Nachhaltig mit Funktion: Tierra hat sich der technischen Outdoorbekleidung mit umweltfreundlichen Materialien verschrieben. Und verlässt dabei den gelernten Weg. Zum Beispiel, wenn als Füllmaterial der neuen Belay-Serie Wolle aus Gotland genutzt wird.
Eine Schaffarm auf Gotland. Ringsherum hohe Birken, grüne Wiesen, rote Holzhäuser. Die Ferieninsel in der Ostsee zeigt sich so, wie man sich Schweden erträumt. Eine kleine Delegation des Herstellers Tierra ist zu Besuch bei Landwirt Johan und schaut sich dessen Schafzucht an. Die Wolle, die die Tiere auf der Weide hier tragen, wird in ein paar Monaten als Füllung in modernen und nachhaltig produzierten Isolierjacken der Belay-Serie stecken.
Comeback der Wolle
Das Tolle bei Wolle ist: Sie wächst einfach nach und ist bereits ausreichend vorhanden. In Schweden fallen in der ganz normalen Schafzucht jährlich 1200 Tonnen Schurwolle an, die fast niemand braucht. Zwei Drittel werden verbrannt oder auf dem Feld untergepflügt. »Das fanden wir schade, denn Wolle ist ein hochwertiges Rohmaterial, das wir nicht erst noch ressourcenverbrauchend produzieren müssen«, erklärt Erik Blomberg, Produktentwickler bei Tierra. Wolle kann außerdem locker mit den sonst üblichen Kunstfaserfüllungen mithalten. Das Gewicht-Wärme-Verhältnis ist etwa gleich und auch die Kompressionsfähigkeit ähnlich. »Das Körperklima ist mit Wolle sogar etwas besser«, erklärt Erik, »man überhitzt nicht so schnell wie mit Kunstfaserfüllungen.«
Auf Gotland: Zwei Mal im Jahr wird geschoren und die Wolle anschließend vor Ort sortiert und gewaschen.
Funktionelles und zeitloses Design mit nachhaltigen Materialien zu kombinieren, ist typisch für Tierra. »Unser Ansatz ist es, mit an vorderster Front für Nachhaltigkeit und Funktionalität zu stehen«, sagt Malin Eurenius, Marketing- und PR-Verantwortliche bei Tierra, über die Ausrichtung der Firma. Kein Detail in der Kollektion wird nur für einen schönen Look entworfen, alles hat einen Grund oder eine Funktion.
Neben der erwähnten Wolle verwenden die Schweden für die neue Belay-Serie einen Außenstoff aus leichtem Ripstop-Polyester. Auch hier probiert Tierra einen nachhaltigeren Weg. Das Polyester wird bereits zu 30 Prozent aus Abfallprodukten der Zuckerherstellung gewonnen, bis 2023 soll es komplett aus erneuerbaren Ressourcen stammen.
Die erste Öko-Funktionsjacke auf dem Markt
Dass nachhaltige Materialien auch für technische Outdoorbekleidung sehr gut funktionieren, haben die Schweden bereits mehrfach bewiesen. 2017 brachte Tierra die erste Öko-Funktionsjacke auf den Markt. Das Ziel bei der Deterra-Kollektion war, die bestmögliche Jacke herzustellen, ohne Materialien mit fossilem Ursprung wie zum Beispiel Erdöl zu verarbeiten. Für die Bekleidungsserie mit Fasern aus Rizinusbohnen, Eukalyptus, Mais, Wolle, Baumwolle und aus der Frucht der Steinnusspalme gab es bei der Branchenmesse ISPO den »Eco Responsibility Award«.
Manchmal hilft auch der Zufall, wenn man Outdoorbekleidung umweltfreundlicher machen will. Eine Alternative zur klassischen Fleecejacke entstand etwa, als eine Tierra-Mitarbeiterin im Abfallkorb einer Strickerei ein Stück Stoff fand. Die Wolle war so gewebt, dass sie kleine Luftpolster einschloss. Weil die Mitarbeiterin das spannend fand, nahm sie das Stück Abfall mit zu Tierra. Der Stoff landete schließlich in einer neuen Jackenkonstruktion: außen Merinowolle und innen Primaloft. Die Rista-Kollektion wurde zu Tierras Antwort auf das Problem, dass normale Fleecejacken beim Waschen winzige Teile von Mikroplastik absondern, die dann in die Umwelt gelangen.
Ein drittes Beispiel, wie Tierra versucht, bewusster mit Ressourcen umzugehen und auch darauf hinzuweisen, war die Re-Sorted-Kollektion. Für diese limitierte Serie an auffallend bunten Funktionsjacken und Regenmänteln wurde keine Stoffbahn extra hergestellt, sondern es wurden allein Reste verarbeitet.
