Burggewichte mit Geschichte
Die Pfalz ist geradezu gesegnet mit majestätisch fotogenen Burgen und die Wege zu ihnen versprechen historisch angehauchten Wandercolorit vom Feinsten. Auf dem Deutsch-Französischen Burgenweg verdichtet sich all das zu einer kompromisslosen Wanderfotoschleife.
Text & Fotos Ingo Hübner
Jede gute Burgstory beginnt mit einer magischen Erzählung über heroische Rittertaten oder gespenstische Vorgänge in feuchtkalten Gemäuern. Denkste! Wir schnaufen erstmal einen, immerhin sehr idyllischen, Wadenbeißer-Anstieg hinauf. Knapp fünf Kilometer vom grenzgängerisch verschlafenen Schönau beharrlich hoch zur Wegelnburg. Und gefühlt sind es fast ebenso viele Höhenmeter, aber was einen oben wartet, ist alle Anstrengung wert. Das haben zumindest unisono alle Ortskundigen versprochen, die wir in unsere Wanderpläne eingeweiht hatten.
Und den entsprechenden Ansporn gab es in Erfweiler gegenüber unserem Quartier gleich dazu. »Quäl dich, du Sau! Atelier«, prangt das Motto auf einem Wegweiser neben dem Straßenschild nach Dahn. In der Radsportszene ist der Spruch Kult, so hatte Udo Bölts seinen Teamkollegen Jan Ulrich auf der Tour de France 1997 zu Höchstleistungen angestachelt. Und Udo Bölts kommt eben aus der Region und kümmert sich heute sozusagen unter diesem Motto um Wanderwege und MTB-Strecken im Pfälzerwald.
Aber quälen musst du dich an diesem Morgen nicht wirklich, denn du kannst einfach mal stehenbleiben und genießen: den unnachahmlichen Geruch des Waldes nach einem nächtlichen Regenschauer, das Licht und Schattenspiel von Sonne und Wolken auf den hin und wieder zwischen den Bäumen hochragenden Sandsteinfelsen. Oder die teilweise fremdartig wirkende Vegetation, die hier mehr an subtropische Szenarien erinnert als an guten deutschen Wald. Sind wir denn überhaupt noch in Deutschland? Die Frage ist ja durchaus legitim, denn der Rundweg schlängelt sich auf seiner Länge von knapp 33 Kilometern fröhlich zwischen Deutschland und Frankreich hin und her. Acht Burgen oder was von ihnen übrig ist, steuert er dabei an, alle wetteifern mit ihrem ganz eigenen Charme darum, die schönste im ganzen Land zu sein.
Ganz vorne dabei ist ziemlich sicher die Wegelnburg. Auf den warmrot weichen Sonnenaufgangsfotos, die das Nonplusultra-Must-have aller Pfälzerwald-Fotografen sind und meist hiesige Prospekte zieren, setzt sie sich als ernsthafte Konkurrenz für Caspar David Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer in Szene. Mehr romantisches Gefühl geht eigentlich kaum. Und auch wenn wir am späten Vormittag schließlich den Ort dieses Fotomotivs erklimmen, der Puls vom Aufstieg nur ganz leicht erhöht, die Lichtrealität nicht ganz kongruent mit dem, was im Kopf gespeichert ist, so ist es doch ein unbeschreiblich ergreifendes Gefühl, das diese Aussicht in einem anstößt.
Wie ein sachtes Anklopfen an den Himmel, nur noch die Arme nach oben strecken und ihn berühren, so unvermittelt nah wirkt er. Rundum Sicht zum Horizont, dramatische Wolken ziehen träge über endlos scheinende Wald- und Feldlandschaft. Hier lässt es sich definitiv aushalten, auf so einer uralten Mauer ausstrecken und den Wolken bei ihren Zeitlupenmoves zusehen. »Und was ist jetzt mit der Geschichte?«, wird sich der aufmerksame Leser vielleicht an dieser Stelle fragen. Die lassen wir jetzt ganz gechillt unter den Tisch fallen, hier ist einfach fühlen und im Augenblick verweilen angesagter.
Natürlich könnte dieser Augenblick bis zum nächsten Sonnenaufgang andauern – aber in der Realität musst du irgendwann aufbrechen, die anderen Burgen rufen schon. In der Ferne überragt die Hohenbourg oder vielleicht auch Loewenstein die Baumwipfel knapp. Dorthin führt der Weg. Die Burgen reihen sich wie die Perlen einer wunderschönen Kette aneinander, so in etwa verspricht es der Werbeslogan für die Wanderung, allerdings unterschlägt er geflissentlich das stetige Auf und Ab dazwischen. Aber wer mitdenkt, weiß, dass sich Burgen nur äußerst selten eine Bergspitze teilen. Bei den beiden folgenden könnte das aber schon so sein. So nahe liegen ihre geschundenen Reste dornröschenhaft überwuchert beieinander. Dazwischen schmettern uns entgegenkommende Wandergruppen ein freundliches »Bonjour« entgegen. Und was gleich wieder an die guten alten Burgzeiten erinnert: eine Pferdeanbindestation gleich neben dem Pfad die letzten Meter hinauf zu ihren Überresten.
