Rausbildung Ameisen

Ameisenstark!

Mira ist Biologin und Rausbildung ihre kleine Outdoorschule im Globetrotter Magazin. Heute auf dem Stundenplan: die faszinierende Welt der Ameisen.

#1

Matriarchat und nützliche Helfer:innen

Ameisen sind Meister der Arbeitsteilung. Manche von ihnen sind Pilzzüchter, andere Soldatinnen, Kundschafter, Kindergärtnerinnen oder einfach nur Königin und Loverboy. Doch was sie einmal werden, bestimmen sie nicht selbst. Ihr Job ist von vornherein klar und in einem Ameisenstaat ist alles streng organisiert. Das ist auch nötig, denn mit Millionen von Bewohner:innen wäre es sonst sehr chaotisch. Wahrscheinlich sind Ameisen durch genau diese strenge Organisation als Art so erfolgreich, denn es gibt sie bereits seit etwa 130 Millionen Jahren. Ein Ameisenstaat ist in mindestens drei Kasten gegliedert, ähnlich dem indischen Rangordnungssystem: Es gibt die Königin, die Männchen und die unfruchtbaren Arbeiterinnen. Während die Arbeiterinnen ihr Leben lang in einer Kolonie bleiben, verlassen die Jungköniginnen und die Männchen beim Hochzeitsflug das Nest. Nach der Paarung sterben die Männchen, die Jungköniginnen – nun gefüllt mit Spermien – verlieren nach dem Hochzeitsflug ihre Flügel oder beißen sie ab und gründen dann einen eigenen, neuen Staat.

#2

Muskelpakete

Sie sind zwar nicht ganz so stark wie Superman, doch sie haben scheinbar Superkräfte: die Arbeiterameisen. Sie sind unter anderem für die Verpflegung des gesamten Staats zuständig. Scheinbar mühelos balancieren sie Futterbrocken, die bis zu 40 Mal schwerer sind als sie selbst, zurück zum Nest. Damit gehören sie zu den stärksten Tieren der Welt. Ihr Geheimnis? Während die Königin und die Männchen Flügel besitzen, um damit auszuschwärmen, haben die Arbeiterinnen das Fliegen zugunsten stärkerer Brustmuskeln aufgegeben. Flugmuskulatur braucht viel Platz im Thorax (Brustkorb) – Platz, den bei Arbeiterameisen nun Muckis zum Gewichte­stemmen einnehmen. Einige Ameisenarten können sogar kopfüber an einer Glasscheibe hängend das 100-Fache ihres eigenen Gewichts mit ihren Kiefern halten. Dabei hilft ihnen eine besondere Konstruktion an den Füßen: das Arolium, ein sehr anschmiegsames und entfaltbares Haftorgan. Durch die lamellenartige Anordnung unzähliger winzig kleiner Härchen, die mit dem Untergrund in Kontakt kommen, werden Adhäsions­kräfte wirksam. Bei unebenen Oberflächen sondert das Arolium zusätzlich eine Haftflüssigkeit aus, um den Reibungsverlust auszugleichen – damit kleben die Füße der Ameise bombenfest. Während Superman niemals Hilfe braucht, übersteigt das Gewicht manch verlockender Futter­brocken die Kräfte einer Arbeiterameise. Aber auch dafür haben die Krabbeltiere eine Lösung: Hier hilft die Gemeinschaft! Eine reibungslose Koordination ist erforderlich, damit das gemeinsame Schleppen funktioniert. Einige Ameisen ziehen vorne am zu tragenden Gegenstand und geben damit die Marschrichtung vor. Verändern sie Tempo und/oder Richtung, bemerken das die anderen Ameisen durch die veränderte Krafteinwirkung am Kontaktpunkt zum Futterbrocken. So können die Ameisen ihr Verhalten optimal aufeinander abstimmen.

#3

Hügelbauten und Untergrundmetropolen

Ameisennester sind stabil, gut durchdacht, funktional und haben ein hervorragendes Klimakonzept. Je nach Ameisenart variiert der Stil der Baukunst. Das wahrscheinlich bekannteste Modell ist der Hügelbau der Waldameisen, der bis zu zwei Meter über der Erde aufragen kann. Wie hoch er wird, hängt vom Standort ab: je weniger Sonneneinstrahlung, desto höher. Dadurch wird die Oberfläche größer und kann viel Wärme aufnehmen, um das Nest vor dem Auskühlen zu schützen. Der Hügel besteht aus locker aufgeschichtetem Pflanzenmaterial, das meist um einen toten Baumstumpf drapiert wird. Durch diese atmungsaktive Konstruktion entstehen Luftlöcher, durch die verbrauchte Luft entweichen und frische einströmen kann. Das ist wichtig, denn im Bau herrscht reges Treiben – hier können mehrere Millionen Ameisen leben und arbeiten. Die eigentlichen Kammern und Gänge ragen bis zu zwei Meter in den Boden. In den Kammern wird Nahrung gelagert, die Brut versorgt und manche Ameisenarten züchten im »Keller« sogar Pilze als Nahrung.

DIY

Da Vincis Mona Lisa besticht durch ihre lebendigen Augen. Wer kein Leonardo ist, kann trotzdem ein lebendiges Bild erschaffen. Dazu brauchst du: ein Stück Würfelzucker, Wasser, ein Blatt Papier und ­einen Ameisenhaufen oder eine Ameisenstraße.

Erstens

Ameisen lieben Zucker! Diese Vorliebe kannst du nutzen, um die Arbeitsteilung der Ameisen zu beobachten und um ein lebendes Ameisenbild zu gestalten. Dazu den Würfelzucker mit Wasser befeuchten und Umrisse auf das Papier »zeichnen«. Beispielsweise eine Acht, die Umrisse eines Hauses oder Ornamente – deiner Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Die Linien sollten dabei nur weit genug auseinander sein, denn sonst wird das Kunstwerk am Ende ein einziges Gewusel.

Und dann

Lege nun das Papier neben einen Ameisenhaufen oder eine Ameisenstraße.

Als letztes

Es wird nicht lange dauern, bis die ersten Arbeiterameisen die Zuckerspur untersuchen und die Leckerei abtransportieren. Im Nu werden es immer mehr Ameisen und schon ist das lebende Ameisenbild fertig!
Ameise krabbelt

TEXT: Mira Klatt

ILLUSTRATION: Melanie Kreiss

Dieser Beitrag ist Teil des

Globetrotter Magazin #33, Frühjahr/Sommer 2024

Das Globetrotter Magazin #33 ist da: Auf Bikes nach Afrika? Campen in Schweden? Paddeln in Raja Ampat? Wohin auch immer, hier geht es los.
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