Grundstein am Everest
Den Ursprung von Tierra findet man 1983 in Kinna, unweit von Göteborg in Westschweden. Damals begann dort ein Mann mit dem Namen Anders Andersson, Wetterschutz- und Outdoorklamotten zu fertigen. Doch erst eine schwedische Mount-Everest-Expedition im Jahr 1991 markiert so etwas wie den richtigen Grundstein für das Unternehmen. Ohne große Erfahrung, wie man Bekleidung für eine 8000er-Besteigung fertigt, bekam Tierra den Auftrag für die Ausrüstung. Die Expedition wurde ein voller Erfolg und von der ersten schwedischen Everest-Besteigung durch Lars Cronlund gekrönt. Auf Tierra-Sachen konnte man sich also auch am höchsten Berg der Erde verlassen. Es folgte 1993 eine erfolgreiche schwedische K2-Expedition. Und 2000 lief der Schwede Ola Skinnarmo in Tierra-Bekleidung solo über das Packeis zum Nordpol.
»Selbst technische Bekleidung lässt sich aus nachhaltigen und natürlichen Materialien fertigen.«
Julian Rohn – Redakteur Globetrotter Magazin
Anders als anderen Marken, geht es Tierra beim eigenen Athletenteam nicht so sehr um erfolgreiche Wettbewerbe und tolle Ergebnisse. Unter den Botschaftern der Marke finden sich Leute, die beruflich wie privat gern und viel draußen unterwegs sind. Außerdem unterstützt Tierra die schwedische Bergrettung und ein Testteam aus Profibergführern wird regelmäßig mit den neuesten Prototypen ausgestattet. Was die in einer Saison ihrer Kleidung zumuten, entspricht etwa fünf Jahren Nutzung durch einen normalen Verbraucher.
Exklusiv bei Globetrotter
Verglichen mit der Branche ist Tierra eine eher kleine Marke. Das Kernteam besteht heute aus sieben Personen, die sich um Produktentwicklung, Vertrieb und Marketing kümmern. Allerdings ist die Firma inzwischen Teil der schwedischen Fenix-Gruppe, zu der Marken wie Fjällräven, Primus, Hanwag und auch Globetrotter gehören. Der einstige Gründer ist nicht mehr an Bord und der Firmensitz ist nach Stockholm verlegt worden. Dort nutzt Tierra die Entwicklungslabore, Kältekammern und Vertriebsstrukturen der Markenpartner mit. In Deutschland wird Tierra
exklusiv bei Globetrotter verkauft.
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Während also die Marke durchweg schwedisch ist und auch das optische Design der Kollektionen typisch skandinavisch schlicht und schlank ausfällt, stammt der Name Tierra nicht aus dem Schwedischen. Er ist aus den südamerikanischen Anden entliehen. Dort spricht man von den drei Klimazonen: der Tierra Calienta in geringer Höhe und mit warmen Temperaturen, der Tierra Templada in mittlerer Höhe mit kühlen Temperaturen und der Tierra Fría in großer Höhe und mit kalten Temperaturen. Für all diese Zonen will die Marke die passende Bekleidung bieten.
Transporte Reduzieren
Zurück zur Wolle nach Gotland. Neue Materialien bringen neue Herausforderungen. Um frisch geschorene Schafwolle verarbeiten zu können, muss sie zunächst sortiert, gewaschen und getrocknet werden. Idealerweise steht auf der schwedischen Ferieninsel auch die größte Wollwaschanlage Europas. Die Besitzer sind ein Architekten-Ehepaar, das früher viel mit natürlichen Materialien gebaut hat. Als sie sich auf Gotland niederließen, stellten sie fest, dass sehr viel Schafwolle einfach entsorgt wurde. Weil Wolle auch als natürliche Dämmung für den Hausbau funktioniert, suchten sie nach einer Möglichkeit, die Wolle vorher zu reinigen. Sie erstanden in Spanien eine gebrauchte Waschanlage und bauten sie in ihrer Scheune wieder auf. Auch die Wolle für die Belay-Jacken wird jetzt dort gewaschen.
Mehr als die Hälfte der gesamten Kollektion fertigt Tierra übrigens in Europa. Für die Schafwolle geht es deshalb aus Gotland über Deutschland nach Ungarn, wo sie schließlich zu den warmen Jacken der Belay-Serie vernäht wird. Kurze Transportwege sind ein weiterer Baustein, um den ökologischen Fußabdruck von Bekleidung zu verringern.