So verträumt schlängelt sich der Weg weiter, immer mal das nächste steinerne Zeugnis der Vergangenheit im Blick thronend, Erdbeeren am Wegrand für den Mundraub freigebend, im Wald an formidablen bizarren Felsen vorbei. Foto über Fotomotiv, so viele, dass du manchmal vor lauter Verzückung über eine knorrige Wurzel stolperst oder die Kletterer über dir an der Wand erst gar nicht bemerkst. Hinab zum Lembacher Weiher, 70er Jahre Camping- und Kioskfeeling inbegriffen, und dann natürlich wieder hoch. Zwischendrin eine Nacht Pause, die 33 Kilometer laufen sich nicht so gerne an einem Tag.
In der Nacht tatsächlich der Burgstory-Traum schlechthin: Als es unter schiefergrauen Wolken nieselte und Nebelschwaden über die Baumwipfel waberten, statteten wir Burg Berwartstein einen Schlechtwetterpausenbesuch ab. Ein junger Mann, in an Hui Buh erinnernder kastellanähnlicher Funktion, der in eingeübtem Audio-Guide-Singsang in die Geschichte Berwartsteins einführte. Auf die Frage, ob es in der Burg spuke, kann er nicht wirklich humorvoll antworten, sie hat ihn einfach zu spontan erwischt. Schaurige Streckbänke, schwere Ritterrüstungen, in Holztruhen geschnitzte Szenen der Nibelungensage und natürlich das obligatorische Walther von der Vogelweide Gedicht an einer kalten Wand. Schließlich führt der Wegweiser durch einen pittoresken Garten und in die unterirdischen Gewölbe, die die Burgherren in den Sandstein getrieben haben. Verlies, Vorratskammern oder Versteck? Kerzen am Boden erhellen vage einen Gang vor uns. Was für Gestalten warten dort in den Schatten? Der Traum vermischt sich mit Erinnerungen an den Horrorfilm Barbarian, mir läuft ein eisiger Schauder den Rücken hinab.
Im nächsten Moment bin ich hellwach und wir sind Richtung Wasigenstein unterwegs. Die Burg scheint direkt aus dem orangerotbraunen Felsgestein herauszuwachsen, ausgewaschene Treppen führen an ihrer Flanke steil zu ehemaligen Wohnbereichen und Mauerringen empor. Ein fast verwunschener Ort, still und einsam im endlosen Wald herum gelegen.
Als ich die Treppen hinauf will, bremst die Begleitung zum ersten Mal: »Ich bin zwar ne harte Sau, aber auch ich habe meine Grenzen«, erklärt sie bei meinem Versuch, sie von der fantastischen Aussicht zu überzeugen. Und auch ein anderer Mythos aus dem Nibelungenlied – die blutigen Kämpfe um einen sagenhaften Goldschatz zwischen Walther, Gunther und Hagen hätten womöglich genau hier stattgefunden – überzeugen sie nicht mehr. Dem nächtlichen Traum entspringt plötzlich noch eine Art Vorahnung: Im nahen Wengelsbach, obwohl so weit, weit weg von allem und scheinbar ein geisterhafter Ort im Nirgendwo, gibt es ein ausgezeichnetes Restaurant und ausgerechnet dort servieren sie köstliche Windbeutel mit Vanilleeis und Schokoladensauce. Was für eine fantastische Aussicht – für die lohnt sich ganz bestimmt wieder die ganze Anstrengung!
In Erfweiler, nahe Dahn, dem zentralen Ort des Dahner Felsenlandes, gibt es die sehr schönen Ferienwohnungen Heimatliebe: https://www.heimatliebe-erfweiler.de
Steffi und ihr Mann Uli kennen sich überdies bestens im Pfälzerwald aus und sind bei allen Fragen rund ums Wandern, Biken oder Fotografieren sehr hilfreich.
Mit 33 Kilometer Länge zählt der Deutsch-Französische Burgenweg definitiv zu den Mehrtageswanderungen im Pfälzerwald. Mindestens zwei, eher drei Tage solltest du einplanen, wenn du alle Burgen und ihre Geschichten intensiv erleben möchtest. Anspruchsvoll ist der Weg ebenso. Infos dazu findest du im Wandermenü Pfalz.
Daneben eröffnen eine große Zahl an Halbtages-, Tages- und Mehrtagestouren sowie drei Fernwanderwege die Vielfalt des UNESCO-Biosphärenreservats Pfälzerwald. Der Weinsteig ist mit rund 172 Kilometern der längste und anspruchsvollste. Den Höhenweg (114 km) zeichnet der Wechsel von immensen Weitsichten und dem Eintauchen in Wald aus. Der Waldpfad (143 km) ist direkt mit dem ICE (Hbf Kaiserslautern) zu erreichen. Seine Charakterzüge sind grandiose Felsen, Burgruinen, tief eingeschnittene Täler und Waldeinsamkeit pur. Infos über die Fernwanderwege – für die es auch buchbare Arrangements mit Gepäcktransport gibt – findest du hier.
Interessant ist überdies die Pfalzcard, die kostenlose Gästekarte der Pfalz, mit der der ÖPNV kostenlos nutzbar ist, sowie über 130 Freizeiteinrichtungen.
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