Dan: Hehe, zum Glück nicht mehr. Erst zwei Wochen nach der Rückkehr konnte ich wieder entspannt am Schreibtisch sitzen. Davor war Sitzen nur mit eingebauten Pausen möglich. Und sagen wir so: Der Sattel von meinem Alltagsrad und ich brauchten auch erst eine kleine Eingewöhnungsphase, bevor wir uns wieder mochten.
Dieses Frühjahr hat Dan Ebner Bürostuhl und Veranstaltungsbühne gegen das Bike getauscht und ist in rekordverdächtigem Tempo den European Divide Trail hinaufpedaliert, 7700 Kilometer vom Süden Portugals bis in den Norden Norwegens.
Was ist der European Divide Trail?
Ganz kurz: Die längste Bikepackingroute der Welt, rund 7 700 Kilometer von Grense Jakobselv in Norwegen nach Cabo de São Vicente in Portugal – oder in meinem Fall andersrum. 49 Tage, 78 340 Höhenmeter und jede Menge Abenteuer. Die Strecke führt größtenteils über Schotterpisten und kleine Wege, durch Wälder, Berge, Olivenhaine und Gegenden, in die sich kaum Touristen verirren. Wer’s mag: Natur pur, Einsamkeit und ganz viel Logistik-Puzzle, damit es sich mit Essen, Wasser und Schlafplätzen ausgeht.
Wie hoch war der Gravel-Anteil?
Offiziell sagt man 70 Prozent unbefestigt. Aber im Norden gilt selbst eine Schotterstraße oft als »befestigt«. Mein Gefühl: Nur 20 Prozent Asphalt, der Rest hat ordentlich geknirscht. Kurz gesagt: mindestens 50 Millimeter Reifenbreite einplanen, alles darunter ist Masochismus.
Wo ist es in Europa am schönsten?
Schwer zu sagen, aber mein Herz hängt am Norden. Norwegen ist rau, wild und leider auf dem Trail viel zu kurz. Aber auch Spanien hat mich überrascht: Die »Sierras de Cazorla y Segura« sind spektakulär – tiefe Täler, wilde Berge, absolute Einsamkeit. Wenn man die Olivenbäume und die Hitze ignoriert, ist das pures Bikepacking-Kino.
Trifft man unterwegs auf Gleichgesinnte?
Selten. Meistens sitzt man allein im Sattel und redet mehr mit Mücken als mit Menschen. Auf Campingplätzen trifft man mal andere Radreisende, aber unterwegs ist der Trail einsam. Gegen Ende kamen mir ein paar andere EDT-Fahrer entgegen – die starteten später im Norden, um der südlichen Hitze zu entgehen.
Warst du mit der Auswahl deiner Ausrüstung zufrieden?
Zum größten Teil ja. Die Cyclite-Taschen waren top und haben ordentlich Gewicht gespart. Der Insektenstichheiler von Heat It war im Norden mein bester Freund (und leider auch im Dauereinsatz). Bei den Reifen würde ich nächstes Mal weniger »Ultraleicht« und etwas mehr »Unzerstörbar« wählen. »Learning by puncture« war hier die Devise und ich habe doch einiges an Zeit aufwenden müssen, um die Fahrtüchtigkeit meines Bikes aufrechtzuerhalten.
Was sagt der Rücken nach zwei Monaten in der Hängematte?
Dem ging’s fantastisch. Ich campe seit Jahren in der Hängematte, das ist für mich fast Wellness. Kein Rückenweh, kein Drücken – nur manchmal die Herausforderung, zwei standhafte Bäume zu finden – besonders hoch oben im Norden. Aber hey: Das ist Teil des Spiels.
Momente fürs Einrahmen gab es vermutlich auch einige?
Oh ja! Ich könnte eine Galerie damit füllen. Sonnenuntergänge in Spanien, »Strandtage« in Dänemark, Morgenstimmung an schwedischen Seen, Rentiere in Finnland, oder einfach ein perfekt gelegener Campspot. Die Kunst ist gerade, die schönsten Fotos rauszupicken.
Zwischendrin mal ans Aufgeben gedacht?
Definitiv. Nach zehn Tagen war der Körper komplett durch: Knie kaputt, Hintern beleidigt, Kopf müde. Ein Ruhetag in Córdoba hat mich gerettet – naja, außer was die Hitze anging. Und auch der Start in die zweite Hälfte nach einer Regen-Dauerbeschallung in Deutschland bis Dänemark war hart. Aber irgendwann wird’s Gewohnheit, und man rollt einfach weiter.
Nach dem EDT ist vor dem … möchtest du diese Marathon-Tour noch mal toppen?
Toppen? Schwierig. Aber der Great Peru Divide schielt schon heftig auf mich. Das könnte das nächste große Ding werden. Bis dahin stehen kleinere Projekte in Europa auf der Wunschliste wie auch das ein oder andere Bikepacking-Rennen – man muss ja in Form bleiben.
Derart gut austrainiert hast du wenig später gleich ein richtiges Fahrradrennen bestritten, oder?
Richtiges Rennen ist Definitionssache. Aber ja, drei Wochen später stand ich bei »Rad am Ring« am Start – 24 Stunden Nürburgring, diesmal leichtes Rennrad statt Packesel. 16 Runden wollte ich schaffen, und die sind’s geworden: 416 Kilometer, 9 000 Höhenmter, Spitzengeschwindigkeit über 100 km/h. Ein ganz anderes Erlebnis – und ja, nächstes Jahr sollen es ein, zwei Runden mehr werden.
Aktuell reist du mit deiner Partnerin durch Island. Fahrrad dabei?
Nein, diesmal nicht. Kniepause ist angesagt. Stattdessen Auto mit Dachzelt – und Island liefert genug Abenteuer auch ohne Rad. Schotterpisten gibt’s hier zwar reichlich, aber wir genießen es gerade mal etwas entspannter.