Beyond Horizons
Wie ein EU-Projekt Diversität im Outdoor-Sport umsetzt

Für einige ist es selbstverständlich, in die Natur zu gehen. Aber andere werden schon in jungen Jahren von Aktivitäten im Freien ausgeschlossen. Wie können wir das ändern? Das europäische Projekt Beyond Horizons will diese Frage beantworten.

In der Werbung scheint das Mountainbiken nur etwas für diejenigen zu sein, die gerne schnell fahren und weit springen. In Wirklichkeit ist es eine Aktivität, die für viele andere geeignet ist – wenn die Bedingungen stimmen. Das hat die gemeinnützige schwedische Organisation Cykelfrämjandet, die sich seit ihrer Gründung im Jahr 1934 für die Förderung des Radfahrens in Schweden einsetzt, während ihrer Arbeit  festgestellt. Nun möchte sie Kindern mit ADHS- und Autismus-Diagnosen das Radfahren näher bringen. “Viele Eltern erzählen uns, dass ihre Kinder schon alle möglichen Aktivitäten ausprobiert haben, oft Mannschaftssportarten. Und dass es nicht geklappt hat, weil die jeweiligen Aktivitäten nicht angepasst werden konnten. Radfahren hingegen ist sehr anpassungsfähig“, sagt Hugo Röjgård, der das Projekt leitet.

Zu Beginn werden Länge, Geschwindigkeit und Schwierigkeitsgrad der Radtour nach den Bedürfnissen und Wünschen des Kindes geplant. Hugo Röjgård sagt auch, dass sich Vorhersehbarkeit und Klarheit als wichtig erwiesen haben. Dazu gehört zum Beispiel, dass man sich immer am selben Ort trifft, dass der Trainer dieselbe Person ist und dieselbe Kleidung trägt und dass man sich an einen festen Plan hält. “Diese Kinder brauchen diese Art von Unterstützung, aber daran mangelt es heute oft“, sagt er.

Zehn Organisationen aus sechs Ländern

Die europäische Zusammenarbeit soll das ändern. Hugo Röjgård ist der Vertreter von Cykelfrämjandet, eine der insgesamt zehn Organisationen, die sich im 2024 ins Leben gerufenen  Projekt Beyond Horizons engagieren, mit dem gemeinsamen Ziel, mehr Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Outdoor-Aktivitäten zu ermöglichen. Im vergangenen Jahr reisten die Teilnehmer dreimal, nach Norwegen, Frankreich und Irland. Die Organisation des jeweiligen Gastlandes war für das Programm verantwortlich, und während der gemeinsamen Aktivitäten tauschten alle ihre Erfahrungen aus. „Das Projekt war absolut fantastisch. Es gibt so viele tolle und gute Beispiele, die wir weitergeben wollen“, sagt Hugo Röjgård. Er erzählt von einem Outdoortrainer, den sie in Irland getroffen haben. Der vom irischen Justizsystem finanzierte Coach arbeitet mit Jungen, die in die Kriminalität abgerutscht sind. Durch Aktivitäten wie Fahrradtouren und Lagerfeuerkurse erhalten sie Zugang zu einem Umfeld, in dem sie eine neue Identität und ein neues Selbstverständnis außerhalb der kriminellen Welt entwickeln können. “Das hat mich sehr berührt. Es ist eine so einfache Lösung für ein so schwieriges Problem“, sagt Hugo Röjgård.

Sammeln guter Beispiele

Die teilnehmenden Organisationen arbeiten auf unterschiedliche Weise daran, Kinder und Jugendliche in Outdoor-Aktivitäten einzubeziehen. Kinder, die aus verschiedenen Gründen Gefahr laufen, von der Gesellschaft und dem Leben im Freien ausgeschlossen zu werden. Gillian Roche, Kommunikationsmanagerin von Beyond Horizons, sagt, dass die Zielgruppe, die sie anstreben, breit gefächert sein sollte. “Wir wollen sie nicht auf einen Migrationshintergrund oder einen niedrigeren sozioökonomischen Status beschränken. Es kann sich um jede Art von Gefährdung handeln.” Die Lösungen für die Einbeziehung von mehr Menschen reichen von den Arbeitsmethoden über die Kommunikation bis hin zur Ausrüstung“, sagt Gillian Roche. Sie gibt ein Beispiel von einer der Reisen in Chamonix, Frankreich, wo sie die Möglichkeit hatten, in einer sogenannten Joëlette unterwegs zu sein. Dabei handelt es sich um eine französische Erfindung, eine Art tragbarer Stuhl mit einem Rad und langen Griffen. Lokale Organisationen setzen sie ein, um Menschen mit eingeschränkter Mobilität die Möglichkeit zu geben, in die Natur zu gelangen, die für sie sonst unzugänglich wäre.

Schaffung eines Werkzeugkastens

In Chamonix sprach die Organisation En Passant Par la Montagne auch über ihre Arbeit mit Kindern, die zwar in der Nähe der Berge leben, aber selten oder nie dort waren. Der nächste Schritt des Projekts ist die Erstellung eines gemeinsamen „Werkzeugkastens“ mit konkreten Ratschlägen und Tipps der Teilnehmer für die Arbeit im Bereich der Integration. Es soll als Anleitung und Inspiration dienen. “Ich hoffe, dass Beyond Horizons dazu führt, dass sich mehr Menschen in der Arbeit mit neuen Gruppen von Kindern engagieren.“Und dass wir einen Anstoß geben, ihnen die Natur zu zeigen und die Liebe zu ihr zu vermitteln“, sagt Gillian Roche.

Jenseits der Horizonte

Inzwischen gibt es eine Fülle von Erkenntnissen darüber, wie Kindern und Jugendlichen, die sich derzeit ausgeschlossen fühlen, der Zugang zur freien Natur erleichtert werden kann. Zehn Organisationen aus sechs Ländern nehmen an einem europäischen Projekt teil, um diese Erkenntnisse auszutauschen und zu verbreiten. Das Projekt wird durch das EU-Programm Erasmus+ kofinanziert.

  • Internationaler Sport- und Kulturverband, Dänemark
  • Länsstyrelsen Västernorrland, Schweden
  • Cykelfrämjandent, Schweden
  • Königliches Institut für Technologie, Schweden
  • Centre de Ressources D’Expertise Et de Performance Sportives De Rhone-Alpse (CREPs), Frankreich
  • En Passant Par la Montagne, Frankreich
  • Sport Irland, Irland
  • Nord-Troms friluftsråd, Norwegen
  • Protect Our Winters Europe, Österreich
Text: Karin Lindh
Fotos: Beyond Horizons


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