Ein Abenteuerbericht aus der Globetrotter-Community von Suse Kohl und Katrin Pieper.
Hast du schon vom Olavsweg in Norwegen gehört? Die meisten denken bei Pilgerwegen sofort an den Jakobsweg in Spanien – staubige Pfade, volle Herbergen, Hitzeschlachten. Aber Norwegen? Viel grüner, viel ruhiger, viel… wilder? Und genau das hat uns gereizt.
Der Olavsweg, auch St. Olavsleden genannt, ist ein historischer Pilgerweg, der seit dem Mittelalter existiert. Er führt durch dichte Wälder, vorbei an stillen Seen und über weite Hochebenen. Und das Beste: keine Pilgermassen, sondern echtes Norwegen. Nur du, dein Rucksack und die unendliche Weite.
Der Plan: In gut fünf Wochen Trondheim erreichen – die Stadt, in der der heilige Olav begraben liegt. Der Weg dorthin? Bestimmt wunderschön, abenteuerlich und mit einer gesunden Portion „Warum tun wir uns das eigentlich an?“. Aber wenn es einfach wäre, könnte es ja jeder machen.
Pilgern beginnt im Kopf – und in den Füßen.
Von zu Hause aus klang alles ganz wunderbar: 33 Etappen, meist zwischen 20 und 30 Kilometer lang und insgesamt 22.000 Höhenmetern. So steht es in den Reiseführern. Wir dachten uns: Klingt sportlich, aber machbar. Was diese Zahlen wirklich bedeuten, wurde uns allerdings erst auf den ersten Etappen schmerzlich bewusst.
Als wir in Oslo ankamen, lag eine Mischung aus Vorfreude und nervösem Kribbeln in der Luft. Monatelang geplant, ausgerüstet, Listen geschrieben – und jetzt? Jetzt standen wir tatsächlich hier, mit prall gefüllten Rucksäcken und dem Wissen: Es gibt kein Zurück. Zur Einstimmung erkundeten wir Oslo natürlich zu Fuß (,weil wir vom Laufen ja nicht genug bekommen konnten).
Das Stempel-Sammeln darf beim Pilgern nicht fehlen!
Wo die Kühe das Sagen haben
Wir waren Frühstarterinnen, immer zeitig unterwegs, motiviert und gespannt, was der Tag bringen würde. Ohne zu wissen, was uns erwartete, machten wir uns auf den Weg – begleitet von Bananen mit handschriftlichen Motivationssprüchen und einer Landschaft, die uns Mut machte. Doch eine Sache bewahrheitete sich immer wieder: Der letzte Kilometer ist der härteste, egal wie lang die Tagesetappe war. Und dann blieb da noch die Frage: Wo schlafen wir diese Nacht?
Laufen über Stock und Stein und viele Kuhzäune.
Wir genießen die Aussicht auf das Königstal.
Von sakraler Schönheit zum rauen Hochland
Vom Sonnenschein zur Schlammschlacht – So schnell können sich die Wetterverhältnisse ändern.
Der Weg über das Fjell ist nur wenige Wochen im Jahr begehbar, da er sonst unter Schnee verschwindet. Und selbst im Sommer gibt es strikte Regeln: Nach 14 Uhr darf der Weg nicht mehr betreten werden. Zu groß ist das Risiko, von Nebel oder Wetterumschwüngen überrascht zu werden.
Und dann kam „Hans“
Unwetter „Hans“ stiftet Chaos und wir beeilen uns weiterzukommen.
Als wir schließlich in Oppdal ankamen, fiel eine unglaubliche Last von uns ab. Das Fjell lag hinter uns. Doch eine letzte Herausforderung wartete noch: das Moor. Über schmale Holzstege balancierten wir durch eine mystische Landschaft, begleitet von Bartflechten, die wie silberne Schleier von den Bäumen hingen. Ein Zeichen bester Luftqualität – eine Symbiose aus Pilz und Alge. Hier war die Natur noch unberührt.
Und dann war es soweit. Der Schlussstein unserer Reise und der Nidarosdom in Trondheim waren in Sicht. Als wir die mächtige Kathedrale zum ersten Mal aus der Ferne sahen, blieb uns der Atem stocken. Wir waren angekommen. Stolz, Erleichterung, Ehrfurcht – ein Moment, der schwer in Worte zu fassen ist. Das beeindruckenste Westwerk des Doms überragte alles.
Am Ende hatten wir 791 Kilometer zurückgelegt – mehr als geplant, denn Umwege zu Unterkünften und Supermärkten summierten sich. Doch das war egal.
Trondheim – Nach 791 Kilometern kommen wir glücklich am Ziel an!
Die Erfahrungswerte zweier Pilgerinnen
Ein gepackter Rucksack sagt viel über das Innenleben eines Menschen aus. Was kann man tragen, was muss man ertragen? Je nachdem, wann die nächste Einkaufsmöglichkeit kam, war unser Rucksack gefüllt. Bis zu acht Tage lang mussten wir Proviant mitschleppen. Ohne Essen wog er 13 Kilogramm, mit Verpflegung bis zu 18 Kilogramm. Es gab so manche Momente, in denen wir ihn verzweifelt anflehten: „Könntest du nicht ein kleines bisschen leichter sein?“
Wir sind jetzt Expertinnen für norwegische Supermärkte. Was ist leicht und macht satt? Fertigsuppen – allen voran Erbsensuppe – waren unsere ständigen Begleiter. Gemüse, wenn der Weg es zuließ. Fertigkartoffelbrei? Nie wieder. Die Norweger*innen frühstücken Tomatenfisch mit Krabbensalat – gewöhnungsbedürftig. Doch den berühmten braunen Käse aus dem Gudbrandsdalen mussten wir natürlich probieren. Besonders schön waren die kleinen Selbstbedienungskioske mit Vertrauenskasse – einfach eine tolle Tradition.
Wasser von oben, unten, überall. Es gab kaum trockene Tage. Aber es hätte uns auch sommerliches Wetter widerfahren können: Anfang Juni gab es eine Hitzeperiode mit vielen Tagen über 30 Grad – für uns unvorstellbar. Wir sahen den norwegischen Sommer nur selten. Nachts sanken die Temperaturen oft einstellig. Im Pilgerzentrum entdeckten wir die norwegische Wunderwaffe: die Schuhtrockenmaschine. Ein echter Segen!
Pilgern bedeutet, Menschen zu begrüßen, ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen und sich wieder zu verabschieden. Es ist wie das Leben selbst. Die Gastfreundschaft war beeindruckend – wir wurden sogar zu einem norwegischen Kindermusical mitten im Wald eingeladen.
Und dann die Tierwelt: Endlich sahen wir Elche! Lange suchten wir nach Spuren, inspizierten Fußabdrücke und Kothaufen – dann, in der Dämmerung, entdeckten wir sie. Kühe dagegen waren keine Seltenheit. Sie standen oft mitten auf dem Weg. Aber wir wurden zu wahren Kuhflüsterinnen.
Ein Herbergsvater erzählte uns, dass 80 % der Pilger*innen auf dem Olavsweg Frauen sind. Wir können diesen Eindruck nur bestätigen. Aber egal welches Geschlecht, ob alleine oder zu zweit – der Weg macht mit jedem etwas.
Fühlst du dich bereit für dein Abenteuer? Die Zukunft beginnt jetzt!
Damit verabschieden wir uns typisch norwegisch:
Ha det!
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