Freya: Ich liebe es, Dinge zu tun, die noch niemand vorher überhaupt gedacht hat. Und so habe ich das Motto meiner Südamerika-Umrundung – »Think bigger« – weitergesponnen und bin bei Nordamerika gelandet.
Freya Hoffmeister vollbringt seit Jahrzehnten Unglaubliches. In ihrem »Fahrtenbuch« stehen die Umrundungen von Island, Irland, Neuseelands Südinsel, Australien und Südamerika. Unterwegs war sie dabei nicht etwa in einem Segelboot, sondern in einem Seekajak, einziger Antrieb ihre Körperkraft und ein unbändiger Wille.
Warum hast du dich für zwei gegenläufige Halbkreise entschieden – anstatt nur in eine Richtung zu paddeln?
Freya: Anders geht es einfach nicht. Der hohe Norden ist nur wenige Wochen eisfrei, das kann man nicht am Stück machen. Und auch die »Südetappe« mag ich nicht ohne Pausen machen, zu heiß. Ich vertrage die Hitze nicht so gut, daher paddele ich dort nur jeweils sechs Wochen am Stück. Gestartet bin ich für beide Richtungen in Seattle, ankommen werde ich dann gleich zwei Mal in New York, einmal von Süden, einmal von Norden
2017 bist du in Seattle gestartet. Wie stehst du im Zeitplan?
Freya: Covid hat den Zeitplan durch einen halbjährigen Zwangsstopp leider gesprengt. Aktuell habe ich mit über 26 000 Kilometern knapp über die Hälfte geschafft. Es wären mehr gewesen, hätte ich keine Paddelpartner integrieren wollen. Aber das ist der Preis, den ich für diese neue Herausforderung gern zahle. Entscheidend wird noch sein, ob ich die Hudson Bay ausfahre oder per Inselhopping abkürze. Für die dann nötigen Überquerungen von bis zu 85 Kilometern auf offener See braucht es aber gute Bedingungen.
Du hast die Dauer der Tour auf acht bis zehn Jahre taxiert und bist aktuell 60 Jahre alt. Wird es mit der Zeit schwieriger?
Freya: Es knirscht hier und da schon bedeutend mehr als mit 40. Gerade morgens beim Aufstehen dauert es zunehmend länger, bis die Steife in den Gliedern dem Wohlbefinden gewichen ist. Aber ich bin fit, so dass ich noch locker durchhalten werde, um die Nordamerika-Umrundung zu beenden.
Keine Angst vor Eisbären?
Freya: Man gewöhnt sich daran. Doch als einmal einer seine Nase ins Zelt gesteckt hat, saßen wir schon senkrecht auf der Matte. Aber selbst schuld. Wir hatten in dieser Nacht den Bärenzaun nicht aufgestellt, doch konnten wir ihn mit einem lauten »Buh« davon abhalten, seine Inspektion fortzusetzen. Vier Warnschüsse vertrieben ihn dann völlig. Das Zelt hat jetzt eine schöne Perforation durch seine Tatze. Wir haben dann zusammengepackt und sind weitergepaddelt. Bei künftigen Begegnungen werden wir Meister Petz wieder mit Signalpistole und Pumpgun auf Abstand halten.
Wegen zu viel Treibeis musste Freya ihre Sommeretappe 2024 – vor der dieses Interview entstand – vorzeitig beenden. Das Filetstück »Nordwest-Passage« steht nun 2025 an – ein schönes Stück Arbeit über Flüsse und Seen mit diversen Portagen.
Woran denkst du während der vielen Stunden auf dem Wasser?
Freya: Paddeln ist für mich wie Autofahren, Routine. Entsprechend lasse ich die Gedanken schweifen. Aber zunehmend höre ich auch Musik beim Paddeln. Der Vorteil von Musik: Man tanzt im Rhythmus und ist meist schneller.
Close calls?
Freya: Nicht wirklich. 2018 war mir bei einer Surflandung in der Beringsee das Kajak unterm Hintern zerbrochen. Das war aber eher blöd für meine Paddelpartnerin, denn sie saß in meinem Ersatzkajak und musste daher die Tour abbrechen. So eine Crashlandung mit in diesem Fall fatalen Folgen lässt sich leider nicht immer vermeiden. Findet sich keine Bucht oder gar ein Hafen, muss man oft dort anlanden, wo die Wellen ungebremst auf den Strand donnern. Das erfordert viel Erfahrung und ein gutes Timing, geht aber selbst bei mir ab und zu schief.
Was hast du neben der typischen Paddelausrüstung noch dabei?
Freya: Keinen Nagellack mehr. Dafür eben erwähnte Pumpgun und eine Signalpistole für den ersten Warnschuss. Trotzdem fühle ich mich auf der Nordroute viel sicherer, denn ich habe lieber mit gefährlichen Tieren als mit gefährlichen Menschen zu tun – wie die reagieren, ist nämlich schwerer vorhersehbar.
Gibt es ein Team im Hintergrund?
Freya: Nicht wirklich. Allein Karel Vissel von www.kayakweather.com versorgt mich mit Textnachrichten via Satellit. Auf vielen Strecken im Norden gibt es eh keine Straßen, so dass eine Landbegleitung unmöglich wäre. Dort eskortiert mich auch keine Küstenwache, wie in einigen Ländern in Lateinamerika.
Bei deiner Australien-Umrundung musstest du bei der Querung einer Bucht sieben Nächte auf dem Wasser verbringen. Wie viele waren es in Nordamerika?
Freya: Bisher hatte ich noch keine wirklich großen Buchten unter dem Kiel. Die Bucht von Mexiko werde ich ausfahren und bei der Hudson Bay überlege ich noch. In meiner Reisetabelle stehen aktuell fünf längere Etappen zwischen 107 und 172 Kilometern, da musste ich halt die Nacht durchpaddeln.
Wünschst du dir, du hättest nicht erst mit 32 mit dem Paddeln angefangen?
Freya: Es ist alles gut so, wie es ist. Aber vielleicht fange ich ja noch eine neue Sportart an? Tauchen finde ich gut.