Warum »Arschraketen« das unverzichtbare Accessoire für Radfahrer sind

Entdecke die »Arschrakete« – den geheimen Star unter den Fahrradzubehören. Erfahre mehr über die praktischen und stilistischen Vorzüge von Fahrradsatteltaschen in dieser humorvollen Kaufberatung.

Kolumnistin Sissi Pärsch

Sissi Pärsch

Sissi ist unsere Kolumnistin im Globetrotter Magazin, aber Sissi ist auch eine versierte Radfahrerin. Deshalb haben wir sie gebeten, uns eine humorvolle Kaufberatung zu einem Ausrüstungsstück zu schreiben, dass in der Bikepacking-Szene einen speziellen Namen bekommen hat: die sogenannte Arschrakete 😉

Was ist eine Arschrakete?

Es gibt Begriffe, die mögen zunächst irritieren, ergeben aber auf den zweiten Blick absolut Sinn. Arschrakete ist genau ein solcher. Die sogenannte Arschrakete ist eine große Satteltasche, die beim Bikepacking eingesetzt wird. Womöglich hätte man die Satteltasche auch ein weniger derb Po-Packen nennen können. Oder Hinten-Teil. Oder Steiß-Stulle. Aber Bikepacker sind an sich wenig zimperlich. Ich persönlich gehe davon aus, dass Rheinländer den Begriff geprägt haben. Rheinländern traue ich generell alles zu. Weshalb sie mir sehr sympathisch sind.

Wofür wird die Arschrakete benutzt?

Bikepacker sind besondere Fahrradfahrer. Sie verreisen selten mit traditionellen Gepäckträgertaschen, weil ihnen das Wort zu lang ist, weil sie dem Wind wenig Angriffsfläche bieten wollen und weil ihre Räder (sprich: meist Gravelbike oder Mountainbike) selten einen Gepäckträger haben. Stattdessen bestücken sie ihr Fahrrad wie einen Christbaum. Vorne wird was hingehängt, mittendrin auch und hinten am Sattel steht dann zur Krönung das Pack raus wie eine Rakete oder eben wie ein Stern mit Schweif, der zeigt, wem es zu folgen gilt. Die Arschrakete ist der Kofferraum des Rades.

Worauf sollte man bei einer Arschrakete achten?

Die Arschrakete wird unter dem Sattel an den Sitzstreben und der Stütze fixiert. Und das je nach Modell mit unterschiedlichen Befestigungen. Die Qualität ist hier extrem wichtig, weil man wirklich keinen Wackelkandidaten haben möchte. Ein Hund, der mit dem Schwanz wedelt, kommt auch nicht schnell voran.

Die Spezialisten wie Ortlieb, Cyclite oder Vaude haben Lösungen entwickelt, mit denen sich auch größere Packs super stabilisieren lassen. Bei Ortlieb wird die Tasche etwa mit einem verstellbaren Klickverschluss-System direkt am Sattel befestigt. Das heißt man kann die Arschrakete mit einem Click abnehmen und anbringen (und dazu weitere Taschen aus der Ortlieb-Familie, die das gleiche System haben). Vaude oder Cyclite nutzen smarte, einfach zu bedienende Gurtsysteme, um die Satteltasche straff anzubinden.

Auch wichtig: Ein solides Design. Mit verstärktem Boden und Seitenwänden gewinnt das gesamte Pack an Stabilität.

Person hinter Fahrrad zieht sich Regenjacke an

Warum ist die Taschenposition hinterm Hintern so attraktiv?

Da wäre natürlich die Aerodynamik. Die Arschrakete fährt in unserem Windschatten und bietet keine Angriffsfläche. Aber es bedeutet auch, dass der Schwerpunkt des Gepäcks nah an dir und dem Rad ist. Und das macht dich agiler und das Rad stabiler – speziell auch im Gelände. Das heißt solange die Arschrakete ihren Raum bekommt. In einem ersten Schritt solltest du nämlich zunächst herausfinden, wieviel Platz zwischen deinem Hinterrad und dem Sattel vorhanden ist. Die Hersteller geben die notwendige Anbringhöhe normalerweise an.

Was packt man nun in so eine Arschrakete?

