verdeutlichen, wie globalpolitisch alles miteinander verknüpft ist und welche weitreichenden Folgen der Kolonialismus für die Menschen vor Ort hatte und bis heute hat.

Museum zu Kenias Geschichte und dem Bau des Zuges.

Natürlich sollen solche historischen Betrachtungen nicht den Reisespaß mindern, aber es ist in meinen Augen wichtig, sich mit dem Land, welches man bereist, zumindest ein wenig vertraut zu machen und zu verstehen, welche politischen Verflechtungen es gibt, und auch ein wenig die rosarote Brille abzusetzen.


Wissenswertes zur Reiseplanung

Unbedingt Einpacken

Da Mombasa und Nairobi gut 1600 Höhenmeter trennen, gehört sowohl locker-leichte Kleidung für die tropische Küste als auch etwas zum Überziehen für die durchaus kühlen Nächte in Nairobi ins Gepäck. Durch die Nähe zum Äquator ist Sonnencreme mit LSF 50 Pflicht, genauso wie Mückenschutz, denn einige der in diesem Text genannten Regionen sind Malariagebiete. Im Vorfeld der Reise sollte deshalb auch immer eine tropenmedizinische Beratung stattfinden. Für die Zugfahrt empfehlen sich Stofftaschen oder Rucksäcke, da diese sich besser verstauen lassen. Sie sollten immer so gepackt sein, dass man sie auch etwas länger gut tragen kann.

Ticketkauf und Preise

Leider gibt es aktuell noch keine Möglichkeit, die Tickets mit Kreditkarte zu kaufen. Es geht bisher nur über M-Pesa, eine mobile Zahlungsmöglichkeit, welche in Ostafrika weit verbreitet ist. Entweder die Tickets werden über eine (lokale) Agentur gebucht oder vorab am Ticketschalter gekauft. Letzteres birgt natürlich ein gewisses Risiko, dass die gebuchte Verbindung bereits ausgebucht ist.

Ticketklassen

Neben der Economy und First Class gibt es mittlerweile auch eine Premium Class. Diese ist vergleichbar mit der Business Class im Flugzeug. Die Tickets kosten je nach Klasse circa zwischen 10€ und 90 €.

Mindestaufenthalt und Reisezeitraum

Die Fahrt zwischen Nairobi und Mombasa dauert je nach gewählter Verbindung fünfeinhalb bis sechs Stunden. Wer die Zugreise jedoch mit einer Safari verbinden will, sollte mindestens zwei weitere Nächte einplanen. Idealerweise kann man eine zweiwöchige Reise draus machen, wenn man noch etwas Zeit am Strand, in den genannten Nationalparks und in Nairobi verbringen möchte.

In Kenia gibt es zwei Regenzeiten, die große ist klassischerweise im April und die kleinere im November. Durch den Klimawandel sind sie allerdings nicht mehr zuverlässig vorhersehbar. Jedoch regnet es meist nicht den ganzen Tag, sondern punktuell und dann aber sehr stark. Meine bevorzugte Reisezeit ist im Mai oder Ende November. Dann ist keine Hauptsaison mehr. Es ist weniger los und ich mag die grüne Vegetation nach dem vorausgegangenen Regen.

An- und Weiterreise von den Bahnhöfen

Man kann es entweder wie wir machen und vorab einen Transfer durch die Unterkunft organisieren, sich ein Uber rufen oder einen der Shuttlebusse nehmen. Diese warten vor der Ankunftshalle und haben feste Preise. Wohin die Minibusse fahren, wird durch ein Schild signalisiert. Von Mombasa kann man zum Beispiel einen Minibus nach Diani Beach nehmen, welcher umgerechnet circa 5€ kosten sollte.

Noch mehr schöne Zugreisen weltweit gibt es in der Zugreisen-Anthologie „Gleise, die die Welt bedeuten“ zu lesen. Dort habe ich in einem Kapitel ebenfalls von meiner Zugreise von Nairobi nach Mombasa berichtet und erzähle von der außergewöhnlichen Begegnung mit Jacinta, welche mir noch heute Nachricht schreibt, die mit „My dear daughter, …“ beginnt.


