10 Fragen an Wiebke Lühmann

Bike-Packing XXL: In 14 Monaten durch Afrika

Was für ein Abenteuer! Wiebke radelt von Freiburg nach Kapstadt – eine Reise durch ganz Afrika. Gerade ist sie in Namibia angekommen. Ein Interview live from the road.

Portrait Wiebke Lühmann
Wiebke Lühmann

Die 30-Jährige war per Bike schon am Nordkap und sieben Monate quer durch Südamerika unterwegs. Am 3. Oktober 2023 startet sie ihre bislang längste Bike-Packing-Tour – von Deutschland nach Südafrika. Bis Kapstadt ist es nicht mehr weit. (Foto: Fabienne Engel)

Wiebke, du bist seit fast 14 Monaten unterwegs und Namibia ist das 21. Land auf deiner Tour. Erlebst du trotzdem noch Überraschungen?

Jeden Tag! Zuletzt in Angola bekam ich eine spontane Polizeieskorte bis in die Hauptstadt. Hier in Namibia habe ich zum ersten Mal Menschen aus dem Himba-Volk gesehen – im Supermarkt.

Auf so einer langen Tour gewöhnt man sich zwar ein Stück weit ans Ungewohnte – also immer woanders schlafen, immer neue Leute treffen und andere Länder kennenzulernen. Aber so viele Details sind immer anders, aufregend und überraschend.

Wer in ein fremdes Land reist, kennt den Respekt und manchmal auch die Angst vor dem Ungewissen. Wie geht das mit einem ganzen Kontinent?

Das Abenteuer beginnt an der eigenen Haustür. Erst kennt man sich noch aus, aber ganz schnell ist man mitten drin im Unbekannten. Ich nehme mir eine Landesgrenze nach der nächsten vor und schaue dann wie es läuft. Die Reise über einen Kontinent ist kein Crescendo – also nicht gleichmäßig ansteigend anstrengender oder anspruchsvoller. Das geht mehr in Wellen. Auch Kulturschocks sind nicht planbar. Wenn es mir zu viel wird, zieh ich mich auch mal zurück und gönne mir Ruhe und – soweit vorhanden – ein schönes Hotel. 

  • Land 5: Marokkos endlose Straßen führen …

  • … zu unerwarteten Begegnungen.

  • Zu essen gibt es, was Restaurants …

  • … Dörfern und Märkte anbieten.

  • Die Sahara ist der erste Härtetest … 

  • … ein paar letzte Dattelpalmen … 

  • … dann beginnt der lange Ritt …

  • … durch die größte Wüste der Welt.

Afrika-Radler schworen früher auf simple Technik und Stahlrahmen, weil den jeder Dorfschmied schweißen kann. Du fährst Carbon und Tubeless – aber auch in Birkenstocks. Hat sich das bewährt?

Absolut. Carbonrahmen sind heutzutage sehr robust, mein Rad ist noch gut in Schuss. Auch mit den Reifen bin ich sehr zufrieden und hatte weder eine Tubeless-Panne noch einen Platten auf der ganzen Reise. Die Birkenstocks waren nicht geplant, aber meine wasserdichten Wanderschuhe waren mir schnell zu warm, sodass ich die Sandalen einfach nicht mehr ausziehen wollte. Mittlerweile haben sie schon zweimal eine neue Sohle bekommen und halten hoffentlich noch bis Kapstadt durch.

Politische Entwicklungen oder Naturkatastrophen können die beste Planung umwerfen. Wie kommst du an aktuelle Infos zu Regionen und Etappen?

Zuerst natürlich über die normalen Nachrichten und Infos vor Ort, auch über Gespräche mit Einheimischen. Eine zweite Ebene ist der Austausch mit anderen Radreisenen via WhatsApp und Facebook. In kürzester Zeit ist man mit Gleichgesinnten verbunden, kann Fragen stellen und beantworten oder sogar um Hilfe bitten. In der WhatsApp-Gruppe für West- und Zentralafrika sind über 400 Menschen, die alle mit dem Fahrrad reisen. Solche Gruppen gibt es für alle Kontinente und Regionen. 

Viele Stunden täglich auf dem Bike erfordern eine gute Energiezufuhr und Ernährung. Klappt das mit dem Essen vor Ort?