Das kommt auf die eigenen Vorlieben und das Vorhaben an. Geht’s für mehrere Tage auf Tour, will man einen kleinen Ausflug machen oder pendelt man zur Arbeit? Entsprechend hat man nur Wechselklamotten und Regenschutz dabei oder eben Zelt und Schlafsack und Gaskartusche und Ravioli. Wichtig ist:

  • dass du nicht unbedingt Dinge in der Satteltasche verstaust, auf die du ständig zugreifen musst (die kommen eher in die Trikot- oder Lenkertasche).
  • dass du sehr kompakt und dicht packst, richtig stopfst also.
  • und dass schwerere Gegenstände unten eine solide Basis bilden.
Bikepacking, Arschrakete

Wie groß sollte meine Arschrakete sei?

Arschraketen gibt es selbstverständlich in unterschiedlichen Dimensionen. Das heißt, du solltest zunächst abwägen, für was du sie hauptsächlich verwenden wirst und ein entsprechendes Volumen auswählen. Blenden wir einmal die kleinen Satteltaschen aus, die man traditionell etwa beim Rennradfahren für Schlauch, Tool, etc. dabei hat (die wirken nicht wirklich raketenhaft), dann finden sich 4 Liter, 8 Liter, 16 Liter und alles dazwischen. Eine beliebte Variante für Bikepacking-Abenteuer ist eine Größe zwischen 10 bis 12 Liter. Aber wenn du zeltest, wirst du mehr Equipment benötigen. Wenn du auch selbst kochen möchtest, kommt noch einiges an Ausrüstung dazu. Dann wirst du sicher weitere Taschen an anderen Stellen am Rad platzieren. Selbstversorger-Touren erfordern viel strategisches Denken, wie man sein Gepäck optimal unterbringt.

Zurück zum Fassungsvermögen: Schon in den kompakten Modellen kann man einiges unterbringen. Auf der anderen Seite lassen sich die Großvolumigen auf kleine Größe komprimieren – 11 Liter auf etwa 5 Liter. Das Komprimieren funktioniert zum einen sehr gut, weil die meisten Arschraketen mit Rolltop-Verschluss kommen, der das Volumen so schön variabel macht. Zum anderen zurrt man die Kompressionsriemen so fest wie möglich. Nun bieten einige Modelle noch eine zusätzliche praktische Lösung: Ventile. Damit lässt sich die Luft ganz einfach aus der Satteltasche rollen. Ist die Luft raus, schließt man das Ventil und es ist schön kompakt versiegelt. Ansonsten musst du eben selbst darauf achten, die Luft auszupressen.

Wie wichtig ist das Material einer Arschrakete?

Eine Arschrakete sollte gleich in zweierlei Hinsicht einiges einstecken können – als Packtasche viel fassen und als Schutzschild viel abwehren. Robust muss sie sein und natürlich absolut wasserdicht. Auch der Rolltop-Verschluss sorgt für Wasserdichte. Qualitativ hochwertige Satteltaschen haben verschweißte Nähte und sind meist außen mit PU beschichtet, so dass Schmutz, Dreck, Schlamm, Unrat, Kuhfladen, Schmodder und Sudeleien nicht gut haften bleiben und sich auch einfach entfernen lassen – auch die weißen Modelle von Cyclite (wie Vaude und Ortlieb übrigens ein deutscher Hersteller). Bei allen drei Marken ist das Taschenmaterial besonders abrieb- und reißfest und PVC-frei.

Drei praktische Arschraketen-Punkte zum Schluss:

  • Wer auf ein Schutzblech verzichtet, hat bei einer Arschrakete mit entsprechender Größe und Form einen Spritzschutz für das eigene Hinterteil. Das ist speziell toll, wenn man wie ich im 5-Sterne-Hotel direkt an der Bar auf einem Plüschhocker Platznehmen möchte, um erst einmal einen Negroni zu trinken.

  • Auch praktisch können Varianten mit herausnehmbarem wasserdichten Innensack sein oder die Kombination von Vaude aus Halterung und Packsack.

  • Ein weiteres Detail, das viele Bikepacker zu schätzen wissen: Arschraketen mit elastischen Bändern, in die man weitere Utensilien wortwörtlich on top stopfen kann wie Regenjacke oder Banane. An kleine Loops oder Haken kann man zum Beispiel die Tasse klippen (eine Art Style-Statement) und natürlich das Schlusslicht, das die Rakete zum Leuchten bringt.
    Ganz ernsthaft: Front- wie Rücklicht sollte für uns Fahrradfahrer – egal welcher Reifenbreite – absoluter Standard sein. Wir radeln leider gefährlich. In diesem Sinne: Habt jede Menge Spaß und Erlebnisse on tour, fahrt vorsichtig und strahlt.


TEXT: Sissi Pärsch

FOTOS: Cyclite / Annika Vossen, Ortlieb / Lars Schneider