Weniger ist mehr: Eine Unternehmerin und ein Architekt sagen dem globalen Plastikmüll mit einer faltbaren Flasche den Kampf an. Die ganze Gründer-Story.
Im Guten wie im Schlechten sind es manchmal die kleinen Dinge, die eine große Wirkung haben. Wie die Plastikflasche, die produziert, einmal benutzt und dann weggeworfen wird. Das Problem ist nur: Es ist nicht nur eine Flasche. Es sind Milliarden. Jeden Monat. Und nur ein Bruchteil davon wird recycelt. Doch was für das Problem gilt, gilt auch für seine Lösung. Auch hier ist es manchmal nur eine Kleinigkeit, die das Potential hat, alles zu verändern. Das dachten sich auch Radina Popova und Petar Zaharinov und kreierten mit der Origami Bottle eine gleichermaßen kreative wie praktische Antwort auf das globale Plastikproblem. Denn die Unternehmerin und der Architekt aus Bulgarien sahen in der Flaschenflut kein Untergangsszenario, sondern eine Chance – eine Chance unsere Beziehung zur Wasserflasche zu verändern und unsere Trinkgewohnheiten grüner zu machen.
Am Anfang war die Geometrie
Zaharinovs professioneller Bezug zur Wasserflasche offenbart sich nicht beim ersten Blick auf seinen Werdegang. Nach seinem Architekturstudium in der bulgarischen Hauptstadt Sofia begann er sich mit komplexen geometrischen Systemen zu beschäftigen – eine Faszination, die ihn schließlich zum Möbeldesign führte. Zaharinov entwickelte minimalistische Beistelltische zum Zusammenstecken und kreierte schließlich das modulare Wandsystem WallStack, dessen geschäftliche Seite Popova übernahm. Die gebündelte Energie aus Zaharinovs Kreativität und Popovas unternehmerischem Gespür ermöglichte ihnen schließlich im Jahr 2018 die Teilnahme am Accelerator Programm des European Institute of Innovation and Technology (EIT). Das von der EU mitfinanzierte Programm fördert technologische und wirtschaftliche Innovationen, die zu einer CO2-neutralen Zukunft beitragen – der ideale Rahmen für die Ambition der beiden, die Welt etwas nachhaltiger zu machen. Während der nächsten zwei Jahre forschten sie unermüdlich zur Schnittstelle von faltbaren Designs, Wirtschaft und Nachhaltigkeit. Das größte Potential fanden sie schließlich in wiederverwendbaren Verpackungen.
Eine Idee erblickt das Licht der Welt
Dem Gründerduo fiel mit Blick auf das globale Problem von Einwegflaschen auf, dass es durchaus viele Angebote für Mehrwegflaschen gab, was sie zu der Frage führte: Wenn es wiederverwendbare Flaschen gibt, weshalb werden sie dann nicht von allen Menschen genutzt? Ihre Antwort ist kein erhobener Zeigefinger, sondern ein Bekenntnis zur bequemen Natur des Menschen. Denn was umständlich ist, verwerfen wir schnell wieder. Und den ganzen Tag eine sperrige Literflasche mit uns herumzutragen ist umständlich, egal wie groß der Idealismus auch sein mag.
Zaharinovs und Popovas Lösung: Eine Flasche zum Zusammenfalten, die ganz bequem an den Gürtel geklippt oder in die kleinste Handtasche gesteckt werden kann. Zugegeben, die Idee einer faltbaren Flasche hatten vorher schon andere. Doch Popova und Zaharinov gingen noch einige Schritte weiter. Sie bemerkten, dass bisherige Flaschen auf dem Markt vor allem aus Silikon und Polyethylen gefertigt waren. Das Problem war jedoch, dass die einen nicht stark genug komprimierbar waren, einen Eigengeschmack hinterließen und am Ende ihres Lebens nicht recycelt werden konnten. Die anderen waren zwar komprimierbar, aber nicht besonders langlebig und überhaupt nicht formstabil. Eine Flasche musste her, die recycelbar und langlebig war, welche die Form hielt und sich dennoch klein verpacken und einfach transportieren ließ.