Es muss klappen, ich nehme was ich finde. Ich nutze Restaurants, kaufe einfache Lebensmitteln wie Brot und Obst, dazu gibt’s auch oft selbstgekochte Nudeln mit Mayo, Thunfisch aus der Dose oder Pesto. Wenn man etwas flexibel ist, kommt man gut durch, finde ich.

  • Land 7: Im Senegal ist die Wüste geschafft.

  • Geben und nehmen: Manchmal ist man auch als Tourist:in die Attraktion. 

  • Land 11: Sierra Leone bietet Fährboote …

  • … und wunderbare Zeltplätze am Meer.

  • Land 12: Liberia grüßt mit krassen Lehmpisten …

  • … und improvisierten Unterkünften.

  • Aber eine Lösung findet sich immer.

  • Land 14: Beach Cruising in Ghana – und Wiebke …

  • … versteht sich bestens mit ihrem Mitradler Julien.

Machst du auch mal Urlaub von der Radreise?

Auf jeden Fall. In Marokko hatte ich drei Wochen Pause am Stück, in Togo eine Woche und im Kongo zehn Tage. Außerdem lege ich pro Woche meistens zwei Pausentage ein. Das muss sein, um alles zu verarbeiten – mental sogar mehr als körperlich. 

Was nervt im Alltag am meisten?

Der Papierkram für die Visa von Guinea bis Kongo war schon langwierig und nervtötend. Und in manchen Regionen hat mich so eine spezielle feuchte Hitze fertig gemacht, die dann auch nachts kaum nachlässt. 

Du bist solo gestartet, fährst phasenweise aber auch mit Begleitung. Was sind die Unterschiede?

Ich bin mit einer Freundin gestartet und war dann eine ganze Weile alleine unterwegs. Jetzt fahre ich schon länger mit Julien Soleil, einem Radreisenden aus Frankreich, den ich in der Sahara getroffen habe. Ich nenne das »solo nicht solo«: Einerseits will ich nicht per se alleine sein, andererseits aber auch nicht jeden Kompromiss eingehen. Es muss halt passen.

Unterm Strich ist zusammen reisen leichter und lockerer, da man mit vier Augen mehr sieht als mit zwei und mit zwei Köpfen schlauer ist als mit einem. Ich habe das Gefühl, dass wir uns zu zweit weniger stressen, mehr Pausen machen und diese auch irgendwie mehr genießen können. Es gibt weniger Sorgen, wenn man jemanden zum Reden hat. Gleichzeitig lache ich in Gesellschaft auch viel mehr – und das ist super fürs Gemüt.

  • Land 17: Nigeria mit saftig grünen Weiden …

  • … und laut meckernden Ziegenherden.

  • Land 18: Willkommen in Kamerun.

  • Land 20: Angola wünscht Gute Reise.

  • Land 21: Namibia – die Birkenstock-Bräune sitzt …

  • … und bis zum Ziel ist es nicht mehr weit. Alles gut. 

Noch vor Weihnachten willst du in Kapstadt ankommen. Optimistisch?

Yes! Ich bin gut im Plan, hab noch einige Highlights vor mir, wie jetzt die Wüste und Küste von Namibia – und dann die letzten Etappen durch Südafrika. Hoffentlich kreuzen auch endlich ein paar wilde Tiere unseren Weg. 

Worauf freust du dich, wenn du zum letzten Mal aus dem Sattel gestiegen bist?

Erst einmal natürlich auf meine Lieben zu Hause und die ruhigen Tage zwischen den Jahren. Aber dann auch wieder aufs Planen des nächsten Abenteuers. Diese Art des Reisens möchte ich in meinem Leben nicht mehr missen.

Wiebkes Route

Nach einem »Prolog« in Frankreich, Spanien und Portugal setzte Wiebke nach Marokko über, durchquerte die Sahara und folgt seither grob der westafrikanischen Küstenlinie. Von allen Ländern, Etappen und Abenteuern erzählt Wiebke auf Instagram. Dort könnt ihr  auch verfolgen, wo sie gerade steckt.

Nach ihrer Rückkehr will Wiebke die komplette Tour in einer Doku zusammenfassen, die 2026 erscheinen soll. Wir sind gespannt 🙂  


INTERVIEW: Stephan Glocker

FOTOS: Wiebke Lühmann, Julien Soleil