Inside Craghoppers

Briten mit Beschützer­instinkt

Craghoppers ist verbunden mit dem Königshaus, mit Gorillas und Bear Grylls – und hat sich Bekleidung mit Insektenabwehr verschrieben. Das machen die Briten neuerdings so natürlich wie möglich.

Zehn Millionen Kiwis haben sie bisher verkauft. 3000 am Tag etwa. Nicht schlecht für Engländer. Die Kiwi von Craghoppers ist jedoch weder Frucht noch Vogel, sondern eine legendäre Hose, die 1996 auf den Markt kam. Eindrückliche Zahlen und spannende Geschichten könnten die Spezialisten für Outdoor- und Reisebekleidung noch einige zum Besten geben. Allein sie tun es nicht. Was soll man sagen: Der Abenteuerdrang ist hoch, der Drang zur Selbstdarstellung eher gering.
Die Geschichte von Craghoppers fußt auf mangelndem Vertrauen. Es ist das Jahr 1965. Brian Gaskin und Roy Holmes, zwei Kletterer aus dem westlichen Yorkshire, sind unzufrieden mit ihrer Ausrüstung. Also lieber selbst machen. Kurzerhand beginnen die beiden, ihre eigene Bekleidung zu entwickeln – und fast schon aus Versehen wird eine ihrer Hosen zum Erfolg. Die bis zu den Waden reichende Knickerbocker ist die perfekte ­Lösung für das feuchte, hohe Gras und die gerne matschigen Pfade auf der Insel – und darüber hinaus.
Die Craghoppers entwickeln Bekleidung für die Landschaft ihrer Heimat, rau und wild und einsam. Doch von Anfang an wollen sie auch höher hinaus. In die Alpen – und noch höher: in den Himalaja. Und so kommt es, dass die Engländer 1975 zwei Expeditionen ausstatten, die Geschichte schreiben sollen. Im Mai erklimmt die Japanerin Junko Tabei als erste Frau der Welt den Mount Everest – in Craghoppers. Im September des gleichen Jahres gelingt einer von Bergsteiger-Ikone Sir Chris Bonington geleiteten Expedition die erste Besteigung der Mount Everest-Südwestwand – in Craghoppers.
Über die Jahrzehnte zeichnet sich allerdings auch ab, dass das Craghoppers-Team zwar ein großes Talent für die Entwicklung technischer Funktionsbekleidung mitbringt, allerdings weniger für das Betriebswirtschaftliche. Die Marke gerät in finanzielle Schwierigkeiten und steht kurz vor der Insolvenz, als sie 1995 von der Regatta Group übernommen wird.

Gekleidet in Craghoppers: 1975 besteigt Junko Tabei als erste Frau den Everest.

A family affair

»Seit ich denken kann, hat unsere Familie Bekleidung hergestellt«, erzählt Regatta-Geschäftsführerin Joanne Black. Craghoppers schien der perfekte große Bruder für die eigene Marke zu sein. Und bis heute geben sie ein starkes Familienbild ab. ­Generell ist das Business der Briten vor allem eines: a family affair. Nicht nur, dass Joanne die Gruppe mit ihrem Bruder Keith führt. Auch James McNamara – seit 2020 Brand Director – ist mit der Marke aufgewachsen. Sein Vater Jim war über 25 Jahre im Unternehmen, zwei Jahrzehnte davon als Geschäftsführer.
Dass der heute 39-Jährige einmal den Staffelstab übernehmen sollte, war allerdings keineswegs von langer Hand geplant. »Nach dem Studium bin ich gereist und mir wurde bewusst, wie ­essenziell gute Ausrüstung tatsächlich ist. Speziell so etwas wie NosiLife«, erklärt er. Nach seiner Rückkehr jobbt James im Craghoppers-Lager und erlebt die Marke hautnah. Er bekommt mit, wie an Produkten und Projekten gearbeitet wird, die Entwicklung von Innovationen, die enge Zusammenarbeit mit ­Survival-Guru Bear Grylls – »und der Rest ist Geschichte«.
Über die Jahre verantwortet James unter anderem das Nordamerika-Geschäft, wo er Tausende von Kiwis verkauft – und noch einiges mehr. Es ist sein Vater, der dem Unternehmen eine neue Stoßrichtung gibt. Die Engländer werden zum Innovationstreiber in Sachen Reisebekleidung. Lag der Fokus bisher auf dem Schutz vor den Elementen, vor Regen, Sturm und Kälte, kommen jetzt weitere Komponenten hinzu: der Schutz vor UV-Strahlen, vor Hitze – und vor allem die Insektenabwehr.

»Wir sind so überzeugt von der Qualität unserer Produkte, dass wir eine lebenslange Garantie bieten. «

Joanne Black, Regatta Geschäftsführerin
  • Detailaufnahme einer Mücke
    In vielen Teilen der Welt sind Stechmücken und Co. mehr als nur lästig. Denn sie können Krankheiten wie Malaria und ­Dengue übertragen. Craghoppers-­Bekleidung ist hier Teil der Prophylaxe.
  • Portrait Joanne Black Regatta Geschäftsführerin
Bekleidung, die Mücken abwehrt

Ein Meilenstein ist dabei die NosiLife-Kollektion, die 2002 Premiere feiert: die weltweit erste Bekleidung, die Mücken, Zecken und Co. abwehrt. Anfangs setzt Craghoppers auf den Wirkstoff Permethrin, inzwischen auf eine effektive natürliche Lösung: Eukalyptus-Citriodora-Öl. Eingearbeitet in das Gewebe wirkt die pflanzenbasierte Technologie dauerhaft – und zwar so, dass die Insekten erst gar nicht auf dem Gewebe landen oder verweilen wollen. Gleichzeitig konnte man auf der Basis des ätherischen Öls eine geruchshemmende Lösung entwickeln. Für diese doppelte natürliche Wirkung erhielt das Unternehmen 2023 einen ISPO Award – quasi den Oscar der Sportbranche.
Für Joanne stellen speziell diese Pionierleistungen das Herz der Produktentwicklung dar. Auch weil sie zeigen, dass der ausgeprägte Beschützerinstinkt der Briten nicht bei der Kundschaft endet. »Mein Vater hat Werte etabliert, die sowohl Mensch als auch Natur ins Zentrum stellen«, erklärt die 59-Jährige. »Entsprechend ist unser Unternehmen aufgebaut und entsprechend ist unsere Zielsetzung bei der Entwicklungsarbeit. Wir gehen voran mit smarten, nachhaltigen Materialien und setzen uns mit der Zirkularität auseinander.«
Was Joanne beinahe unter den Tisch fallen lässt, ist das ­Engagement von Craghoppers über das Produkt hinaus. Die ­Marke­ unterstützt so viele Projekte und Organisationen, dass man sie nur schwer alle aufzählen kann. So setzen sie sich als offizieller Ausstatter des Duke of Edinburgh’s Award für die Förderung junger Menschen ein. Sie unterstützen den Dian Fossey Gorilla Fund und den Galapagos Conservation Trust genauso wie ein Projekt zum Schutz der Delfine vor Mallorca.
»Wir sehen unsere Aufgabe darin, Dinge voranzutreiben«, meint James. »Und das in puncto Nachhaltigkeit wie in puncto Produkt. Unser Ziel ist es, unsere Kunden immer wieder zu überraschen und zu begeistern.« Und das weiterhin nicht in marktschreierischer Manier, sondern mit dem gewohnten ­britischen Understatement.


TEXT: Sissi Pärsch

FOTOS: Archiv Craghoppers

Dieser Beitrag ist Teil des

Globetrotter Magazin #34, Herbst/Winter 2024

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