Japanische Vorbilder
Auf der Suche nach dem perfekten Design fand Zaharinov den zündenden Funken in der japanischen Kunst des Papierfaltens, bekannt als Origami. Mithilfe der richtigen geometrischen Faltung, so die Idee, ließe sich eine Trinkflasche entwickeln, die im aufgebauten Zustand eine kantenlose runde Form hatte und stabil stand – wie eine ganz normale Flasche eben. Der Keimling der Origami Bottle war gesät. Mit viel Ausdauer, Fleiß und Engagement machten Popova und Zaharinov sich an die Arbeit, vernetzten sich, forschten und entwickelten Prototypen, bis das finale Design der Origami Bottle das Licht der Welt erblickte – schlicht, stabil und funktional.
Das Design war der eine Pfeiler. Der andere war das Material. Um Popovas und Zaharinovs Vision eines wirklich nützlichen und nachhaltigen Produktes zu realisieren, mussten sie ein Material finden, das die Stärken des Faltdesigns unterstützte. Es musste leicht sein, formbar und dennoch stabil, zudem geschmacksneutral und nachhaltig. Keine leichte Aufgabe. Fündig wurden die beiden beim niederländischen Chemieunternehmen DSM. Dieses hatte ein Copolyester entwickelt, das nicht nur die gewünschten Eigenschaften in sich vereinte, sondern auch zu 40% aus Raps bestand und dadurch einen deutlich geringeren CO2-Abdruck hatte als herkömmliche Copolyester. Popova und Zaharinov hatten jetzt das passende Material zu ihrem Design – die Pfeiler standen.
Mit Crowdfunding zum Erfolg
Doch auch die beste Idee ist zum Scheitern verurteilt ohne die Unterstützung zahlungskräftiger Investor:innen. Aber anstatt an die Türen von Banken zu klopfen, wandte sich das Duo von Difold ans World Wide Web. Mit einer Crowdfunding-Kampagne erhofften sich die beiden, genug Kapital sammeln zu können, um die ersten Origami Bottles in Serie zu produzieren. Nach nur vier Stunden online erreichte die Kampagne bereits das gesetzte Ziel. Popova und Zaharinov waren baff. Die Erwartungen waren riesig, jetzt musste Difold liefern. Also begann die Produktion, und trotz der Herausforderungen durch die Corona-Pandemie und die steile Lernkurve der Serienfertigung wurden die ersten 6500 Flaschen Ende 2022 an die Unterstützer:innen der Crowdfunding-Kampagne ausgeliefert. Diese waren begeistert – und die Origami Bottle ein voller Erfolg.
Mittlerweile hat die außergewöhnliche Flasche mehrere Preise gewonnen, unter anderem den German Sustainability Award und die renommierten reddot und iF Design Awards. Auf der Outdoormesse ISPO wurde DiFold zudem mit einer Special Recognition geehrt. Doch Difold möchte sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen.
Den Blick auf die Zukunft gerichtet
Trotz des Erfolgs der Origami Bottle blickt das Gründerduo bereits über den Teller- bzw. Flaschenrand hinaus und arbeitet an Konzepten für faltbare Lebensmittelbehältnisse und Verpackungslösungen für kommerzielle Lieferketten. Auch hier heißt das Ziel: Nachhaltigkeit. Weil Mehrfachverpackungen innerhalb der Lieferketten oftmals leer zurück transportiert werden müssen, wird viel ungenutzter Stauraum durch die Gegend gefahren. Faltbare Container können diese Lücken füllen, denn im zusammengefalteten Zustand lässt sich ein Vielfaches der ursprünglichen Stückzahl bei gleichem Ladevolumen transportieren. Das spart mit jeder Verpackung CO2.
Der Erfindergeist und Idealismus von Menschen wie Radina Popova und Petar Zaharinov weisen den Weg in eine grünere Zukunft. Und die Origami Bottle ist ein kleiner, stylisher Schritt auf diesem Weg.
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