Nächster Halt: Safari!

Zu einer Reise nach Kenia gehört jedoch zwingend auch eine Safari. Zu beeindruckend sind der hohe Artenreichtum und die vielfältigen Naturlandschaften, welche man allein schon in diesem südlichen Teil des Landes erleben kann. Wer die Zugfahrt mit einer mehrtägigen Safari verbinden möchte, sollte seine Fahrt in Voi unterbrechen. Voi ist ein Handelszentrum in der Region, ist vor allem für seine Sisalproduktion bekannt und liegt im ersten Drittel auf der Strecke zwischen Mombasa und Nairobi.

Hier kann man wunderbar den Tsavo-Ost– und den Tsavo-West-Nationalpark besuchen und mit etwas mehr Zeit im Gepäck auch mit dem Amboseli-Nationalpark kombinieren. Das berühmte Naturschutzgebiet, wo man die vielleicht schönste Sicht auf den Kilimandscharo hat und mit etwas Glück wunderbare Postkartenmotive knipsen kann, wenn bei freier Sicht auch noch ein Elefant davorsteht.

Flamingos, Elefanten, Zebras und Kronenkraniche – große Artenvielfalt im Amboseli Nationalpark.

Obwohl die Tsavos nur durch den Highway und die Bahnlinie getrennt sind, unterscheiden sie sich doch ungemein. Der Osten ist deutlich flacher und wüstenartiger, wobei vor allem die rote Erde charakteristisch ist, welche die Tiere ebenfalls rötlich einfärbt. Der Westen ist deutlich grüner und die Vegetation dichter, außerdem gibt es kleine Hügel und mehr Wasserquellen. Zwar macht das die Tierbeobachtung schwieriger, landschaftlich gesehen gehört der Tsavo West aber zu meinen absoluten Lieblingsorten in Kenia. Und auch von diesem Park aus kann man bei guter Sicht den Kilimandscharo sehen und muss sich diesen Ausblick mit weniger anderen Besucher*innen teilen als im sehr populären Amboseli.

Die Sonne taucht den Tsavo-Ost-Nationalpark in schönes Abendlicht.

Abwechslungsreiche Landschaften entlang der Strecke

Da meine Mama und ich jedoch schon am Anfang unserer „Jubiläumsreise“ in den Parks waren, haben wir unsere Zugfahrt nicht unterbrochen und nur die vorbeiziehende Landschaft bestaunt. Nicht nur das entschleunigende Fahren hat uns Zeit gegeben, alle Erlebnisse nochmal Revue passieren zu lassen, vor allem auch die letzten Tierbeobachtungen, bevor es in den Großstadtdschungel Nairobi ging, haben uns beeindruckt. Auf dieser Fahrt haben wir wirklich unzählige Elefanten, Giraffen, Zebras, Strauße und Antilopen gesehen. Da vergeht die Zeit wie im Fluge!

In Nairobi angekommen war es mittlerweile dunkel und so habe ich uns ein Uber gerufen, um zu unserem Hotel zu kommen. Es war etwas unübersichtlich, da auf dem Parkplatz ein großer Ansturm war, aber die Uberfahrer*innen wissen ganz genau, wo sie parken dürfen und wie sie auf sich aufmerksam machen können.

Zum Abschluss besuchen wir die Mall und das Giraffen Centre in Nairobi.

Nach einem anstrengenden Reisetag voller neuer Eindrücke sind wir dann nur noch erschöpft in unsere Betten gefallen, ehe wir am nächsten Tag noch Nairobi mit all seinen Highlights erleben durften. Denn die kenianische Hauptstadt ist ein wahres Paradies für Foodies und hält auch noch das eine oder andere tierische Highlight wie das Giraffe Centre oder den Nairobi Nationalpark parat. Eins ist klar: Um Kenia in all seinen Facetten zu erleben, reicht nicht nur eine Reise, und wir kommen sicherlich wieder!

Lynn Benda

Lynn hat ihr Herz an den afrikanischen Kontinent verloren, ist aber mindestens genauso gerne in Europa unterwegs. Von ihren Erfahrungen berichtet sie auf ihrem Reise- und Literaturblog Lieschenradieschen Reist

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